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MELDUNG/1892: Die Würfel sind gefallen (SB)



Arthur Abraham verteidigt seinen Titel in Las Vegas

Die Würfel sind gefallen: Arthur Abraham verteidigt den Titel der WBO im Supermittelgewicht am 9. April im MGM Grand in Las Vegas gegen den Pflichtherausforderer Gilberto Ramirez aus Mexiko. Der Kampf wird vom Sender HBO im US-amerikanischen Bezahlfernsehen übertragen und findet im Vorprogramm des vielbeachteten Duells zwischen Manny Pacquiao und Timothy Bradley statt. Bob Arum hat sich diesmal mächtig ins Zeug gelegt, um den Auftritt des Philippiners als Hauptgang eines insgesamt attraktiven Menüs zu präsentieren. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, daß der bevorstehende Abschied Pacquiaos den 84jährigen Promoter anspornt, andere Akteure aus seinem umfangreichen Arsenal vor großer Kulisse darzubieten, um ihren Marktwert zu steigern.

Vielleicht träumt Arum davon, den in 33 Profikämpfen ungeschlagenen Ramirez nach dem erhofften Sieg über Abraham als neuen WBO-Champion gegen andere Weltmeister antreten zu lassen. Für den Berliner wird dies jedenfalls ein schwerer Gang, da er vor einem Publikum antritt, das seinem Gegner den Rücken stärken wird. Er muß also den Heimvorteil des Herausforderers neutralisieren, indem er ihn entweder auf die Bretter schickt oder so eindeutig dominiert, daß den Punktrichtern nichts anderes übrigbleibt, als ihm eine erfolgreiche Titelverteidigung zu attestieren.

Er liebe es, in Deutschland zu kämpfen, so Abraham. Dennoch habe man das Angebot, in Las Vegas auf der größten Bühne des Boxsports aufzutreten, einfach nicht ablehnen können. Jeder Boxer träume davon, seinen Namen im Lichterglanz der Spielerstadt funkeln zu sehen, und dieser Traum werde für ihn am 9. April wahr. Er werde härter denn je dafür trainieren, die beste Vorstellung seiner Karriere geben und den Gürtel um keinen Preis dort zurücklassen. Sollte es dem Berliner gelingen, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen und Ramirez vor aller Augen zu entzaubern, hätte Bob Arum hoch gepokert und verloren.

Natürlich versichert Ramirez, er werde diese Chance nicht ungenutzt verstreichen lassen. Es erfülle ihn mit Stolz, sein Heimatland Mexiko in diesem Rahmen zu vertreten und Geschichte zu schreiben, wenn er Arthur Abraham den Gürtel der WBO abnehmen und sich zum ersten mexikanischen Weltmeister im Supermittelgewicht küren werde. Auf diese Gelegenheit habe er seit seinem Profidebüt im Jahr 2009 gewartet. Er ist wesentlich größer und elf Jahre jünger als der 35jährige Champion, der ihm allerdings jede Menge Erfahrung voraus hat.

Setzt sich Ramirez durch, hielte die WBO in ihren Top 15 reichlich nicht allzu gefährliche Kandidaten bereit, mit deren Hilfe er seinen Titel melken könnte. Arum würde ihn kaum an Gennadi Golowkin verheizen, der kurzen Prozeß mit Gegnern dieser Güte zu machen pflegt. Eher schon dürfte ihm vorschweben, mit Gilberto Ramirez so zu verfahren wie die Golden Boy Promotions mit Saul "Canelo" Alvarez, dem derzeit populärsten mexikanischen Boxer. Den hat man mit recht bekannten, aber limitierten Kontrahenten wie Alfonso Gomez, Matthew Hatton, Austin Trout, James Kirkland, Kermit Cintron und Alfredo Angulo gefüttert, während ihn Oscar de la Hoya unermüdlich als künftigen Superstar der Branche anpries. Seit dem Sieg über den namhaften Puertoricaner Miguel Cotto, mit dem sich "Canelo" den WBC-Titel sicherte, stehen Alvarez viele Türen offen.

