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ATOM/1316: Höhere radioaktive Belastung bei Schacht KONRAD als bei Endlager für hochradioaktive Abfälle (AG Schacht Konrad)


Arbeitsgemeinschaft Schacht KONRAD e.V. - Presseinformation, 14. November 2019

Presseerklärung zur Einreichung einer Stellungnahme zu den Sicherheitsanforderungen für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle

Höhere radioaktive Belastung bei Schacht KONRAD als bei einem Endlager für hochradioaktive Abfälle


Aus dem Atommüllprojekt Schacht KONRAD darf deutlich mehr Radioaktivität austreten als aus einem Endlager für hochradioaktive Abfälle. Ludwig Wasmus, Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Schacht KONRAD: "Es ist ein Skandal, sich beim Atommülllager KONRAD auf Vorschriften von 1983 zu berufen und so die Menschen in der Region auf sehr lange Zeit einer heute unzulässigen Strahlenbelastung auszusetzen. Die Vorschriften für KONRAD werden 44 Jahre alt sein, falls das Lager 2027 tatsächlich in Betrieb gehen sollte. Das ist absurd und muss gestoppt werden."

Nach derzeitiger Rechtslage dürfen Einzelpersonen durch die radioaktiven Abfälle, die in Schacht KONRAD eingelagert werden sollen, im Nachweiszeitraum mit einer effektiven Jahresdosis bis zu 300 Mikrosievert belastet werden. Langzeitsicherheitsberechnungen haben ergeben, dass dieser Wert mit 260 Mikrosievert im Jahr fast ausgeschöpft werden würde. Im aktuell vorliegenden Entwurf für die Sicherheitsanforderungen an ein Endlager für hochradioaktive Abfälle wird festgelegt, dass Einzelpersonen im Nachweiszeitraum im Falle erwartbaren Entwicklungen nur mit 10 Mikrosievert pro Jahr belastet werden dürfen, also deutlich weniger. Das Bundesumweltministerium weigert sich aber explizit, auch die Sicherheitsanforderungen für schwach- und mittelradioaktive Abfälle zu aktualisieren.

Die Arbeitsgemeinschaft Schacht KONRAD hat deshalb und wegen anderer kritikwürdiger Paragrafen im Entwurf der Sicherheitsanforderungen heute eine ausführliche Stellungnahme dazu abgegeben. "Die Verordnung strotzt nur so vor unbestimmten Begriffen und versucht über die Einteilung von möglichen Entwicklungen über 1 Million Jahre in die Kategorien 'zu erwarten' und 'abweichend' die Anforderungen aus dem Standortauswahlgesetz wieder aufzuweichen, statt sie zu konkretisieren", so Wasmus.

Anlage: Stellungnahme zum Referentenentwurf Verordnungen zu den Sicherheitsanforderungen für ein Endlager und für die vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen

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Arbeitsgemeinschaft Schacht KONRAD e.V.

Stellungnahme zum Referentenentwurf Verordnungen zu den Sicherheitsanforderungen für ein Endlager und für die vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen
Titel und Anwendungsbereich:

1. Einheitliche Klassifizierung für radioaktive Abfälle in der BRD verwenden.

Die Bundesregierung muss sich entscheiden, wie sie die radioaktiven Abfälle in ihrem Geltungsbereich klassifizieren möchte und dies einheitlich in ihren Gesetzen, ihren Verordnungen und dem realen Handeln einhalten. Ansonsten fallen beispielsweise wärmeentwickelnde mittelradioaktive Abfälle aus dem Raster der Sicherheitsanforderungen heraus. Im vorliegenden Verordnungsentwurf unterliegen die wärmeentwickelnden, mittelradioaktiven Abfälle, die nach bisheriger Lesart in das Lager, das auf Basis des Standortauswahlgesetzes (StandAG) gesucht wird, selbstverständlich mit eingelagert werden sollen, nicht den Anforderungen des Abschnittes 4 "Rückholbarkeit und Ermöglichung einer Bergung". Dies ist sicherheitstechnisch nicht begründbar.

