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ATOM/970: Der Besitzer des Salzstocks von Gorleben, Andreas Graf von Bernstorff, im Gespräch (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 164 - Oktober/November 2011
Die Berliner Umweltzeitung

ATOMENERGIE
Konservativ kommt von Bewahren
Der Besitzer des Salzstocks von Gorleben, Andreas Graf von Bernstorff, im Gespräch


Keine sieben Kilometer vom geplanten Atommüll-Endlager Gorleben entfernt sitzt Andreas Graf von Bernstorff auf der Terrasse seines Anwesens. Seine Stimme ist ruhig, wenn er über seine Ansichten und Sorgen, über Gorleben und Politik spricht. Ein paar Meter weiter plätschert ein kleiner Fluss ruhig vor sich hin, und die Sonne steht tief über den Bäumen. Die Atmosphäre ist entspannt, ein guter Moment für ein Gespräch über Endlager und Möglichkeiten.

Herr von Bernstorff, man hört, dass Sie Bäume fällten, um einen Castortransport zu blockieren.

Nein, nein, das stimmt so nicht. Ich beteilige mich mit an Demonstrationen, aber das ist nicht mein Markenzeichen. Ich habe auch keine Schienen blockiert, ich habe nur einmal, das ist schon sehr lange her, mit meinen Kindern und ein paar Freunden einen Baum nahe der Castorstrecke gefällt. Der ist dann irgendwie auf die Straße gefallen.

Nun gut... Sie haben aber eine Wildschweintreibjagd veranstaltet?

Das haben wir gemacht, ja. Das war an einem Tag, an dem eben der Castor kommen sollte. Wir haben einige Jäger zusammengetrommelt und die Hochsitze besetzt. Wir waren vielleicht zwanzig Leute, und dann wurde wahnsinnig losgeschossen. Da kam auch zufällig ein Schwein vorbei, der Förster hat es geschossen. Die Polizei war zwar über das Ordnungsamt informiert, hat sich aber nicht eingeschaltet. Wir haben erwartet, dass sie uns sofort von den Hochsitzen holen.

Wie empfinden Sie die Veränderungen der Anti-Atom-Bewegung in den letzten dreißig Jahren?

Eine große Veränderung kam letzten November mit der Laufzeitverlängerung die das Kabinett beschlossen hatte. Da war ein enormer Auftrieb.

Die Proteste gingen so weit, dass Sigmar Gabriel 2009 sagte, Gorleben sei politisch tot. Würden Sie das unterschreiben?

Zu Gabriels Zeiten bestimmt nicht. Trittin hatte das Moratorium für zehn Jahre durchgesetzt, aber das war nicht von einer entsprechenden Gesetzgebung flankiert. Es gab einen Referentenentwurf und den Arbeitskreis Endlager, der auch ein ziemlich brauchbares Konzept entwickelt hat, wie man den besten Standort findet. Aber wenn man so ein Konzept vertritt, muss man es auch durchsetzen. Das ist Gabriel nicht gelungen. Vor allem im Bundesrat nicht; bis vor kurzem haben alle Bundesländer gesagt, überall ein Endlager, aber bitte nicht bei uns.

Das Moratorium ist ja jetzt vorbei.

Was uns sehr erstaunt und geärgert hat, ist, dass der veraltete Rahmenbetriebsplan von 1983 wiederbelebt wurde. Inzwischen haben sich aber die gesetzlichen Bedingungen geändert, laut derzeitigem Bundesberggesetz muss eine Umweltverträglichkeitsstudie gemacht werden, das war damals nicht der Fall. Nun wird so getan, als sei es nur eine Fortsetzung von damals.

Dieses Vorgehen ist aus unserer Sicht illegal und wurde von den Widerstandsgruppen schärfstens kritisiert.

Ihnen gehört ein großer Teil des Salzstocks in Gorleben.

Sagen wir mal, mir gehört ein wesentlicher Teil von dem, was erkundet werden müsste. Dieser Teil liegt wie ein Sperrriegel im ursprünglichen Erkundungsbereich. Die Betreiber hatten aber bisher keine rechtliche Möglichkeit, an mein Salz ranzukommen, also können sie auf der westlichen Seite den Salzstock nicht erkunden.

Dann ist die Aufhebung des Moratoriums zwecklos, solange Sie den Salzstock nicht freigeben?