Ob Ramirez das ebenfalls gelingen könnte, ist insofern fraglich, als die manipulativ herbeigeführten körperlichen Vorteile seines populären Landsmanns außerhalb seiner Möglichkeiten liegen dürften. "Canelo" boxt stets bei einem vereinbarten Limit knapp über dem Halbmittelgewicht, womit er seine Gegner zum extremen Abkochen zwingt, sofern sie nicht ohnehin kleiner und leichter sind. Nach dem offiziellen Wiegen bläht er sich durch Dehydrieren derart auf, daß er mit weit überlegenen physischen Voraussetzungen in den Ring steigt. Das hat bei ihm bislang ohne die nach solchen Prozeduren häufig auftretenden konditionellen Einbrüche funktioniert. Da Gilberto Ramirez im Gegensatz zu dem wuchtig gebauten Alvarez eher schlank und hoch aufgeschossen ist, schlüge ein solches Verfahren bei ihm wahrscheinlich ohnehin nicht in entscheidendem Ausmaß an. [1]

Was Arthur Abraham betrifft, stellt sich natürlich die Frage, warum er seinen Heimvorteil freiwillig preisgibt. Als sich Team Sauerland und Top Rank bei ihren Verhandlungen am Ende doch nicht einig wurden, kam es zur Versteigerung der Austragungsrechte. Dabei setzten sich die Berliner knapp mit 1.563.057 Dollar gegen die 1.500.250 Dollar Bob Arums durch. Damit stand es Sauerland frei, den Kampf in Deutschland über die Bühne zu bringen, wo sich Abraham nach wie vor großer Popularität erfreut. Der US-amerikanische Promoter ließ jedoch nicht locker und legte offenbar ein finanzielles Zubrot auf den Tisch, dem man sich nicht länger versagen mochte.

Promoter Kalle Sauerland sprach von einer Riesenchance für Abraham. Schon das ursprüngliche Angebot Top Ranks sei sehr großzügig gewesen. Man habe dennoch auf die Versteigerung gesetzt, um bestimmte Konditionen in die eigenen Hände zu bekommen. Gemeinsam mit dem Fernsehpartner ProSiebenSat.1 freue man sich nun darauf, an diesem sportlichen Großereignis beteiligt zu sein, das Abrahams Position als Nummer eins im Supermittelgewicht festigen werde.

Als international führenden Akteur seiner Gewichtsklasse kann man den Berliner schwerlich bezeichnen, für den 44 Siege und vier Niederlagen zu Buche stehen. Er setzt bei seiner sechsten Titelverteidigung alles aufs Spiel, was er sich im Supermittelgewicht nach einem katastrophalen Start mit Niederlagen gegen Carl Froch, Andre Dirrell und Andre Ward im Super-Six-Turnier wider Erwarten doch noch aufgebaut hat. Wie sein Trainer Ulli Wegner denn auch zutreffend warnt, sei dies womöglich die größte Herausforderung in Arthurs Karriere. Sollte er aber in Las Vegas siegen, könnte er zu einer Heldenfigur des deutschen Boxsports aufsteigen. Man werde jedenfalls nichts dem Zufall überlassen und im Unterschied zu Felix Sturm die Entscheidung nicht in die Hände der Punktrichter legen. Mit dieser Bemerkung erinnerte Wegner an Sturms umstrittene Niederlage gegen Oscar de la Hoya in Las Vegas im Jahr 2004, wo dem bravourös boxenden Leverkusener übel mitgespielt wurde. [2]


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/01/arthur-abraham-battles-gilberto-ramirez-april-9-las-vegas-nevada/#more-204458

[2] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/14618015/arthur-abraham-fight-gilberto-zurdo-ramirez-co-feature-manny-pacquiao-timothy-bradley-jr-fight-april-9

22. Januar 2016


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