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ABWASSER/228: Schweizer Forschung zum "abwassserlosen Haus" (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 942 vom 30. März. 2010 - 29. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

"Dachwasser trinken und mit Abwasser duschen"


Nutzwasser-Enthusiasten in Ostdeutschland und in Niedersachsen zeigen seit Jahren, dass das abwasserlose Haus bzw. das abwasserlose Grundstück möglich ist. Abwasserinhaltsstoffe und das gereinigte Abwasser werden fast restlos recycelt. In Deutschland werden die Verfechter der "Nutzwasser-Idee" von der Fachwelt und der Politik in der Regel als Spinner abgetan. Es bedarf wohl des Umwegs über die Schweiz, um die "Nutzwasseridee" und das "abwasserlose Haus" auch in der konservativen deutschen Wasserwirtschaft zu einem seriösen Diskussionsthema zu machen. In der Schweiz hat eine der weltweit renommiertesten wasserwirtschaftlichen Forschungsinstitutionen den "abwasserlosen Haushalt" jetzt zum Forschungsthema erkoren. Die "Eidgenössische Anstalt für Wasser, Abwasser und Gewässerschutz" (EAWAG) geht davon aus, dass dezentrale Systeme zum Abwasserrecycling und zur Trinkwasseraufbereitung künftig einen großen Beitrag zur Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele leisten können. Ziel sind einfache Anlagenkonzepte mit ausreichend tiefen Investitionskosten sowie einem möglichst kleinen Betriebs- und Unterhaltsaufwand, die lokal umgesetzt werden können. Um die Potentiale der dezentralen Grauwasserreinigung, -wiederverwertung und Trinkwassergewinnung aufzuzeigen, betreibt die EAWAG schon seit dem Jahr 2006 ein Einfamilienhaus bei Solothurn zu Demonstrationszwecken.

In dem Pilotprojekt werden aufbereitetes Trink- und Grauwasser in zwei 200-Liter-Tanks in Intervallen mit einer UV-Lampe bestrahlt, um eine Wiederverkeimung bei längeren Standzeiten zu unterbinden. Der Logistikaufwand zur gewissenhaften Kontrolle der Leistung der UV-Desinfektion dürfte für Entwicklungsländer aber in der Regel zu hoch liegen. Die bei Zürich gelegene EAWAG experimentiert jetzt mit einem anderen System: In einem Wohncontainer reinigt eine Membrananlage das Dachablaufwasser sowie das Grauwasser aus Dusche, Spülbecken usw. Während das gereinigte Dachablaufwasser zu Trinkwasserzwecken genutzt werden kann, kann das gereinigte Grauwasser für alle anderen Haushaltszwecke eingesetzt werden - beispielsweise zum Duschen und für andere Reinigungszwecke. In der zentralen Wasseraufbereitung und Abwasserreinigung erfordert die Membranreinigung bislang einen erheblichen Energieeinsatz, um das zu reinigende Wasser mit hohem Druck durch die Membranen zu pressen. Der Clou beim Wohncontainer besteht darin, dass der Durchfluss durch die nur hutschachtelgroße Membrananlage mit Hilfe der Schwerkraft erfolgt, also keiner Pumpe bedarf (siehe Kasten). Größer ist da schon die Kleinstkläranlage, in der das Grauwasser gereinigt wird: In der Waschmaschinen-großen Grauwasser-Recyclinganlage läuft das Wasser ebenfalls nur mit Hilfe der Schwerkraft durch die Membran. Insgesamt stehen damit täglich gut 100 Liter Wasser zur Verfügung. Der Wohncontainer mit der Bezeichnung "Raumzelle SELF" versorgt sich über eine Photovoltaik-Anlage (PV) übrigens auch selbst mit Strom. In dem Wohncontainer können zwei Personen wohnen und arbeiten und zwei Wochen lang autark überleben. Der selbst erzeugte PV-Strom dient nicht nur für Heizung und Kühlung, sondern auch für Warmwasser, Licht und sämtliche Geräte, die allesamt auf höchste Energieeffizienz getrimmt wurden. Liefert die PV-Anlage mehr Strom, als aktuell benötigt wird, wird der Überschuss in Lithium-Polymer-Batterien gespeichert bzw. zur Wasserstoffproduktion verwendet. Der Wasserstoff kann bei kalten Temperaturen zur Heizungsunterstützung sowie ganzjährig zum Kochen verwendet werden. An sonnenreichen Standorten reicht die PV-Anlage zudem aus, ein Elektrofahrzeug mit so viel Energie zu versorgen, dass täglich 80-100 km mit eigener Sonnenenergie gefahren werden können. Mit einem Transportgewicht von fünf Tonnen könnte die "Raumzelle SELF" in der Katastrophenhilfe oder auch als mobile Forschungsstation, als Event-Location und als bewohnbarer Werbeträger eingesetzt werden.

