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MELDUNG/1914: Der Puertoricaner liebstes Kind (SB)



Miguel Cotto plant seinen nächsten Auftritt

Miguel Cotto, der vordem Weltmeister in vier Gewichtsklassen geworden war, kehrt aller Voraussicht nach am 18. Juni in den Ring zurück. Noch steht nicht fest, gegen wen er antreten wird, wie auch die Frage des Veranstaltungsorts noch einer Klärung bedarf. Die Wahl wird jedoch wahrscheinlich auf New York fallen, wo ihm seine puertoricanische Fangemeinde den Rücken stärken würde. Als möglicher Gegner des 35jährigen Puertoricaners, für den 40 Siege und fünf Niederlagen zu Buche stehen, war zunächst der 42 Jahre alte Veteran Juan Manuel Marquez im Gespräch. Der Mexikaner wäre wohl der Wunschgegner Cottos wie auch dessen Promoters Roc Nation, doch hat Marquez seit Juni 2014 wegen einer Knieverletzung pausiert und möchte zunächst im Mai einen Aufbaukampf bestreiten, worauf er möglicherweise später im Jahr gegen Cotto antreten könnte. [1]

In Frage kommen dem Vernehmen nach auch Ruslan Prowodnikow und Diego Chaves. Der 32jährige Russe war früher WBO-Weltmeister im Halbweltergewicht und kann mit 25 Siegen sowie vier Niederlagen aufwarten. Prowodnikow mußte sich 2013 Mauricio Herrera, im Juni 2014 Chris Algieri und im April 2015 Lucas Matthysse jeweils nach Punkten geschlagen geben. Bei seinem jüngsten Auftritt setzte er sich im November in Monaco vorzeitig gegen den überforderten Jesus Alvarez Rodriguez durch, machte bis zum Zeitpunkt des Abbruchs aber keine sonderlich gute Figur. Er hat damit drei seiner letzten sechs Kämpfe verloren und in keinem Fall Revanche für eine erlittene Niederlage genommen. Ruslan Prowodnikow wäre daher kein Kontrahent, anhand dessen sich Cotto nach seinem Titelverlust im Prestigekampf gegen Saul "Canelo" Alvarez rehabilitieren könnte.

Für den Weltergewichtler Diego Chaves stehen 23 Siege, zwei Niederlagen sowie ein Unentschieden zu Buche, wobei er seit Februar 2014 nicht mehr gewonnen hat, was sich schwerlich ignorieren läßt. Allerdings darf man nicht verschweigen, daß Chaves im Kampf gegen Brandon Rios 2014 regelrecht betrogen wurde, als er kurz vor Ende in Führung lag, aber vom Ringrichter Vic Drakulich wegen eines angeblichen Ellbogenstoßes disqualifiziert wurde, von dem in der Aufzeichnung nichts zu sehen war. Diese Fehlentscheidung bewahrte den bei Top Rank unter Vertrag stehenden Rios vor einer weiteren Niederlage, die seine Karriere womöglich zu Grabe getragen hätte. Chaves ist jung und kann kräftig zuschlagen, was ihn zum Problem für Miguel Cotto machen würde, sollte die Wahl denn auf ihn fallen. [2]

Cotto hat bei seinem letzten Auftritt im November im Mandalay Bay Hotel & Casino in Las Vegas einstimmig nach Punkten gegen Saul Alvarez verloren, der ihm den WBC-Titel im Mittelgewicht abnahm. Der Puertoricaner hätte gute Aussichten gehabt, diesen hochdotierten Prestigekampf zu gewinnen, wären die Kontrahenten einander von ihren körperlichen Voraussetzungen her ebenbürtig gewesen. Der Mexikaner stieg jedoch mit einem enormen Gewichtsvorteil von schätzungsweise zehn Kilo in den Ring, da er wie üblich nach dem offiziellen Wiegen durch Rehydrieren massiv zugelegt hatte.

Der Kampf wurde im Pay-TV übertragen, wobei der Sender HBO mit rund 900.000 Buchungen ein ausgezeichnetes Ergebnis einfahren konnte. Es war die zweitbeste Marge des Jahres 2015 nach dem Duell der Superlative zwischen Floyd Mayweather und Manny Pacquiao, das wie erwartet alle Umsatzrekorde brach und sie in eine bislang ungekannte Dimension katapultierte.

Da Cotto und Alvarez jeweils riesige Fangemeinden mobilisieren können, macht eine zweite Auflage des puertoricanisch-mexikanischen Duells allein schon in finanzieller Hinsicht soviel Sinn, daß sie mit hoher Wahrscheinlichkeit stattfinden wird. Allerdings darf keiner von beiden vorher eine Niederlage beziehen, die seinen Ruf nachhaltig schädigt. Der Puertoricaner muß daher ab und zu einen Kampf bestreiten und gewinnen, um sich ins Gespräch zu bringen. "Canelos" Promoter Oscar de la Hoya würde sicher zugreifen, böte sich Ende dieses Jahres oder 2017 eine Gelegenheit, erneut mit Cotto handelseinig zu werden.

Cotto war in der Vergangenheit ein herausragender Boxer und ist immer noch sehr gut, muß aber in den verbliebenen Auftritten seiner Karriere umsichtig zu Werke gehen, was die Wahl seiner Gegner betrifft. Ihn dürften vor allem "Canelo" und Marquez interessieren, nicht jedoch die anderen führenden Mittelgewichtler wie insbesondere Gennadi Golowkin, gegen den Saul Alvarez im Herbst antreten wird oder auch nicht. Trotz seiner Niederlage gegen "Canelo", bei der der Gewichtsunterschied allzu deutlich den Ausschlag gab, hat Cotto auch im Mittelgewicht nach wie vor einen guten Ruf und könnte natürlich auch gegen Daniel Jacobs, Peter Quillin oder Billy Joe Saunders antreten und sich dabei vielleicht sogar wieder einen Titel sichern. Das Problem ist jedoch, daß er mit keinem dieser potentiellen Kontrahenten auch nur annähernd so große Kasse wie mit "Canelo" und vielleicht auch Marquez machen könnte.

Wegen einer für seine Verhältnisse bescheidenen Börse das Risiko einer Niederlage einzugehen, dürfte ihn von solchen Optionen abhalten. Er könnte statt dessen im Halbmittelgewicht antreten, wo mit den Brüdern Charlo, Demetrius Andrade, Erislandy Lara oder Liam Smith eine Reihe namhafter Gegner bereitstünde. Offenbar plant Cotto jedoch eine Rückkehr ins Weltergewicht, wo er es mit den hochkarätigsten Kontrahenten aufnehmen könnte.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/02/miguel-cotto-fight-june-18/#more-205560

[2] http://www.boxingnews24.com/2016/02/cotto-vs-ruslan-provodnikov-diego-chaves-possible-june-18/#more-205598

20. Februar 2016


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