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ATOM/853: Endlagerung ungelöst (ROBIN WOOD-Magazin)


ROBIN WOOD-Magazin Nr. 105/2.2010
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie

energie
Endlagerung ungelöst

Christina Albrecht, Dirk Seifert, Udo Sorgatz


Während die schwarz-gelbe Bundesregierung längere Laufzeiten für marode Atomkraftwerke plant, ist die Endlagerung atomarer Abfälle zu einem vollständigen Desaster geworden. Ob Morsleben, ASSE-II, Schacht Konrad oder Gorleben, an keinem der Standorte bundesweit kann der Strahlenmüll sicher gelagert werden.

Bis heute gibt es weltweit keine dauerhaften Lagermöglichkeiten für die hochradioaktiven Hinterlassenschaften. Dort, wo gegen den Widerstand der Bevölkerung dennoch Atommüll vergraben wurde, drohen Katastrophen. ASSE ist zum Synonym für das komplette Versagen sowohl von Sicherheitsversprechen als auch von Wissenschaft geworden. Inzwischen bemühen sich zwei parlamentarische Untersuchungsausschüsse aufzuklären, inwieweit ein Filz von Politik, Wissenschaft und Atomindustrie Sicherheitsrisiken zugunsten wirtschaftlicher Interessen ignoriert hat. In Morsleben rechnen Experten abermals vor, dass in Zukunft alles sicher sein soll. Während der Schacht Konrad als Atommülllager für leicht- und mittelaktiven Abfall ausgebaut wird, plant die Bundesregierung in Gorleben das Ende des nunmehr zehnjährigen Moratoriums.


Morsleben: Ungeeignet aber sicher?

Es ist unbestritten, dass die Salzgrube Morsleben denkbar ungeeignet ist, um den dort lagernden Strahlenmüll von der Biosphäre fern zu halten. Wie in Gorleben spielten auch in Morsleben bei der Standortwahl in den 1960er Jahren vor allem die Nähe zur damaligen innerdeutschen Grenze sowie ökonomische Aspekte, nicht aber die geologischen Verhältnisse eine wichtige Rolle. Dennoch strebt die Bundesregierung den Verbleib des Atommülls in dem maroden Bergwerk an. Dazu soll ein Großteil der umfangreichen Hohlräume mit Salzbeton verfüllt und dann das Bergwerk sich selbst überlassen werden. Über 12.000 Menschen haben Ende Dezember 2009 gegen diese Planungen Einwendungen erhoben! Der Erörterungstermin wird frühestens Ende 2010 erwartet.

Kritisiert wird u.a. die mangelhafte Datengrundlage, mit der die Wissenschaftler des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) die Langzeitsicherheit nachzuweisen versuchen. So beruhen beispielsweise die geologischen Kenntnisse fast ausschließlich auf vereinzelten Bohrungen. Die chemischen Wechselwirkungen zwischen den Abfällen, dem Behältermaterial, dem umgebenden Gestein und den Wasserzuläufen sind weitgehend unbekannt. Erst Mitte März berichtete die Braunschweiger Zeitung, dass drei Gymnasiasten in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) im letzten Jahr Salzlaugen auf ihre Fließeigenschaften untersucht haben. In dem Artikel heißt es weiter, dass selbst die Mitarbeiter der GRS überrascht gewesen seien, dass es zu diesem Thema bisher keine nennenswerten wissenschaftlichen Veröffentlichungen gibt. Auch noch so gute Simulationsprogramme, wie sie die Wissenschaftler des BfS zur Erstellung Ihrer Langzeitprognosen verwenden, können solche Defizite in der Grundlagenforschung nicht wettmachen. Die Sicherheitsversprechen des Betreibers sind somit grundsätzlich in Zweifel zu ziehen.

Derweil werden weiter Tatsachen geschaffen. Im Spätsommer 2009 wurde bekannt, dass ein 20.000 Tonnen schwerer Teil der Salzgesteinsdecke in einen der größten Hohlräume abzustürzen droht. Anfang Februar wurde jetzt mit der Notverfüllung des gefährdeten Hohlraums begonnen. Dazu hat die Genehmigungsbehörde diesen aus dem atomaren Kontrollbereich genommen, obwohl dort Eigenabfälle des ERAM lagern, die nie "freigemessen" wurden.


ASSE II: Kommt die Rückholung?

Wie in Morsleben ist es auch in der ASSE II den Verantwortlichen bei der Standortwahl vor allem darum gegangen, eine billige Möglichkeit für die Entsorgung des Atommülls zu finden. Wie Morsleben ist auch die ASSE ein Salzstock, in dem zuvor kommerzieller Salzabbau stattgefunden hat. Beide Standorte haben zu keinem Zeitpunkt die Anforderungen erfüllt, die an eine dauerhafte Lagerung von hochgefährlichem Atommüll zu stellen sind. Allerdings ist die Situation in der ASSE um einiges dramatischer. Unkontrollierter Wasserzutritt und die Gefahr eines Einsturzes des Salzstocks könnten zu einer atomaren Katastrophe führen. Jahrzehntelang haben Betreiber, Wissenschaftler und Politiker die Gefahren verharmlost und herunter gespielt. Im Januar 2009, nachdem Bürgerinitiativen massiv auf die katastrophale Lage aufmerksam gemacht hatten, musste der bisherige Betreiber, das Helmholzzentrum München (HZM) abberufen werden. Ein beispielloser Vorgang! Inzwischen befasst sich ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss im niedersächsischen Landtag damit, den Filz und die Schlampereien in der ASSE aufzuklären. Und immer noch werden neue skandalöse Vorgänge bekannt.