1985/86 wurde im Zuge der grundlegenden Erweiterung des Planantrages für Schacht KONRAD das Kriterium für die Endlagerung in Deutschland geändert. Kriterium war danach nicht mehr die Aktivität ("schwach-, mittel- und hochradioaktiv"), sondern die Wärme. Das umgebende Wirtsgebei Schacht KONRAD sollte um nicht mehr als 3° Kelvin erwärmt werden. Seitdem unterscheidet die Bundesregierung die Abfälle in "Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle" und "radioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung". Dies wurde so auch im Nationalen Entsorgungsprogramm vom August 2015 und im zweiten Bericht der Durchführung der Richtlinie 2011/70/EURATOM vom August 2018 an die Europäische Union und im Bericht zur sechsten Überprüfungskonferenz im Mai 2018 des Gemeinsames Übereinkommen über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle an die IAEA gemeldet.

Parallel wurden im nationalen Regelwerk mit der Novellierung des Stand AG am 05.05.2017 die Kategorien schwach- mittel- und hochradioaktiv wieder eingeführt. Diese beiden Kategorisierungen nach Wärme und nach Aktivität sind jedoch nicht deckungsgleich, da es mittelradioaktive Abfälle gibt, die eine mehr als vernachlässigbare Wärme entwickeln. Damit fallen seit dem 05.05.2017 die Wärme entwickelnden mittelradioaktiven Abfälle aus dem engen Bestimmungsbereich des zu suchenden Standortes nach StandAG heraus. Mit der Übernahme dieser "neuen" Kategorisierung in die vorliegenden Sicherheitsanforderungen heißt dies, dass die Abfallgebinde mit den Wärme entwickelnden mittelradioaktiven Abfällen nicht den Bestimmungen des Abschnittes 4 "Rückholbarkeit und Ermöglichung einer Bergung" unterliegen, was aufgrund des Gefährdungspotentials nicht gerechtfertigt ist.

Zu § 1 Anwendungsbereich in Verbindung mit § 21 Endlagerung von schwach- und mittelradioaktiven Abfällen am selben Standort

2. Aus einem Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle darf nicht mehr Radioaktivität austreten dürfen als aus einem Lager für hochradioaktive Abfälle.

Nach derzeitiger Rechtslage dürfen Einzelpersonen durch die radioaktiven Abfälle, die in Schacht KONRAD eingelagert werden sollen, im Nachweiszeitraum mit einer effektiven Jahresdosis bis zu 0,3 mSv belastet werden. Langzeitsicherheitsberechnungen haben ergeben, dass dieser Grenzwert bis zu 0,26 mSv/a ausgeschöpft wird. Im vorliegenden Entwurf für die Sicherheitsanforderungen an ein Endlager für hochradioaktive Abfälle wird festgelegt, dass Einzelpersonen im Nachweiszeitraum im Falle von "abweichenden" Entwicklungen nur mit einer effektiven Jahresdosis bis zu 0,1 mSv/a im Falle von "erwartbaren" Entwicklungen und sogar nur mit 0,01 mSv/a belastet werden dürfen. Explizit verweigert die Bundesregierung im vorliegenden Verordnungsentwurf eine Anpassung der Strahlenschutz-Anforderungen auf alle Arten radioaktiver Abfälle (§ 21, Abs. 2). Nur wenn schwach- und mittelradioaktive Abfälle in "geringem Maße" (§21, Abs. 3) in dasselbe Lager wie die hochradioaktiven Abfälle eingelagert werden, sollen dieselben Grenzwerte für diese gelten. Eine solche Ungleichbehandlung ist aus Strahlenschutzgründen nicht zu rechtfertigen.

3. Die Sicherheitsanforderungen für alle Arten radioaktiver Abfälle müssen an den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik angepasst werden!

Gerade bei den schwach- und mittelradioaktiven Abfällen sind die Sicherheitsanforderungen veraltet und unübersichtlich. Einerseits beruft sich die Bundesregierung darauf, dass die 36 Jahre alten "Sicherheitsanforderungen für die Endlagerung radioaktiver Abfälle in einem Bergwerk" vom 20. April 1983 (GMBl. 1983, Nr. 13, S. 220) noch Gültigkeit haben. Der Langzeitsicherheitsnachweis für das Atommülllager Schacht KONRAD, das 2027 in Betrieb gehen soll, beruht auf diesen Sicherheitsanforderungen von 1983.

Andererseits hat die Entsorgungskommission (ESK) in ihrer Stellungnahme "Langzeitsicherheitsnachweis für das Endlager für radioaktive Abfälle Morsleben (ERAM)" (31.01.2013) festgestellt, dass die Sicherheitsanforderungen von 1983 nicht mehr dem Stand von Wissenschaft und Technik [entsprechen] und [...] deshalb weiterentwickelt werden [müssen]". Bei der Bewertung des Stilllegungsantrages des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) für das ERAM hat die ESK analysiert, welche der "Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle, Stand: 30. September 2010" auf die Lagerung von Abfällen mit geringer Wärmeentwicklung übertragbar sind und diese als Maßstab zugrunde gelegt.

