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MELDUNG/2092: Mexiko freut sich auf einen Feiertag (SB)



Saul "Canelo" Alvarez handelseinig mit Julio Cesar Chavez

Dem äußeren Anschein nach ist dies womöglich der bedeutendste Kampf zweier mexikanischer Akteure in der Geschichte des Boxsports. Mit Saul "Canelo" Alvarez und Julio Cesar Chavez jun. treffen am 6. Mai die beiden populärsten aktiven Boxer ihres Landes aufeinander. Das vom Sender HBO im Pay-TV übertragene Spektakel am Wochenende des Feiertags Cinco de Mayo wird zweifellos die Kasse klingeln lassen, so daß die Superlative zumindest in finanzieller Hinsicht zutreffen könnten. Der Veranstaltungsort steht noch nicht fest, wobei die T-Mobile Arena in Las Vegas das Rennen machen könnte, da sie von der Sportkommission des Bundesstaats Nevada zu diesem Termin für die Golden Boy Promotions reserviert worden ist. Deren Präsident Eric Gomez will jedoch prüfen, ob auch das AT&T Stadium in Arlington in Frage käme, wo "Canelo" im September vor der Rekordkulisse von 51.240 Zuschauern dem Briten Liam Smith durch K.o. in der neunten Runde den WBO-Titel im Halbmittelgewicht abgenommen hat.

Alvarez und Chavez, die beide früher WBC-Champion im Mittelgewicht gewesen waren, treffen bei einer vereinbarten Gewichtsgrenze von 164,5 US-Pfund (74,5 kg) aufeinander. Sich diesbezüglich zu einigen, war eines der größten Probleme bei den Verhandlungen, die im November begonnen hatten. Alvarez hat offiziell noch nie höher als 155 Pfund (70,3 kg) geboxt und selbst als Weltmeister im Mittelgewicht seinen Gegnern dieses Limit hart an der unteren Grenze dieser Gewichtsklasse abverlangt. Chavez war seit 2013 nie leichter als 167,5 Pfund (76 kg) und hatte bekanntermaßen zumeist enorme Probleme, so wenig auf die Waage zu bringen. Dennoch ist nicht ausgeschlossen, daß "Canelo" schwerer als Chavez in den Ring steigt, da er nach dem Wiegen durch Rehydrieren enorm zulegt und dadurch seinen Gegnern seit Jahren durchweg körperlich überlegen ist. Wenngleich mehrere Verbände ein zweites Wiegen am Kampftag vorschreiben, bei dem das Gewicht des Vortags nur um eine bestimmte Spanne übertroffen werden darf, liegen keinerlei Angaben darüber vor, wie schwer Alvarez tatsächlich im Kampf ist.

Beide Boxer sind bei ihren Landsleuten sehr beliebt, doch ist "Canelo" das eigentliche Zugpferd, tonangebend und zweifellos klarer Favorit in diesem Kampf. Er hat 48 Siege, eine Niederlage und ein Unentschieden vorzuweisen, während sein Gegner mit 50 gewonnenen und zwei verlorenen Kämpfen sowie ebenfalls einem Unentschieden aufwarten kann. Chavez bekommt dem Vernehmen nach eine Börse von 7 Millionen Dollar sowie einen prozentualen Anteil an den Fernsehgeldern, so daß er insgesamt um die zehn Millionen Dollar verdienen könnte. Das wiederum dürfte nur ein Bruchteil dessen sein, was Alvarez einstreichen kann, was ihr Duell für beide Seiten zu einem guten, wenn nicht gar dem bestmöglichen Geschäft macht, das derzeit abzuwickeln ist. [1]

In sportlicher Hinsicht ist die Strategie der Golden Boy Promotions, "Canelo" mehr oder minder handverlesene Kontrahenten zuzuführen, die er absehbar besiegen kann, abermals ernüchternd. Ginge es allen Ernstes darum, sich mit den stärksten Rivalen zu messen, wären Gennadi Golowkin, Jermall Charlo oder Demetrius Andrade an der Reihe. Seit seinem umstrittenen Sieg über den Kubaner Erislandy Lara im Jahr 2014 hat Alvarez mit Gegnern wie James Kirkland, Miguel Cotto, Amir Khan und Liam Smith im Ring gestanden, die entweder gealtert, körperlich klar unterlegen oder boxerisch von vornherein nicht von seinem Kaliber waren.

Das gilt auch für Julio Cesar Chavez, dessen beste Zeit nun schon fünf Jahre zurückliegt. Damals war er WBC-Weltmeister und einer der führenden Akteure des Mittelgewichts, bis er von dem Argentinier Sergio Martinez entthront wurde. Danach ging es mit Chavez bergab, der schlecht trainierte, selten kämpfte und auch im Privatleben dann und wann für negative Meldungen sorgte. Da er das Gewicht nicht mehr bringen konnte, stieg er ins Supermittelgewicht auf und setzte sich zwar zweimal gegen Brian Vera und einmal gegen Marcos Reyes durch, die aber nicht zur ersten Garnitur zählen. Gegen den Polen Andrzej Fonfara bezog Chavez eine vorzeitige Niederlage, und bei seinem erfolgreichen Comeback nach langer Abwesenheit von 17 Monaten gewann er am 10. Dezember in Monterrey zwar über zehn Runden einstimmig nach Punkten gegen Dominik Britsch, war aber lediglich der weniger schwache von zwei enttäuschenden Akteuren. [2]

Wenn man dem Mexikaner immerhin zugute hielt, daß er sich diesmal engagiert vorbereitet und das geforderte Gewicht relativ problemlos erreicht habe, unterstrich dieses Lob zugleich, wie tief die Erwartungen an den Sohn der gleichnamigen mexikanischen Boxlegende gesunken sind. Saul Alvarez trifft also erneut auf einen Kontrahenten, der wie James Kirkland nur noch dem Namen nach ein prominenter Akteur, in Wirklichkeit jedoch ein Boxer ist, der den Zenit seines Könnens längst überschritten hat und lediglich hofft, im Kampf mit "Canelo" wie durch ein Wunder Wiederauferstehung zu feiern, zumindest aber noch einmal eine stattliche Börse einfahren zu können, wie er sie anderswo nicht mehr bekäme.


Fußnoten:

[1] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/18468627/canelo-alvarez-julio-cesar-chavez-jr-agree-bout-6

[2] http://www.boxingnews24.com/2017/01/canelo-vs-chavez-jr-official-may-6-breaking-news/#more-225063

14. Januar 2017


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