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MELDUNG/1815: Aufstieg aus dem tiefen Tal (SB)



Kubrat Pulew trifft auf George Arias

Elf Monate nach seiner Niederlage gegen Wladimir Klitschko am 15. November 2014 in Hamburg kehrt Kubrat Pulew in den Ring zurück. Der bulgarische Schwergewichtler trifft am 17. Oktober in Karlsruhe auf George Arias aus Brasilien. Ursprünglich sollte dieser Kampf bereits am 26. September über die Bühne gehen, doch sah sich Sauerland Event gezwungen, die gesamte Veranstaltung abzusagen, nachdem mehrere Akteure wegen Verletzungen ausgefallen waren. Gegen Klitschko hatte sich Pulew vier Volltreffer eingehandelt, dessen letzter vom Sender ESPN zum K.o. des Jahres gekürt wurde. Danach wechselte der 34jährige Bulgare zu Trainer Ulli Wegner, der ihn wieder auf die Erfolgsspur zurückbringen soll.

Während Pulew 20 Siege und eine Niederlage vorzuweisen hat, stehen für den 41 Jahre alten Arias 56 gewonnene und dreizehn verlorene Auftritte zu Buche. Der Brasilianer sollte keine Gefahr für den an Nummer acht der IBF-Rangliste geführten Bulgaren darstellen, hat er doch zwei seiner letzten drei Kämpfe gegen Denis Boitsow und im Juli gegen Hughie Fury verloren.

Der Kampf gegen Klitschko sei eine wertvolle Lektion für ihn gewesen, macht Pulew aus der Not eine Tugend. Damals habe er sich nicht intensiv genug vorbereitet und sei zu selbstsicher gewesen. Seither wisse er, was einen Weltmeister ausmacht, und werde denselben Fehler nicht noch einmal machen, sondern einen Neuanfang wagen.

Ulli Wegner, der unter anderem Markus Beyer, Sven Ottke, Arthur Abraham, Marco Huck und Joan Pablo Hernandez zum Titelgewinn geführt hat, hält mit seinen Vorstellungen nicht hinter dem Berg. Wie der 73jährige erklärt, sei sein neuer Schützling sehr talentiert, lasse jedoch mitunter seinem Ego freien Lauf. Das werde er künftig nicht mehr zulassen: Er habe dem Boxer unmißverständlich klargemacht, wer der Boß ist. Man habe insbesondere an der Defensive gearbeitet und dabei bereits deutliche Verbesserungen erzielt. Er hege keinen Zweifel, daß sich Kubrat Pulew mit den Allerbesten messen könne.

Dem fügte Promoter Kalle Sauerland hinzu, der Bulgare gehöre nach wie vor zu den besten Schwergewichtlern der Welt. Er habe gegen Klitschko bravourös gekämpft und den Champion unter Druck gesetzt. Wenngleich er verloren habe, werde seine Zeit wieder kommen, und mit Ulli Wegner in seiner Ecke habe man volles Vertrauen, daß er sich eines Tages zum Weltmeister krönen könne. [1]

Durch seine lange Pause hat Pulew viel Zeit versäumt, sich wieder an die Spitze der Rangliste voranzuarbeiten. Eine Revanche gegen Klitschko wird er so schnell nicht bekommen, da der Ukrainer zunächst am 28. November seine wegen einer Verletzung verschobene Pflichtverteidigung gegen Tyson Fury nachholt und im Fall eines Sieges im kommenden Jahr auf den amtierenden WBC-Weltmeister Deontay Wilder treffen soll. Dazwischen wird Klitschko vermutlich eine freiwillige Titelverteidigung einschieben und sich dafür sicher einen halbwegs namhaften, aber nicht allzu gefährlichen Kontrahenten aussuchen.

Davon abgesehen hatte Pulew den Weltmeister zwar vor das Problem gestellt, dessen Jab recht erfolgreich zu stören, dabei aber seine Deckung für den gefährlichen linken Haken Klitschkos geöffnet, der ihn damit bereits in der ersten Runde zweimal auf die Bretter schickte. Auch in der Folge gelang es dem Bulgaren nicht, diese fatale Lücke in seiner Abwehr zu schließen, so daß er nach insgesamt vier Niederschlägen schließlich in der fünften Runde am Ende war. Da der Ukrainer um die Gefährlichkeit dieses Gegners wußte, ging er ungewöhnlich aggressiv zu Werke und zeigte sich dabei so überlegen, daß Pulews Erklärung, er habe damals einen winzigen Fehler gemacht, den Tatsachen nicht standhält.

Ulli Wegner ist zweifellos in der Lage, mit Pulews Stärken und Schwächen bestmöglich umzugehen, doch kann auch er keine Wunder wirken und überragende Nehmerqualitäten oder eine beträchtlich gesteigerte Schlagwirkung aus dem Hut zaubern. Um es mit Gegnern wie Klitschko oder Wilder aufzunehmen, bedarf es mehr als eines guten Jabs, über den der Bulgare zweifellos verfügt. Dieser ist andererseits von den Körpermaßen und seinen boxerischen Fähigkeiten her durchaus in der Lage, die allermeisten Konkurrenten vor Probleme zu stellen. Um Tyson Fury, Alexander Powetkin oder Bryant Jennings zu besiegen, bedarf es jedoch nicht nur einer Verbesserung der Defensive, sondern insbesondere einer reibungsarmen Umsetzung der taktischen Vorstellungen Ulli Wegners, die wahrscheinlich erst im Zuge einer längeren Zusammenarbeit reifen wird.

Statt einen Rückkampf gegen Wladimir Klitschko oder eine nicht minder riskante Herausforderung Deontay Wilders aufs Korn zu nehmen, könnte Kubrat Pulew natürlich versuchen, Ruslan Tschagajew den regulären Titel der WBA abzujagen. Bei diesem Verband ist Klitschko amtierender Superchampion und rangiert damit eine Etage über dem in Hamburg lebenden Usbeken, der dennoch keinesfalls eine leichte Beute für Pulew, aber doch ein weniger gefährlicher Weltmeister wäre, dessen Gürtel der Bulgare anpeilen könnte. [2]

Ruslan Tschagajews für den 17. Oktober in Kiel geplante Revanche gegen Fres Oquendo ist wegen einer Trainingsverletzung des Puertoricaners abgesagt worden. Bei ihrem ersten Aufeinandertreffen, zu dem es im Juni 2014 in Grosny gekommen war, hatte sich der Usbeke den vakanten Titel gesichert. Tschagajew wird voraussichtlich erst einmal abwarten, bis Oquendo auskuriert ist und der Kampf nachgeholt werden kann. Darüber dürfte wohl einige Zeit ins Land gehen, was jedoch für Kubrat Pulew insofern keine Rolle spielt, als er sich ohnehin mit einigen gewonnenen Aufbaukämpfen erst wieder an prominenter Stelle positionieren muß.


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/13829305/heavyweight-kubrat-pulev-returning-ring-11-month-lay

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/10/kubrat-pulev-vs-george-arias-on-october-17th/#more-200110

11. Oktober 2015


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