Dies zeigt, dass eine Anpassung der Sicherheitsanforderungen für die Endlagerung schwach- und mittelradioaktiver Abfälle an den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik längst überfällig ist. Da im Rahmen des vorliegenden Verordnungsentwurfs eine Endlagerung schwach- und mittelradioaktiver Abfälle am selben Standort in Erwägung gezogen wird, müssen auch die Sicherheitsanforderungen für diese Abfälle an den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik angepasst und in der Verordnung bestimmt werden.

4. Die Subsummierung "geringer Mengen" schwach- und mittelradioaktiver Abfälle unter die Sicherheitsanforderungen für hochradioaktive Abfälle reicht angesichts der spezifischen Gefahren und möglicher ungünstiger Wechselwirkungen mit hochradioaktiven Abfällen nicht aus.

Bundesumweltministerium möchte die Anpassung der Sicherheitsanforderungen für schwach-und mittelradioaktive Abfälle an den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik vermeiden, da dies negative Auswirkungen für sein Endlagerprojekt Schacht KONRAD haben könnte. Deshalb heißt es im vorliegenden Verordnungsentwurf lapidar, dass für "geringe Mengen" schwach- und mittelradioaktiver Abfälle, die gemeinsam mit den hochradioaktiven eingelagert werden, die Sicherheitsanforderungen für hochradioaktive Abfälle gelten, außer die Bestimmungen des Abschnittes 4 "Rückholbarkeit und Ermöglichung einer Bergung". Abgesehen davon, dass "geringe

Mengen" ein unbestimmter Begriff ist, macht es sich das BMU da zu einfach. Schwach- und mittelradioaktive Abfälle sind stofflich sehr heterogen zusammengesetzt und "enthalten eine von Abfallstrom zu Abfallstrom variierende, zum Teil komplexe Mischung unterschiedlicher Stoffe (Salze, organische Materialien, Dekontaminationsmittel etc.). [...] Von besonderer Relevanz für Sicherheitsbetrachtungen sind solche Wechselwirkungsprozesse, die möglicherweise zu einer erhöhten Radionuklidfreisetzung aus den Wärme entwickelnden radioaktiven Abfällen führen können." [ESK Diskussionspapier zur Endlagerung von Wärme entwickelnden radioaktiven Abfällen, abgereichertem Uran aus der Urananreicherung, aus der Schachtanlage Asse II rückzuholenden Abfällen und sonstigen Abfällen, die nicht in das Endlager Konrad eingelagert werden können, an einem Endlagerstandort. 12.05.2016] Das heißt, das BMU muss dann schon die Wechselwirkungen prüfen und Anforderungen dazu entwickeln.

Völlig unverständlich ist die Ausnahme der Sicherheitsanforderungen für schwach- und mittelradioaktive Abfälle nach §21 Abs 3 von den §§ 13 und 14 Rückholbarkeit und Bergung. Es ist heute nicht absehbar, welche Gefährdung von diesen Abfällen in einem Rückholbarkeits- bzw. Bergungsfall ausgehen kann. Deshalb müssen sie in die Anforderungen nach §§ 13 und 14 einbezogen werden. Auch muss es möglich sein, nur die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle rückzuholen, um die eingelagerten hochradioaktiven Abfälle im Notfall vor ihnen schützen zu können.

Verwiesen sei hier auf die inzwischen gesetzlich vorgeschriebene Rückholung der schwach- und mittelradioaktiven Abfälle aus dem Bergwerk ASSE II, die deutlich einfacher wäre, wenn die Abfälle dort rückholbar gelagert worden wären.

Zu § 2 Begriffsbestimmungen

5. Begriffe müssen eindeutig definiert sein.

Hier und in weiteren Abschnitten werden Begriffe, wie z.B. "erheblich", "geringfügig" oder "geringe Mengen" verwendet, die ohne konkrete Definition viel zu vage sind und rein normativ erscheinen.

