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MELDUNG/1759: Das Publikum war anderer Meinung (SB)



Jean Pascal gewinnt hochklassigen Kampf gegen Yunieski Gonzalez

Im Vorprogramm der erfolgreichen Titelverteidigung Sergej Kowaljows gegen Nadjib Mohammedi in Las Vegas setzte sich Jean Pascal in einem Kampf über zehn Runden einstimmig nach Punkten gegen Yunieski Gonzalez durch (96:94, 96:94, 96:94). Der 32jährige frühere WBC-Weltmeister im Halbschwergewicht aus Montreal verbesserte seine Bilanz auf 30 Siege, drei Niederlagen sowie ein Unentschieden, während für den zwei Jahre jüngeren Kubaner nun 16 gewonnene Auftritte und ein verlorenes Duell zu Buche stehen. [1]

Gonzalez ging von Beginn an überraschend offensiv zu Werke und traf den Favoriten in der ersten Runde mehrfach mit der Rechten, was Pascal sichtlich in Erstaunen versetzte. Auch im zweiten Durchgang schlug der Kubaner unablässig auf seinen Gegner ein, der sich nun nicht minder heftig revanchierte, während die begeisterte Menge beide Boxer lautstark anfeuerte. In der dritten Runde traf der in Miami lebende Gonzalez den Kontrahenten sauber am Kinn, doch Pascal blieb stehen und steckte den Volltreffer weg. Im vierten Durchgang setzten die beiden Halbschwergewichtler den Schlagabtausch fort, in dem der Kubaner nach wie vor die bessere Figur machte.

Erst in der nicht minder turbulenten sechsten Runde gelang es dem Kanadier, die Angriffswucht seines Gegners zu brechen und seinerseits echte Wirkungstreffer ins Ziel zu bringen. Auch zu Beginn des siebten Durchgangs mußte der Kubaner zunächst einiges einstecken, bis er dazu überging, Pascal durch den Ring zu treiben. Als schließlich die neunte Runde erreicht war, wirkten beide sehr erschöpft, da sie dem hohen Tempo Tribut zollen mußten. Dennoch tauschten sie weiter wuchtige Schläge aus und setzten dies auch in der zehnten und letzten Runde fort. Mit letzten Kräften fielen sie übereinander her, so daß Ringrichter Toney Weeks mehrfach eingreifen und sie trennen mußte. [2]

Wäre es nach den Zuschauern gegangen, die Gonzalez am Ende feierten und den Sieger auspfiffen, hätte der Kanadier an diesem Abend den kürzeren gezogen. Pascal hatte in der ersten Hälfte des Kampfs keine gute Figur gegen den wesentlich aktiveren Kubaner gemacht, der später jedoch etwas nachließ, so daß der Kanadier die Oberhand gewann. Allerdings boxte Gonzalez auch in dieser Phase fleißiger und konnte insbesondere die neunte Runde klar für sich verbuchen. In der zehnten und letzten Runde drehte dann vor allem Pascal noch einmal auf und trieb seinen Gegner mit einigen schweren Treffern in die Defensive.

Der anwesende Experte des Senders ESPN punktete wie immer inoffiziell mit und sah Gonzalez am Ende klar in Front. Auch laut der Statistik von CompuBox hatte der Kubaner nicht nur wesentlich häufiger geschlagen, sondern auch etwas öfter getroffen als Pascal. Offenbar waren die Punktrichter jedoch der Auffassung, der Kanadier habe die wirksameren Treffer ins Ziel gebracht, worüber man freilich streiten kann. Da das mitreißende Kampfgeschehen hohe Anforderungen an die Wertung gestellt hatte, wäre es übertrieben, von einem regelrechten Fehlurteil zu sprechen. Umstritten war das Ergebnis jedoch allemal, was auch die überwiegende Mehrheit des Publikums so empfand, das ja in diesem Kampf eines Kanadiers gegen einen Kubaner nicht von vornherein einen Favoriten gehabt hatte.

Wie Gonzalez tief betrübt erklärte, fühle er sich als der wahre Sieger. Hingegen behauptete Pascal, er habe durchweg den Rhythmus diktiert und den Kampf kontrolliert, der freilich sehr eng verlaufen sei. Die Zuschauer seien in diesem hochklassigen Duell jedenfalls auf ihre Kosten gekommen. Er werde weiterhin gegen die besten Kontrahenten antreten und hervorragende Auftritte geben, so der Kanadier.

Yunieski Gonzalez machte sich in dem bislang bedeutendsten Kampf seiner Karriere einen Namen, da er sein Talent unter Beweis stellte und unterstrich, daß er es mit den meisten Akteuren dieser Gewichtsklasse aufnehmen kann. Er schlägt nicht nur in hoher Frequenz, sondern kann auch gefährliche Wirkungstreffer landen. Zudem legt er beachtliche Nehmerqualitäten an den Tag, die durchaus geeignet sein könnten, den anspruchsvollsten Rivalen wie Sergej Kowaljow, Artur Beterbijew oder Adonis Stevenson geraume Zeit standzuhalten. Die Analysten des Senders HBO zeigten sich jedenfalls beeindruckt, so daß mit weiteren Auftritten des Kubaners bei diesem Sender zu rechnen ist.

Jean Pascal hat dank seines Erfolgs die Chance auf eine Revanche mit Sergej Kowaljow gewahrt, der ihm im März in Montreal in der achten Runde das Nachsehen gegeben hatte. Da der Russe seine drei Titel im November in Moskau verteidigt, könnte der Kanadier im Frühjahr 2016 an die Reihe kommen.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/07/kovalev-vs-mohammedi-early-results/#more-196806

[2] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/13319547/jean-pascal-scores-contested-decision-yunieski-gonzalez

27. Juli 2015


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