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MELDUNG/1947: Alle Felle weggeschwommen? (SB)



Felix Sturm unter Dopingverdacht

Felix Sturm ist nach seinem Sieg bei der Revanche gegen den Russen Fjodor Tschudinow am 20. Februar in der A-Probe positiv auf die anabole Substanz 3-Hydroxystanozolol getestet worden. Der 37 Jahre alte Leverkusener war in Oberhausen durch den umstrittenen Erfolg neuer Superchampion der WBA im Supermittelgewicht geworden. Sollte auch die B-Probe positiv ausfallen, wird ihm der Titel aberkannt. Da sich Sturm dem Ende seiner Karriere nähert, steht gewissermaßen auch sein sportliches Lebenswerk auf dem Spiel. Analysiert wurde die Probe im Kölner Anti-Doping-Labor, das Spuren des verbotenen Muskelpräparats im Urin nachweisen konnte.

Der Weltmeister bestreitet nachdrücklich die Einnahme des Mittels und beruft sich darauf, daß er im Laufe seiner Karriere unzählige Male negativ getestet worden sei. Er habe ein absolut reines Gewissen und könnte nun wilde Theorien aufstellen, wie die monierte Substanz in seinen Körper gelangt sei, doch helfe das erfahrungsgemäß nicht weiter. Deshalb werde er Anwälte einschalten und die B-Probe öffnen lassen, so der Leverkusener, der sich seit Wochen in Sarajevo aufhält. Er habe am Freitagabend durch eine Mail seitens der World Boxing Association von dem positiven Befund erfahren. Ihn erstaune, daß die Nachricht erst nach zwei Monaten eingetroffen und der Bund Deutscher Berufsboxer (BDB) als Ausrichter des Kampfabends offenbar nicht früher in Kenntnis gesetzt worden sei.

Auch Walter Wagner, Verbandsarzt im BDB, hegt Zweifel hinsichtlich der zeitlichen Abfolge des Vorgangs. Von der Dopingprobe bis zum Ergebnis dauere es in der Regel zehn Tage. Jetzt seien jedoch fast zwei Monate vergangen. Doping sei inzwischen ein Straftatbestand. Er wundere sich, wie lax damit im BDB umgegangen wird. Daß so lange nichts an die Öffentlichkeit gedrungen ist, nährt zwangsläufig Mutmaßungen, jemand habe womöglich die Information unterschlagen, um den Fall zu vertuschen. Wie Wagner beklagt, habe er seit rund fünf Jahren keine Ergebnisse über Dopingkontrollen mehr erhalten. Gemeinsam mit dem Sauerland-Stall habe man bereits 1980 Dopingkontrollen ins Leben gerufen. Vergehen seien sofort bestraft worden, das habe immer geklappt - seit fünf Jahren jedoch nicht mehr.

BDB-Präsident Thomas Pütz versichert indessen, er habe erst am vergangenen Freitag von dem Ergebnis erfahren. Da Sturm an einer Ellenbogenverletzung laboriert habe, sei nicht auszuschließen, daß die Substanz in den Medikamenten enthalten war, die er einnehmen mußte. Die Substanz 3-Hydroxystanozolol werde im Bodybuildingbereich verwendet. Gehe es jedoch wie beim Boxen um Ausdauer und Reaktionsfähigkeit, helfe diese Substanz überhaupt nicht. Warum sollte Felix Sturm ein verbotenes Mittel verwenden, das keinerlei Vorteile für ihn mit sich bringt, wirft Pütz eine naheliegende Frage auf. Der BDB-Präsident unterstreicht zu Recht, daß die Unschuldsvermutung gelte. Er persönlich glaube nicht, daß Sturm die Substanz bewußt eingenommen hat und werde dessen Stellungnahme, das Eintreffen der offiziellen Unterlagen wie auch die Öffnung der B-Probe abwarten.

Sollte sich der Dopingvorwurf erhärten, wird der Weltverband WBA dem Kölner den Titel aberkennen und ihn voraussichtlich für zwei Jahre sperren. Im Bereich des BDB beträgt die Höchststrafe für Dopingsünder ein Jahr. Ob sie im Fall Sturms ausgeschöpft würde, steht nicht fest. Damit könnte der Leverkusener nach einer mehrmonatigen Sperre zumindest in Deutschland wieder kämpfen. Andererseits müßte der BDB den Fall dem europäischen Verband EBU melden, der dann wie die WBA eine zweijährige Sperre verhängen würde. Mithin dürften mögliche Gegner wie beispielsweise Arthur Abraham zwei Jahre nicht gegen den in Deutschland milder bestraften Sturm antreten, was dessen Abschied vom aktiven Boxsport wohl beschleunigen würde. [1]

Sturm, für den 40 Siege, fünf Niederlagen sowie drei Unentschieden zu Buche stehen, hatte gegen Tschudinow, der sich nach vierzehn Erfolgen erstmals geschlagen geben mußte, knapp nach Punkten die Oberhand behalten (115:113, 115:113, 114:114). Nicht wenige Zuschauer und Experten waren der Auffassung, daß der Russe mehr für den Kampf getan hatte, zumal auch die Statistik von CompuBox eindeutig zu seinen Gunsten sprach. Daher blieb das ungute Gefühl eines überstrapazierten Heimvorteils zurück, den Tschudinows Trainer mit den harschen Worten monierte, ausländische Boxer könnten in Deutschland bekanntermaßen nicht nach Punkten gewinnen, wo ihre Laufbahn ruiniert werde.

Dessen ungeachtet schien Felix Sturm, der zum fünften Mal in seiner Karriere Weltmeister geworden war, ein lukrativer Kampf gegen seinen langjährigen Dauerrivalen Arthur Abraham zu winken, der sich vor deutschem Publikum erstklassig vermarkten ließe. Doch während dem Leverkusener nun im Falle einer ebenfalls positiven B-Probe sämtliche Felle wegzuschwimmen drohen, wurde Abraham unterdessen als Weltmeister entthront. Er verlor nach einer desaströsen Vorstellung bei seinem ersten Auftritt in Las Vegas sämtliche Runden gegen den jungen Mexikaner Gilberto Ramirez, dem nun als neuem WBO-Champion alle Türen offenstehen, die dem Berliner vor der Nase zugeschlagen worden sind. Felix Sturm und Arthur Abraham haben über die Jahre in Deutschland eine große und stabile Fangemeinde aufgebaut, die ihnen auch dann die Treue hielt, als sie gemessen am internationalen Standard längst mehr oder minder ins Hintertreffen geraten waren. Da nun der Vereinigungskampf zweier deutschen Weltmeister im Supermittelgewicht gestorben ist, bleibt wenig, was die beiden angesichts ihres Alters noch tun könnten, um ein letztes Glanzlicht zu setzen. [2]


Fußnoten:

[1] http://www.focus.de/sport/boxen/boxen-box-praesident-positiver-doping-test-bei-weltmeister-sturm_id_5443520.html

[2] http://www.boxingnews24.com/2016/04/felix-sturm-fails-drug-test-fedor-chudinov-fight/#more-208182

17. April 2016


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