6. Der Begriff der Barriere ist neu zu fassen. Die Barriere muss sowohl gegen Zu- als auch gegen Austritte wirken

In den "Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle" [BMU Stand 30.10.2010] werden Barrieren u.a. folgendermaßen definiert: "Eine Barriere kann verschiedene Sicherheitsfunktionen wahrnehmen. Die Sicherheitsfunktion einer Barriere kann eine physikalische oder chemische Eigenschaft oder ein physikalischer oder chemischer Prozess sein. Beispielsweise können die Ver- oder Behinderung des Zutritts von Flüssigkeiten zu den Abfällen oder der Schutz des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs vor Erosion Sicherheitsfunktionen sein." Es ist nicht nachvollziehbar und nicht gerechtfertigt, im vorliegenden Verordnungsentwurf die Wirkung der Barriere auf die Verhinderung der Ausbreitung von Radionukliden aus dem Endlagersystem zu begrenzen. Sie muss ihre Wirkung auch gegen Zutritte von Flüssigkeiten, Gasen oder anderen Einflüssen von außen entfalten. Gerade die Entwicklungen in dem Atommülllager ASSE II zeigen die fatalen Folgen, wenn es zu Flüssigkeitszutritten von außen kommt. Zudem muss darüber nachgedacht werden, welche Barrieren ein menschliches Eindringen in ein Endlagersystem erschweren könnten (s.u.)

Zu § 3 Mögliche und hypothetische Entwicklungen des Endlagersystems in Verbindung mit § 7 Dosiswerte im Nachweiszeitraum und § 12 Optimierung des Endlagersystems

7. Die Einordnung von Szenarien in die Eintritts-Wahrscheinlichkeitsklassen "zu erwartende", "abweichende" und "hypothetische" Ereignisse beinhaltet zwangsweise Unsicherheiten und eine stark normative Komponente. Diese Einordnung ist aufzugeben und alle "innerhalb der Grenzen der praktischen Vernunft" möglichen Entwicklungen gleichwertig zu betrachten.

8. Es ist nicht gerechtfertigt und auch in der gesellschaftlichen Diskussion nicht vermittelbar, weshalb für abweichende Entwicklungen eine um einen Faktor 10 höhere effektive Jahresdosis zulässig sein soll.

Begründung zu 7 und 8: Die Anwendung unterschiedlicher radiologischer Bewertungskriterien auf Szenarien mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit beeinträchtigen die Zuverlässigkeit der radiologischen Bewertung von Szenarien [siehe auch Sondervotum Detlef Appel zum Leitlinienentwurf Szenarienklassifikation, 17. Juli 2008]. Da nutzt es auch nichts, statt "wahrscheinlich" und "weniger wahrscheinlich" nun die Begriffe "zu erwartend" und "abweichend" zu benutzen, wenn es sich letztlich doch um eine Einteilung handelt, ob eine Entwicklung wahrscheinlich eintritt oder eher unwahrscheinlich.

Wenn "weniger restriktive Anforderung für abweichende Entwicklungen [gewählt werden um] die Auslegung und Optimierung des Endlagersystems vornehmlich an den zu erwartenden Entwicklungen auszurichten", wie es die Begründung vermittelt, sollten die Anforderungen für erwartete Entwicklungen verschärft werden und nicht das Sicherheitsniveau gesenkt werden.

Auch wenn eine einzelne abweichende Entwicklung unwahrscheinlicher als die erwarteten Entwicklungen sein mag, so ist das Eintreten von einer abweichenden Entwicklung aus der großen Menge der abweichenden Entwicklungen, nicht nachweisbar geringer als die erwarteten Entwicklungen. Auch deshalb ist der 100-µSv-Grenzwert nicht gerechtfertigt und muss gestrichen werden.

9. Eine Referenzentwicklung für zu erwartende und für abweichende Entwicklungen zu betrachten, ist völlig unzureichend.

Gerade weil - wie in der Begründung zu §3 Abs. 1 auch festgestellt - die tatsächliche Entwicklung im Endlager nicht exakt prognostiziert werden kann, reicht es auf keinen Fall aus, jeweils nur eine mögliche Entwicklung als Referenzentwicklung zu betrachten. Entwicklungen im Zeitraum 1 Million Jahre können - ob "zu erwarten" oder "abweichend" - einen sehr unterschiedlichen Verlauf, je nach zugrunde gelegten Annahmen und Parametern verlaufen. Deshalb gibt es keine Referenzentwicklung, die auf jeden Fall abdeckend wäre.

10. Eine Grenzwertdefinition als "im Bereich von 10 Mikrosievert" ist zu unbestimmt, hier muss die Verordnung ein scharfe Grenze definieren.