Nachdem sich z.B. herausgestellt hat, dass in der ASSE viel mehr Plutonium als bislang angenommen lagert, deutet sich nun an, dass sogar noch nach der offiziellen Schließung 1978 weiterer Atommüll eingelagert worden ist.

Als neuer Betreiber legte das Bundesamt für Strahlenschutz Mitte letzten Jahres drei Schließungskonzepte vor, die in der Folge miteinander verglichen wurden: "Vollverfüllung" (ein irreführender Begriff, da dieses Konzept mit dem alten Flutungskonzept des HZM viele Gemeinsamkeiten aufweist), "Umlagerung" (umgangssprachlich auch "Tieferlegung" genannt, da der Atommüll in einen Bereich unterhalb des heutigen Bergwerkes gebracht würde) und schließlich die "Rückholung". Seit Mitte Januar 2010 ist nun klar: Sowohl bei der sogenannten Vollverfüllung als auch bei der Umlagerung ist der erforderliche Langzeitsicherheitsnachweis für die Lagerung des Atommülls nicht zu erbringen. Daher hat das BfS die Entscheidung getroffen, dass nur die Rückholung verantwortbar ist.

Doch es bleiben Zweifel, ob die Rückholung auch tatsächlich kommen wird. So hat Bundesumweltminister Röttgen die eindeutige Empfehlung des BfS lediglich als vorläufige "Richtungsentscheidung" bezeichnet. Wieder könnten politische Interessen eine Rolle spielen: Denn die Rückholung der ASSE-Abfälle ist der Offenbarungseid für die ungelöste Entsorgung des Atommülls. Wer aber längere Laufzeiten für Atomkraftwerke durchsetzen und Gorleben zum Atomlager machen will, kann sich diese Debatte nicht leisten. Zunächst sollen nun Kammern mit Atommüll geöffnet und der Zustand der Atommüllfässer untersucht werden. Sollte sich dabei herausstellen, dass die Situation noch viel schlimmer ist, als derzeit angenommen, könnte ohne weiteres auch die sogenannte Vollverfüllung wieder auf die Tagesordnung kommen.


Schacht Konrad und Gorleben: Nichts ist sicher!

Die Auseinandersetzung um die geplante Einlagerung von Atommüll in Schacht Konrad spitzt sich erneut zu. Im November 2009 lehnte das Bundesverfassungsgericht die Annahme der Klage eines betroffenen Landwirtes gegen die Genehmigung für den Schacht Konrad ab. Eine Entscheidung, die auf großes Unverständnis in der Region rund um Salzgitter stieß.

Ankündigungen, den ASSE-Atommüll nach seiner Rückholung im Schacht Konrad einzulagern, lösten heftigen Protest aus. Der Rat der Stadt Salzgitter beschloss Ende Januar 2010 einstimmig eine Resolution gegen die Einlagerung von Asse-Müll im Schacht. Für September planen die Bürgerinitiativen, Parteien und Gewerkschaften aus der Region eine Großdemonstration.

Auch in Gorleben geht der Widerstand weiter. Schon lange ist bekannt, dass Gorleben als Standort für ein Lager für hochradioaktiven Atommüll nie die erste Wahl war. Auch geologisch bestehen erhebliche Defizite für ein Atommülllager. Nun ist öffentlich geworden, dass die damalige Bundesregierung Anfang der 80er Jahre sich direkt in Gutachten eingemischt und aus politischen Gründen bestehende Sicherheitsbedenken von Wissenschaftlern hat umschreiben lassen. Ein ungeheuerlicher Vorgang angesichts der Gefahren, die von dem hochradioaktiven Atommüll für zehntausende Generationen ausgeht. Ein Untersuchungsausschuss im Bundestag soll jetzt die genauen Umstände klären, wie Gorleben überhaupt als Standort ausgewählt wurde.

Dennoch hält die schwarz-gelbe Bundesregierung an ihrem einseitigen Atomkurs fest. Unter dem Deckmantel der weiteren Erkundung sollen jetzt Fakten für ein Endlager Gorleben geschaffen werden. Im Wendland stehen die Zeichen auf Sturm! Für den Juni, wenn sich zum 30. Mal die Räumung des Hüttendorfes 1004 und der Republik Freies Wendland jährt, sind Aktionen geplant. Und im November wird es aus Anlass erneuter Castortransporte nicht nur viele Aktionen, sondern auch eine Großdemonstration geben.

Christina Albrecht, Dirk Seifert, Udo Sorgatz, energie@robinwood.de braunschweig@robinwood.de


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
AKWs abschalten fordern die AktivistInnen am Braunschweiger Schloss


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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 105/2.2010, S. 16-17
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juni 2010