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MELDUNG/1954: Brückenschlag über den großen Teich (SB)



Anthony Joshua unterzeichnet Vertrag mit US-Sender Showtime

Der britische Schwergewichtler Anthony Joshua hat einen Vertrag über mehrere Auftritte mit Showtime Sports abgeschlossen. Dies gab Stephen Espinoza für den neben HBO führenden US-amerikanischen Boxsender in einem Londoner Luxushotel bekannt. Auf diese Weise hofft der in sechzehn Kämpfen ungeschlagene IBF-Weltmeister, sich dem Publikum in den USA besser bekannt zu machen. Wie Joshuas Promoter Eddie Hearn mitteilte, wird bereits die erste Titelverteidigung gegen Dominic Breazeale am 25. Juni in der Londoner O2 Arena von Showtime übertragen. Da der Kampf aufgrund der Zeitversetzung in den USA am Nachmittag zu sehen sein wird, dürfte sich die Zuschauerquote allerdings in Grenzen halten. Das würde sich wohl auch in Zukunft kaum ändern, sollte dieser Modus beibehalten werden.

Hearn hat für November eine Titelverteidigung gegen Bermane Stiverne oder Bryant Jennings ins Auge gefaßt, sollte der erhoffte Vereinigungskampf mit Tyson Fury nicht zustande kommen. Da Fury jüngst erklärt hat, er wolle die Boxhandschuhe nach der Revanche gegen Wladimir Klitschko am 9. Juli auf jeden Fall an den Nagel hängen, wird Joshua diesen Kontrahenten kaum vor die Fäuste bekommen. Sollte es sich Tyson Fury anders überlegen, bliebe er für Joshua natürlich nur interessant, sofern er den Ukrainer erneut in die Schranken weist.

Eddie Hearn geht offenbar davon aus, daß der inzwischen 40 Jahre alte Klitschko auch beim zweiten Aufeinandertreffen unterliegen wird. Dafür müßte der entthronte Champion jedoch genauso schlecht boxen, wie bei seinem Titelverlust, was schwer vorstellbar ist. Fury war damals kaum besser und schien damit sein Repertoire voll ausgespielt zu haben. Greift ihn der Ukrainer diesmal etwas beherzter an, müßte das kurze Intermezzo des Briten als Schwergewichtsweltmeister enden, kaum daß es begonnen hat. Davon abgesehen scheint Fury in schlechter körperlicher Verfassung zu sein, so daß fraglich ist, ob er in angemessener Form antreten wird.

Joshuas Promoter hält sich selbst zugute, seinen derzeit zumindest in England populärsten Schützling mit Bedacht aufzubauen, und lobt dessen Lernfähigkeit. Anthony stehe nun unter enormem Druck, da er Weltmeister und ein Zugpferd im britischen Pay-TV sei. Mit Dominic Breazeale treffe er auf einen früheren Olympiateilnehmer, der als Profi in 17 Auftritten ungeschlagen und zweifellos hochmotiviert sei, sich den Gürtel zu sichern. Dennoch werde er wie alle anderen Gegner Joshuas vorzeitig die Segel streichen müssen.

Deontay Wilder sei erst nach 33 Kämpfen WBC-Weltmeister geworden, während Anthony Joshua lediglich 16 Auftritte benötigt habe, um den Gürtel der IBF zu gewinnen. Gemessen an der letzten Börse des US-Amerikaners streiche Joshua schon jetzt das Drei- bis Vierfache ein. Träte er in Kürze in den USA auf, müßte er folglich mit einer beträchtlichen finanziellen Einbuße rechnen, so Hearn. Aus diesem Grund werde er wohl erst im nächsten Jahr vor US-Publikum in den Ring steigen. Im Herbst sei eine freiwillige Titelverteidigung geplant, worauf dann im Frühjahr 2017 ein Kampf gegen den Pflichtherausforderer folgen solle, der im Duell zwischen Joseph Parker und Carlos Takam am 21. Mai in Auckland ermittelt wird.

Bezeichnenderweise zieht Hearn für Joshuas Kampf im November weder Deontay Wilder noch Luis Ortiz in Betracht, die derzeit als gefährlichste Akteure im Schwergewicht gelten. Um Joshua keinen Risiken auszusetzen, die ihm über den Kopf zu wachsen drohten, wie auch in finanzieller Hinsicht bietet es sich an, ihn vorerst in England zu vermarkten. Dort ist die Begeisterung für den Boxsport sehr viel ausgeprägter als in den USA, deren Markt andererseits ungleich größer ist. Stars wie Floyd Mayweather fahren im Pay-TV astronomische Umsätze ein, die sich jedoch keinesfalls auf weniger populäre Akteure übertragen lassen. Wollte Joshua im US-amerikanischen Bezahlfernsehen Fuß fassen, wie sein Promoter es mittelfristig anstrebt, müßte er zuvor für geraume Zeit in den USA auftreten, um sich einen Namen beim Publikum zu machen. [1]

Mit Kämpfen gegen Bermane Stiverne oder Bryant Jennings in England, die nachmittags für die US-Zuschauer ausgestrahlt werden, wird es kaum möglich sein, den Briten jenseits des Atlantiks bekannt zu machen. Daß Showtime dennoch einen Vertrag mit ihm abgeschlossen hat, dürfte darauf zurückzuführen sein, daß Joshua in zunehmendem Maße als die Zukunft des Schwergewichts angepriesen wird. Wie Stephen Espinoza dazu erklärt, sei Showtime eine Heimstatt der besten Boxer in den USA wie auch weltweit. Deshalb freue er sich, den Zuschauern Anthony Joshua präsentieren zu können, der künftig zu den Stars des Boxsports gehören werde.

Vor Joshua war es mit Joe Frazier, George Foreman, Lennox Lewis, Wladimir Klitschko und Alexander Powetkin nur fünf Schwergewichtlern gelungen, zunächst Olympiasieger und später Profiweltmeister zu werden. In England hat das über alle Gewichtsklassen gesehen zuvor nur James DeGale geschafft, der aktuell IBF-Champion im Supermittelgewicht ist. Wie populär der 26jährige Joshua bei den heimischen Fans inzwischen ist, läßt sich daran ermessen, daß die O2 Arena mit 20.000 Sitzplätzen für die erste Titelverteidigung gegen Dominic Breazeale binnen einer halben Stunde ausverkauft war.

Der junge Weltmeister gibt sich angesichts des Vertrags mit Showtime bescheiden und vernünftig wie immer, was längst zu seinem Markenzeichen außerhalb des Rings geworden ist und maßgeblich zu seiner Popularität bei einem breiteren Publikum beigetragen hat. Der Kontrast zu dem allzeit rüden, pöbelnden, angeberischen und provozierenden, also wesentlich unterhaltsameren Tyson Fury könnte kaum größer sein. So betont Joshua denn auch, daß derzeit alles sehr gut für ihn aussehe, er aber nicht die Bodenhaftung verlieren werde. Boxen sei ein sehr harter Sport, in dem man nur gut sei, solange man gewinne. In jedem Kampf lauere die Niederlage, weshalb er niemals leichtfertig werde und sich den Erfolg keinesfalls zu Kopf steigen lasse. [2]


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/05/showtime-signs-anthony-joshua-multi-fight-deal/#more-20942

[2] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/15459421/titlist-former-olympian-anthony-joshua-signs-multi-fight-deal-show

5. Mai 2016


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