Auch bei der Definition erlaubter Dosiswerte bleibt der Referentenentwurf unzulässig schwammig. Wie hoch darf der Dosiswert tatsächlich sein? Sind 20 oder 30 Mikrosievert im Gegensatz zu 100-Mikrosievert noch als "im Bereich von 10 Mikrosievert" anzusehen? Inzwischen ist international anerkannt, dass es eine lineare Dosis-Wirkungs-Beziehung gibt. Das heißt, es gibt keinen Schwellenwert unterhalb dessen Radioaktivität keine Schädigungen hervorrufen kann. Bereits die natürliche Hintergrundstrahlung bewirkt nachweisbare Gesundheitsschäden. Jede zusätzliche Strahlung erhöht dabei das Erkrankungsrisiko, deshalb sind zusätzliche 10 Mikrosievert nicht geringfügig. Deshalb ist es die Pflicht des Gesetzgebers - auch im Sinne des Minimierungsgebotes - eine klare Grenze festzulegen.

11. Die Zuordnung von künftigen menschlichen Aktivitäten zur Kategorie der "hypothetischen Entwicklungen" ist falsch und muss revidiert werden.

Die Zuordnung von zukünftigen menschlichen Aktivitäten, insbesondere unbeabsichtigtes menschliches Eindringen in das Endlager zur Kategorie der "hypothetische Entwicklungen, die selbst unter ungünstigsten Annahmen nach menschlichem Ermessen auszuschließen sind", ist nicht nachvollziehbar. Ausgehend von der ungelösten Frage, wie das Wissen über die Existenz eines Endlagers an künftige Generationen im Laufe von 1 Million Jahre weitergegeben werden kann, ist ein menschliches Eindringen in das Endlagersystem - ob gewollt oder ungewollt - ein nicht unwahrscheinliches Ereignis. Insbesondere dann nicht, wenn sich in der Umgebung des Endlagerbauwerks Rohstoffvorkommen befinden.

Deshalb muss bei der Optimierung des Endlagersystems die Verringerung möglicher Auswirkungen von zukünftigen menschlichen Aktivitäten unbedingt und nicht nachrangig durchgeführt werden.

Zu § 4 Sicherer Einschluss der radioaktiven Abfälle

12. Ziel muss sein, die Radionuklide tatsächlich von der Biosphäre fernzuhalten und keine genehmigten Werte für den Austritt der Radionuklide aus dem Bereich der wesentlichen Barrieren vorzusehen.

Die Anforderungen in §4 widersprechen sich, wenn einerseits in Absatz 1 gefordert wird, die Radionuklide zumindest im Nachweiszeitraum von der Biosphäre fernzuhalten und gleichzeitig in Absatz 4 eine Leckrate von Radionukliden aus dem Bereich der wesentlichen Barrieren vorgesehen ist. Zudem ist nicht nachgewiesen, dass bei der Festsetzung der Leckraten das Minimierungsgebot eingehalten wurde und eine niedrigere Austrittsrate unmöglich ist.

13. Mit der Formulierung in § 4 Absatz (5) "Für abweichende Entwicklungen ist nachzuweisen, dass das Endlagersystem im Nachweiszeitraum seine Funktionstüchtigkeit in ausreichendem Maße beibehält" steht die Verordnung im Widerspruch zu den Anforderungen des Standortauswahlgesetzes, einen einschlusswirksamen Gebirgsbereich nachweisen zu müssen. Zudem verletzt der Maßstab einer "ausreichenden Sicherheit" das bislang unstreitige Sicherheitskriterium einer "bestmöglichen Sicherheit".

Völlig unzumutbar ist auch in §4 die Differenzierung zwischen "zu erwartenden" und "abweichenden" Entwicklungen. Für abweichende Entwicklungen müssen dieselben Anforderungen an das Endlagersystem gelten wie für erwartbare. Die Anforderung, dass das Endlagersystem im Falle "abweichender" Entwicklungen "im Nachweiszeitraum seine Funktionstüchtigkeit in ausreichendem Maße beibehält" ist völlig unbestimmt und damit willkürlich.

Im Standortauswahlgesetz wurde das Konzept des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs für das zu suchende Endlager vorgeschrieben. Nun will die Bundesregierung in unzulässiger Weise über eine Verordnung dieses Konzept für einen Teil der möglichen Entwicklungen wieder kippen.