Weitere Auskunft bei der Projektleitung, die bei der Eidgenössischen Material- und Prüfanstalt (EMPA) angesiedelt ist:

Herrn Mark Zimmermann,
E-Mail: mark.zimmermann@empa.ch
Tel.: 0041/44 823 41 78



(Ab-)Wasseraufbereitung ohne Fremdwasserenergie

In der "Raumzelle SELF" reicht der Druck aus der Höhendifferenz von nur einem Meter zwischen dem Regenwasserspeicher auf dem Dach und der Membran aus, um genügend Wasser durch die Membran zu filtrieren. Die Ultrafiltration stellt rund 30 Liter Trinkwasser pro Tag zur Verfügung. Die EAWAG-Wissenschaftler nehmen eine geringe Filtrationsleistung der Membran bewusst in Kauf. Auf Grund bisheriger Erfahrungen mit Membranen geht man bei der EAWAG davon aus,

"dass die Durchlässigkeit der Membran zwar anfänglich sinkt, dann aber auf dem tieferen Niveau über Monate stabil bleibt und nicht ganz einbricht. Dafür sorgt ein biologisch aktiver Bewuchs (Biofilm), der auf der Membran immer Fliesswege offen lässt. So kann auf Rückspülung und Reinigung der Membran verzichtet werden. Es müssen keine Chemikalien eingesetzt werden und die Anlage ist mit zwei Behältern sowie dem Membranmodul verfahrenstechnisch sehr einfach gebaut. Der Wartungsaufwand ist gleich Null",

ist auf der Wissenschafts-Homepage http://www.myscience.ch/news/self zu lesen. Die massiv gesunkenen Preise für Membranen erlauben es zudem, heute einfache Haushaltsanlagen zu konzipieren, bei denen sich die Membrankosten auf kaum mehr als 10 US-Dollar pro Familie belaufen.


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Nahezu 100 StudentInnen haben bislang ein Praktikum beim Ak Wasser im BBU absolviert. Dabei gewannen sie Einblicke in die deutsche Wasserwirtschaft, die in keinem Studiengang vermittelt werden. Wir suchen ständig weiter wasserbegeisterte Studis, die daran interessiert sind, bei uns ihr wasserwirtschaftliches Wissen abzurunden.

Wie macht man Wasser weich? Unsere Materialsammlung über die zentrale Enthärtung im Wasserwerk kann gegen VOREINSENDG. von 10 Euro (V-Scheck, bar) angefordert werden. (Falls Quittungen benötigt werden, bitte der Bestellung immer eine vorbereitete Quittung zum Abstempeln beilegen!)


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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 942/2010
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU),
Rennerstr. 10, D-79106 Freiburg
Tel.: 0761/275693; 45687153
E-Mail: nik@akwasser.de
Internet: http://www.akwasser.de

Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF kann abonniert werden durch Voreinzahlung
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Wasser, Kto-Nr. 41952 757, Postbank Klrh., BLZ 660 100 75.

Meinungsbeiträge geben nicht in jedem Fall die Position des BBU wieder!
Die Weiterverwendung der Informationen in diesem RUNDBRIEF ist bei Quellenangabe (!) erwünscht!
© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. November 2010