Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


MELDUNG/1729: Technische Brillanz ohne krönenenden Abschluß (SB)



Erislandy Lara unangefochtener Punktsieger über Delvin Rodriguez

Erislandy Lara hat den Titel der WBA im Halbmittelgewicht zum zweiten Mal erfolgreich verteidigt. Der gebürtige Kubaner setzte sich in Chicago einstimmig nach Punkten gegen den restlos überforderten Delvin Rodriguez durch und gab dabei keine einzige Runde ab (120:107, 120:107 120:107). Im Rahmen der Serie "Premier Boxing Champions" bekamen die Zuschauer einen derart überlegenen Weltmeister zu sehen, daß sie trotz einer eindrucksvollen Demonstration hoher Boxkunst ihrem Unmut in der zweiten Hälfte des Kampfs Luft machten, weil der Champion nicht auf eine vorzeitige Entscheidung drängte.

Nachdem sich Lara schon frühzeitig in der ersten Runde mit der Bewegungsweise seines Gegners vertraut gemacht hatte, begann er entgegen der von ihm bekannten Taktik sofort, in der Ringmitte wuchtige Schläge zu plazieren. Zweimal wackelte der Herausforderer sichtlich, als ihn der in der Rechtsauslage boxende Kubaner voll getroffen hatte. Dieser Auftakt ließ ein schnelles Ende erwarten, da Rodriguez schon zu diesem Zeitpunkt mit der Schnelligkeit und Präzision des Weltmeisters nicht mithalten konnte.

Dieses Bild setzte sich in den folgenden Runden fort, da Lara in hohem Tempo kämpfte, aus ständig wechselnden Vektoren angriff und den Herausforderer ausmanövrierte. Im weiteren Verlauf des Kampfs ging der Kubaner jedoch geruhsamer zu Werke und kontrollierte das Geschehen mit seinem Jab, ohne Rodriguez jemals die Initiative zu überlassen. Dieser blieb Statist in einem einseitigen Duell, entging aber dem vorzeitigen Ende. In der sechsten Runde landete der Außenseiter nach einer Linken des Kubaners auf den Brettern, der jedoch nicht entschieden nachsetzte und Rodriguez wieder vom Haken ließ.

Vielen Zuschauern gefiel es nicht, daß Erislandy Lara trotz seiner Überlegenheit keine vorzeitige Entscheidung herbeiführen konnte oder wollte. Dessen ungeachtet steuerte der Kubaner einem ungefährdeten Sieg entgegen, so daß er zum zweiten Mal nach seiner umstrittenen Niederlage gegen den Mexikaner Saul "Canelo" Alvarez im Juli letzten Jahres die Oberhand behielt. Delvin Rodriguez, der in Connecticut lebt, scheiterte auch bei seinem dritten Anlauf, sich den Gürtel eines Weltmeisters zu sichern. Für ihn stehen nun 28 Siege, acht Niederlagen sowie vier Unentschieden zu Buche.

Wie überlegen der 32jährige Lara seinen Auftritt gestaltet hatte, belegte auch die Statistik von CompuBox. Demnach brachte der Weltmeister von 609 Schlägen nicht weniger als 233 ins Ziel, was einer Quote von 38 Prozent entspricht. Der in Houston lebende Kubaner, für den nun 21 Siege, zwei Niederlagen sowie ein Unentschieden zu Buche stehen, übertraf den 36 Jahre alten Herausforderer bei weitem, der bei 339 Versuchen nur 63 Erfolge verzeichnen konnte. Noch deutlicher tritt der Unterschied zutage, wenn man die mit vollem Einsatz vorgetragenen Schläge zugrunde legt, bei denen der Kubaner in 62 Prozent der Fälle den Gegner traf. Hingegen gelang es dem aus der Dominikanischen Republik stammenden Rodriguez so gut wie gar nicht, Wirkungstreffer zu landen. [1]

Wie Rodriguez in einer ersten Stellungnahme einräumte, habe er in diesem Kampf auf verlorenem Posten gestanden. Der Weltmeister habe hochkonzentriert geboxt, unablässig aus verschiedenen Richtungen angegriffen und immer wieder nach Lücken gesucht, um seine gefährliche Linke ins Ziel zu bringen. Einmal habe ihm Lara einen schweren Körpertreffer versetzt, der ihm noch mehrere Runden lang zu schaffen machte.

Nach seinem Erfolg dankte Lara seinem Berater Al Haymon, dem gesamten Team und seinem Gegner, der ein guter Herausforderer gewesen sei. Allerdings sei es für Rodriguez auf die Dauer nur noch darum gegangen, bis zum Ende der zwölften Runde durchzuhalten. Dies habe ihm selbst gezeigt, wie gut seine eigene Vorgehensweise funktionierte, so der Kubaner. Seine Versuche, den Herausforderer in die Falle zu locken und vorzeitig zu besiegen, seien leider nicht von Erfolg gekrönt gewesen. Es sei immer unangenehm, sich auf die Punktrichter verlassen zu müssen, spielte der Kubaner auf seine knappe Niederlage gegen Saul Alvarez an. Er ziehe es vor, nicht nur jede Runde für sich zu entscheiden, sondern auch einen endgültigen Niederschlag zu erzielen.

Er werde sich nun mit seinem Team und Al Haymon zusammensetzen, um die nächsten Schritte zu planen. Die Zukunft liege klar vor ihm: Er wünsche sich Floyd Mayweather, Miguel Cotto und Gennadi Golowkin. Was diesem Vorhaben im Weg stehen dürfte, ist Laras mangelnde Popularität beim US-amerikanischen Publikum. Seine technisch hochklassige Kampfesweise wird nicht honoriert, solange kein kampfentscheidender Niederschlag dabei herausspringt.


Fußnote:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/13069163/erislandy-lara-earns-unanimous-decision-win-delvin-rodriguez-keep-junior-middleweight-title

15. Juni 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang