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MELDUNG/1854: Wer soll das bezahlen ... (SB)



900.000 Kunden buchten Cotto gegen Alvarez bei HBO

Nach Angaben des Senders HBO wurde der Kampf um den WBC-Titel im Mittelgewicht zwischen Miguel Cotto und Saul "Canelo" Alvarez am 21. November in Las Vegas von rund 900.000 Kunden im US-amerikanischen Bezahlfernsehen gebucht, die einen Umsatz von 58 Millionen Dollar generierten. Das mit Spannung erwartete Duell zweier aktueller Stars der Branche, das der traditionellen Rivalität zwischen Boxern aus Puerto Rico und Mexiko neue Nahrung gab, bot damit neben einer unterhaltsamen Darbietung im Ring auch in finanzieller Hinsicht einen ansehnlichen Ertrag.

Der Vizepräsident des Senders, Mark Taffet, der den Geschäftszweig gebührenpflichtiger Übertragungen von Boxkämpfen leitet, sprach von einem hervorragenden Ergebnis, wie es seit dem Kampf zwischen Lennox Lewis und Mike Tyson im Jahr 2002 nicht mehr erreicht worden sei, sofern nicht die Großverdiener Floyd Mayweather, Manny Pacquiao oder Oscar de la Hoya beteiligt waren. Dieses Resultat setze ein Ausrufezeichen unter das umsatzstärkste Jahr in der Geschichte des Bezahlfernsehens.

Unter anderen Umständen hätte dieses rege Interesse eines zahlungskräftigen Publikums für den absoluten Höhepunkt des Jahres gesorgt. Da jedoch Mayweather und Pacquiao bei ihrem langersehnten Aufeinandertreffen am 2. Mai mit 4,6 Millionen Subskriptionen den alten Rekord des Bezahlfernsehens mehr als verdoppelt hatten, spielten Cotto und "Canelo" trotz der beiderseits riesigen Fangemeinde nur die zweite Geige. Immerhin lagen sie weit vor der Abschiedsvorstellung Floyd Mayweathers gegen Andre Berto am 12. September, die lediglich 400.000 Buchungen verzeichnete.

Saul Alvarez hatte zwar zusammen mit Mayweather im September 2013 für 2,2 Millionen Abnehmer gesorgt, was aber vor allem der Popularität der inzwischen zurückgetretenen Ausnahmeerscheinung der Branche geschuldet war. Bei seinen Siegen über Alfredo Angulo und Erislandy Lara brachte es der 25jährige Mexikaner nur auf etwas über 300.000 Buchungen, so daß man nun von einem beträchtlichen Zugewinn sprechen kann, der freilich zu einem wesentlichen Teil auch auf das Konto Miguel Cottos ging.

Da Floyd Mayweather seine Karriere zumindest offiziell beendet hat und Manny Pacquiao am 9. April 2016 seinen allerletzten Auftritt geben wird, bevor er sich ganz und gar der Politik in seiner philippinischen Heimat widmen will, hat Saul Alvarez gewisse Aussichten, die Lücke zu füllen. Der Präsident der Golden Boy Promotions, Oscar de la Hoya, läßt jedenfalls seit langem nichts unversucht, seinen prominentesten Boxer zum künftigen Marktführer aufzubauen. Er plant bereits Auftritte Anfang Mai und Mitte September, die bislang Floyd Mayweather wegen der terminlichen Nähe zu den beiden wichtigsten mexikanischen Feiertagen in den USA dauerhaft belegt hatte. "Canelo" sei nun offiziell der größte Star des gesamten Boxgeschäfts, verkündet De la Hoya. Dank seiner Auftritte am Cinco de Mayo und am mexikanischen Unabhängigkeitstag im Herbst werde seine Popularität auf Jahre hinaus beständig anwachsen.

Mark Taffet gilt als Erfinder des Bezahlfernsehens im Boxsport, das er 1991 erstmals bei HBO auf den Weg brachte, damals noch unter dem Namen TVKO. Der satte Erlös des Kampfs zwischen Cotto und Alvarez ist gewissermaßen sein Abschiedsgeschenk an den Sender, den er nach 32 Jahren mit Auslaufen seines Vertrags am 31. Dezember verläßt. Taffet hat während seiner Tätigkeit bei HBO mehr als 190 Veranstaltungen im Bezahlfernsehen über die Bühne gebracht, die zusammengenommen mehr als 65 Millionen Buchungen und über 3,6 Milliarden Dollar generierten. Darunter fallen auch die beiden einträglichsten Duelle mit Floyd Mayweather und Oscar de la Hoya im Jahr 2007 und in höchst seltener Kooperation mit dem konkurrierenden Sender Showtime zwischen Mayweather und Pacquiao Anfang Mai 2015. Ihm sei es glücklicherweise gelungen, mit dem Kampf zwischen Evander Holyfield und George Foreman erstmals eine Übertragung im Bezahlfernsehen zu präsentieren und in der Folge noch einige weitere recht gute Auftritte in diesem Format anzubieten, so Taffet in ironischem Understatement, nennt man ihn doch auch den "Guru des Pay-per-view". [1]

Saul Alvarez müßte seinen Titel eigentlich im nächsten Schritt gegen Gennadi Golowkin verteidigen, der nicht nur Weltmeister der Verbände WBA, IBF und IBO, sondern auch Pflichtherausforderer beim Verband WBC ist. Wenngleich der Mexikaner nach seinem Sieg über Cotto behauptet hat, er fürchte keinen Gegner und scheue auch den Kasachen nicht, hat ihn sein Promoter Oscar de la Hoya doch längst zurückgepfiffen. Dieser weiß so gut wie jeder andere in der Branche, daß der in 34 Kämpfen ungeschlagene Golowkin schlichtweg zu gefährlich für jeden Mittelgewichtler ist. Daher hat der Präsident der Golden Boy Promotions die Perspektive in die Welt gesetzt, daß Alvarez frühestens in eineinhalb Jahren gegen Golowkin antreten werde.

Natürlich gibt niemand zu, daß er Gennadi Golowkin wegen einer nahezu unvermeidlichen Niederlage aus dem Weg geht. Mit den Zahlen von HBO hat Alvarez nun ein Argument an der Hand, warum er viel wichtiger als der Kasache sei und sich deshalb nicht mit ihm abgeben wolle. Golowkin erzielte bei seinem Sieg gegen David Lemieux im Oktober lediglich 150.000 Buchungen, obgleich beide Akteure als Weltmeister in den Ring stiegen. Allerdings handelte es sich um den ersten Auftritt des Kasachen im Bezahlfernsehen und bei seinem Gegner um einen Kanadier, der in den USA keine große Fangemeinde mitbrachte. Man kann daher davon ausgehen, daß Golowkins Bekanntheitsgrad beim US-Publikum weiter steigen wird.

Umgekehrt hat Saul Alvarez zusammen mit Miguel Cotto die unter den aktuellen Umständen populärste Kombination in den Ring gebracht und daher ein finanzielles Ergebnis erzielt, das er so schnell nicht wiederholen kann. Oscar de la Hoyas Vorhersage von gut zwei Millionen Buchungen wurde nicht einmal zur Hälfte erreicht, obgleich der Preis gegenüber den 100 Dollar für die Standardversion des Kampfs zwischen Mayweather und Pacquiao mit 59,99 Dollar erheblich reduziert war. Offenbar war auch der deutlich geringere Preis vielen Boxfans immer noch viel zu hoch, als daß sie sich für Cotto und "Canelo" finanziell aus dem Fenster gelehnt hätten.

Da Saul Alvarez und sein Promoter Oscar de la Hoya die Nachfolge Floyd Mayweathers als Platzhirsch der Branche für sich reklamieren und damit den Vergleich mehr als irgend jemand sonst auf den Plan rufen, müssen sie auch mit dem Echo leben. "Canelo" ist meilenweit von dem geschäftlichen Erfolg Mayweathers entfernt, wobei man natürlich einräumen muß, daß er noch jung ist und gerade erst den angeblich entscheidenden Durchbruch zur erhofften Alleinherrschaft geschafft hat. Noch schwerer wiegt indessen, daß sich der Mexikaner auch in boxerischer Hinsicht nicht mit dem vermeintlichen Vorgänger messen kann. [2]

Der klare Punktsieg gegen Miguel Cotto fiel nach Meinung zahlreicher Experten viel zu hoch aus, die einen wesentlich knapperen Verlauf reklamierten. Vor allem aber hatte der Mexikaner wie bei ihm üblich zwischen dem offiziellen Wiegen und dem Kampf derart viel Gewicht zugelegt, daß er wie ein Halbschwergewichtler aussah und der erheblich kleinere Puertoricaner von vornherein massiv benachteiligt war. "Canelos" Standardargument, er sei im Grunde zu leicht für das Mittelgewicht und werde daher auch künftig nur bei einem von ihm selbst festgesetzten Limit knapp über dem Halbmittelgewicht kämpfen, ist daher absurd und ganz offensichtlich ein gezieltes Manöver, stets körperlich unterlegene Gegner vor die Fäuste zu bekommen. Nun ist der Verband WBC gefordert, ein Machtwort zu sprechen: Saul Alvarez muß entweder unter regulären Bedingungen gegen Golowkin antreten oder den Titel niederlegen.


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/14282398/canelo-alvarez-miguel-cotto-pay-per-view-gets-900k-buys-58m-revenue

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/12/cotto-canelo-brings-in-900000-ppv-buys-on-hbo/#more-202813

5. Dezember 2015


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