Zu § 5 Integrität und Robustheit des ewG als wesentliche Barriere

14. Die Anforderungen an ein wasserundurchlässiges Deckgebirge müssen in den Sicherheitsanforderungen wieder aufgenommen und unbedingt definiert werden.

Das Standortauswahlgesetz definiert Mindestanforderungen an das Deckgebirge als Voraussetzung für eine Standortauswahl. Anstatt diese Anforderungen ist im vorliegenden Entwurf zu konkretisieren, werden gar keine Anforderungen an das Deckgebirge mehr formuliert (Ausnahme Eiszeit). Auch hier entwickelt der Referentenentwurf das StandAG nicht weiter, sondern ignoriert dieses. Dem kommt insbesondere eine besondere Bedeutung zu, da von der Barrierewirkung des Deckgebirges bei den Entwicklungen, die (von uns kritisiert, s.o.) in die Kategorie "abweichend" eingestuft werden, Kredit genommen wird.

15. Irritierend ist der Verweis auf "bereits bestehende Hohlräume" im Endlagerbereich. Er legt nahe, dass auch eine Lagerung in bereits bestehenden Bergwerken nicht ausgeschlossen wird und steht damit in Widerspruch zu § 11 Absatz 4. (Gleiches findet sich in § 15 Absatz 4)

Zu § 16 Betrieb des Endlagers, Voraussetzung für die Genehmigung in Verbindung mit § 19 Stilllegung des Endlagers, Voraussetzung für die Genehmigung

16. Betriebsgenehmigung nur mit validiertem Stilllegungskonzept Die Vorlage eines Stilllegungskonzeptes, das mit den bei Betriebsbeginn verfügbaren technischen Maßnahmen umgesetzt werden kann, reicht als Voraussetzung für eine Betriebsgenehmigung nicht aus. Ein großtechnisch überprüftes und genehmigtes Stilllegungskonzept muss Voraussetzung für die Betriebsgenehmigung sein.

Die Stilllegungsmaßnahmen, Verschließung von Hohlräumen und der Schächte, Einbau von Dämmbauwerken, etc. sind elementare Komponenten eines Langzeitsicherheitsnachweises, da es sich um potenzielle Austrittswege für Radionuklide handelt. Die Verlagerung der Stilllegungsgenehmigung an das Ende des Einlagerungszeitraumes birgt die Gefahr, dass radioaktive Abfälle eingelagert werden und am Ende der Sicherheitsnachweis an die Stilllegung unbefriedigend ausfällt. Gerade das Beispiel Stilllegungsverfahren ERA Morsleben zeigt, dass Dammbauwerke, die in Rechenverfahren funktionieren in realen Großversuchen scheitern können. Deshalb muss das Stilllegungskonzept vor der Betriebsgenehmigung u.a. mit großtechnischen Versuchen überprüft sein. Das kann verbunden werden mit der Auflage, das Stilllegungskonzept im Laufe der Jahrzehnte der Einlagerung weiter an den Stand von Wissenschaft und Technik anzupassen.

17. Das in der Begründung zu § 19 angedeutete Verfahren, dass eine von den Sicherheitsanalysen abweichende Einlagerung von radioaktiven Abfällen erst nachträglich bei der Genehmigung der Stilllegung auf die Langzeitsicherheit hin überprüft wird, darf von der Verordnung nicht zugelassen sein. Eine von den Sicherheitsanalysen abweichende Einlagerung von Abfällen, muss vor der Einlagerung umfassend überprüft und genehmigt werden.

Zu Sicherheitsuntersuchungen

Bei Sicherheitsuntersuchungen sind Transporte der radioaktiven Abfälle und die Konditionierung mit zu untersuchen Von Transporten und der Konditionierung von radioaktiven Abfällen gehen erhebliche Gefährdungspotenziale aus. In Abhängigkeit des Endlagerstandortes, der dortigen Geologie und damit mit dem Behälterkonzept werden unterschiedliche Konditionierungsmaßnahmen und damit auch Transporte notwendig. Die Transporte der radioaktiven Abfälle und die Konditionierung sind in die Untersuchungen mit einzuschließen, dies betrifft unter anderem die § 10 Abs. 5 Nr. 1 EndlSiAnfV und § 8 EndlSiUntV.

Salzgitter, 14.11.2019

Geschäftsführender Vorstand

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Quelle:
KONPress - 14.11.2019
Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad e.V.
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Telefon: 05341 / 90 01 94, Fax: 05341 / 90 01 95
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Internet: www.ag-schacht-konrad.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. November 2019

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