Nein, das kann man so nicht sagen. Die Laufzeitverlängerung wurde zwar gekippt, aber ein anderer Bestandteil der Gesetzesnovelle hat festgelegt, dass die Erkundung fortgesetzt wird. Die Möglichkeit zu enteignen besteht. Die Regierung hätte die Möglichkeit, und ich könnte mich juristisch wehren, aber diese Bastion ist nicht mehr so sicher wie zuvor, als Enteignungsversuche unternommen wurden.

Das gab es tatsächlich?

Zu Zeiten der CDU-Regierung, als Frau Merkel Umweltministerin war, wurde ein Enteignungsantrag gestellt. Der war aber nicht erfolgreich und wurde wieder zurückgezogen.

Sehen sie Alternativen zu Gorleben?

Ob man überhaupt einen geeigneten Standort findet, darüber kann man sich streiten. Aber man hat die Verpflichtung, den relativ besten Standort zu finden und nicht am erstbesten hängenzubleiben. Es gibt viele Probleme, die der Salzstock birgt. Es wurde ja verschwiegen, dass im Salzstock Gas vorkommt, das allein ist schon ein Totschlagargument. Aber in den hiesigen Salzstock ist schon so viel Geld versenkt worden, dass Gorleben bei einer Standortsuche wahrscheinlich nicht rausfällt.

Es gibt Pläne, in Süddeutschland einen Standort zu suchen.

Im Moment steht vieles offen. Wir werden alles dafür tun, dass man sich nicht auf Gorleben fixiert. Die Ethikkommission hat sich zwar in unserem Sinn zur Endlagerfrage geäußert, aber leider nur in ein paar Sätzen. Mit der Entscheidung zur Stillegung von acht Kernkraftwerken hat diese Kommission ihre Arbeit beendet. Nun müsste erstmal eine nationale Debatte stattfinden, um Grundlagen für eine Alternativsuche zu schaffen.

Halten sie einen offenen Dialog noch für möglich?

Bundesumweltminister Röttgen hatte den Widerstandsgruppen angeboten, Foren zu bilden. Allerdings erst, nachdem die Entscheidung gefallen war, die Arbeiten am Gorlebener Salzstock fortzusetzen. Das diente nur der Legitimation, darauf hat sich die Bürgerinitiative nicht eingelassen. Da wird man eben benutzt für eine Sache, die man nicht vertreten kann, deswegen ist Herr Röttgen mit dieser Art Bürgerdialog nicht weitergekommen. Ich denke, es ist wichtig klar zu machen, dass ein ganz neuer Anfang stattfindet. Wir sind der Meinung, der nächste Castor darf nicht ins Gorlebener Zwischenlager. Sollte weiter hier eingelagert werden, legt man sich immer mehr auf Gorleben als Endlager fest.

Würden Sie denn einer grünen Regierung zutrauen, das Thema ernst zu nehmen?

Die werden auch Schwierigkeiten haben. Mein Credo ist, dass die Suche nach einem geeigneten Endlager nicht zu einer Parteienfrage gemacht werden darf, sie muss parteiübergreifend angelegt werden.

Also ist Anti-Atom und konservativ für Sie kein Widerspruch?

Ich denke, man kann sehr gut aus einer konservativen Haltung dagegen sein. Man kann natürlich auch aus einer anderen Haltung gegen die Nutzung der Atomkraft sein.

Eine letzte Frage. Sollte Gorleben offiziell als ungeeignet festgestellt werden, was wäre das erste, das Sie tun würden?

Ich würde mich erst einmal sehr freuen, dass ich mich wieder mit anderen Dingen beschäftigen kann. Und dann werden ich und meine Nachkommen sich um einen möglichst großen Beitrag zur Entwicklung der alternativen Energien bemühen. In unserem Betrieb haben wir bereits zusammen mit anderen Landwirten eine Biogasanlage. Darüber hinaus planen wir einen Windpark. Mein Sohn ist auch an Forschungsprojekten beteiligt. Das macht richtig Spaß. Es ist mehr unser Anliegen, konstruktive Dinge zu tun, als immer nur dagegen zu sein.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Vincent Nörig

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Andreas Graf von Bernstorff


Castor Stopp 2011
Gorleben soll leben!
26. November
Auftaktkundgebung in
Dannenberg (Wendland)
Weitere Infos:
www.gorleben-castor.de
www.ausgestrahlt.de
www.x-tausendmalquer.de


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Quelle:
DER RABE RALF - 22. Jahrgang, Nr. 164 - Oktober/Novembers 2011, S. 5
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Oktober 2011