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MELDUNG/2213: Am Boden zerstört (SB)



James DeGale verliert gegen Caleb Truax Kampf und Titel

James DeGale ist am Boden zerstört. Statt seiner britischen Fangemeinde beim ersten Auftritt vor heimischem Publikum seit November 2014 zu demonstrieren, was ihr unterdessen entgangen war, erlebte er ein Debakel. In der Copper Box Arena in Stratford im Londoner Osten mußte er sich nach zwölf Runden dem US-amerikanischen Außenseiter Caleb Truax nach Punkten geschlagen geben (116:112, 115:112, 114:114) und verlor überraschend den IBF-Titel im Supermittelgewicht. [1]

Dies war neben 23 Siegen und einem Unentschieden die zweite Niederlage des 31jährigen Briten und bei weitem die schlimmere. Als er sich 2011 seinem Landsmann George Groves geschlagen geben mußte, hatte er in den letzten sechs Runden ausgezeichnet gekämpft und am Ende eine gute Figur gemacht. Gegen Truax konnte man DeGale lediglich die erste und letzte Runde gutschreiben, während der Rest mehr oder minder deutlich an den Herausforderer ging, auch wenn die Punktrichter das nicht ganz so drastisch sahen. Der Titelverteidiger wirkte kraftlos, ausgelaugt und so weit entfernt von seinem früheren Können, als habe er dessen Zenit weit überschritten. [2]

Im Januar 2017 hatte sich James DeGale eine wahre Schlacht mit dem damaligen WBC-Weltmeister Badou Jack geliefert, die unentschieden endete, so daß beide Weltmeister ihre Gürtel behielten. Danach mußte sich der Brite Operationen an der rechten Schulter und der Nase unterziehen, weshalb er wohl gut beraten gewesen wäre, die Rückkehr in den Ring auf das nächste Jahr zu verschieben. Andererseits hatte man mit Truax einen Aufbaugegner ausgesucht, der für einen unterhaltsamen Kampf gut zu sein schien, den er jedoch eigentlich nicht gewinnen konnte. Das sollte sich als Fehleinschätzung erweisen, wobei der US-Amerikaner einen beherzten und taktisch klugen, aber keineswegs überragenden Auftritt gab. Caleb Truax hatte schlichtweg Glück, DeGale in einer desolaten Verfassung anzutreffen, die in krassem Kontrast zur hochklassigen Darbietung mit Badou Jack stand. [3]

Der 34 Jahre alte Truax, für den nun 29 Siege, drei Niederlagen sowie zwei Unentschieden zu Buche stehen, wurde zuvor erst an Nummer 15 der IBF-Rangliste geführt, so daß er gerade noch für einen Titelkampf in Frage kam. Im Laufe seiner zehnjährigen Profikarriere hatte der US-Amerikaner noch nie einen Gegner der Spitzenklasse bezwungen und gegen Jermaine Taylor, Daniel Jacobs wie auch Anthony Dirrell verloren. Wie er jedoch nach seinem Erfolg berichtete, habe er DeGales Kampf gegen Badou Jack ausgiebig studiert und dabei festgestellt, daß der Brite Probleme bekomme, wenn er ständig unter Druck gesetzt werde. Daher habe man sich auf die Taktik festgelegt, den Titelverteidiger unablässig anzugreifen und an seiner bevorzugten Kampfesweise zu hindern. Wenngleich Jack dies erheblich besser praktiziert hatte, kann man Truax doch attestieren, sein Vorhaben konsequent in die Tat umgesetzt zu haben.

DeGale boxte nur in der ersten Runde energisch mit und zog sich danach immer wieder an die Seile zurück, wo ihn der Herausforderer fast nach Belieben mit Schlägen eindecken konnte. In der fünften Runde mußte der Brite derart heftige Treffer einstecken, daß er kurz vor einem Niederschlag zu stehen schien. In der Pause zeigte sich, wie schwer er inzwischen gezeichnet war, doch fuhr er fort, sein Heil mit dem Rücken an den Seilen zu suchen. Das hatte in seinen Kämpfen gegen Lucian Bute, Rogelio Medina und Andre Dirrell sehr gut funktioniert, doch war er damals wesentlich dynamischer und wirkungsvoller zu Werke gegangen. Diesmal war der Brite schlichtweg nicht in der Lage, dem Kontrahenten in der Ringmitte standzuhalten, da dieser in höherer Frequenz und ständig vorwärts marschierend schlug. Nach einigen halbherzigen Angriffen machte sich DeGale dann jedesmal davon und landete alsbald wieder an den Seilen, wo er sich von Truax bearbeiten ließ.

Erst in der zwölften und letzten Runde schien DeGale noch einmal aufzuwachen, doch kam dieses Aufbäumen viel zu spät. Er wirkte nach Ende des Kampfes benommen, als er erklärte, er habe seines Erachtens gewonnen. Allerdings räumte er gleich danach ein, nach seiner Schulteroperation wohl zu früh wieder gekämpft zu haben. Er verlange auf jeden Fall eine Revanche, um dieses Mißgeschick auszubügeln. Inzwischen ist ihm aber klar, wie schlecht sein Auftritt gewesen war, denn er entschuldigte sich bei Familie, Freunden und Fans. Er wolle zunächst einmal herausfinden, was schiefgelaufen war, und sich dann in aller Ruhe über die nächsten Schritte klar werden.

Die Pläne James DeGales, eine Revanche mit George Groves auszutragen und sich mit dem Sieger der World Boxing Super Series zu messen, sind Makulatur. Groves hat nach DeGales Niederlage gegen Truax keinerlei Interesse an seinem alten Rivalen mehr und ihn bereits wissen lassen, er solle nach diesem katastrophalen Auftritt besser die Boxhandschuhe an den Nagel hängen. Dasselbe teilte auch Chris Eubank jun. mit, der im Turnier auf Groves trifft. Sollte Eubank die Oberhand behalten und sich auch im Finale durchsetzen, dürfte ihm der Sinn nach einem Duell mit einem anderen Weltmeister wie David Benavidez oder Gilberto Ramirez stehen.

Vorerst taucht DeGale in dieser Rechnung nicht mehr auf und er müßte schon eine mögliche Revanche gegen Truax sowie ein bis zwei weitere Kämpfe gegen namhafte Konkurrenten gewinnen, um für Groves und Eubank wieder von Belang zu werden. Auch Callum Smith wäre derzeit eine Nummer zu groß für ihn. Ob es tatsächlich zu einem Rückkampf gegen Caleb Truax kommt, hängt davon ab, zu welchem Schluß der neue IBF-Champion und sein Team kommen. Vielleicht halten sie den Briten für eine vergleichsweise leichte Beute, mit der sich dennoch viel Geld verdienen ließe. Sollte DeGale abermals unterliegen, müßte er sich jedenfalls allen Ernstes mit der Frage des Rücktritts konfrontieren. Noch ist es aber zu früh, den Schluß zu ziehen, der soeben entthronte Weltmeister könne mit seinen 31 Jahren nie wieder das frühere Niveau erreichen.


Fußnoten:

[1] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/21721757/james-degale-stunned-loses-ibf-super-middleweight-belt-caleb-truax

[2] http://www.boxingnews24.com/2017/12/degale-im-devastated-performance/#more-250058

[3] http://www.boxingnews24.com/2017/12/caleb-truax-upsets-james-degale-results/#more-249919

12. Dezember 2017


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