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VERWERTUNG/187: Die politische Bedeutung der Abfallwirtschaft (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2010


Die politische Bedeutung der Abfallwirtschaft
Recycling und Wiederverwendung sind Bausteine einer effektiven Volkswirtschaft

Von Hartmut Hoffmann


Statt Abfälle zu verbrennen, sollten sie recycelt oder ganz vermieden werden, z.B. in Form der Wiederverwendung von Getränkeflaschen. Das ist nicht nur ökologisch wie ökonomisch sinnvoll, es kann auch dazu beitragen, internationale Spannungen zu verringern.


In einer Sendung der Serie "Hintergrund" wurde im Deutschlandfunk Ende Juli dieses Jahres unter dem Titel "Globaler Kampf um Rohstoffe" ein Bericht über Probleme bei der Rohstoffversorgung ausgestrahlt. Es ging es um Außen- und Wirtschaftpolitik, um den Wettlauf mit China um Rohstoffe, um Entwicklungshilfe, einmal fiel auch das Wort Bundeswehr. Das Wort Recycling wurde in 20 Minuten kein einziges Mal erwähnt.

Nun, in diesem Rundfunkbeitrag wurden Afghanistan und die Bundeswehr nur ganz am Rande erwähnt, aber dass die Sicherung der Rohstoffversorgung und die außenpolitische Sicherheit in der letzten Zeit immer wieder mal im selben Satz auftauchen, ist verdächtig. Auch bei den Aussagen des deutschen Verteidigungsministers bleibt merkwürdig unklar, ob es ihm nur um die Abwehr irgendwelcher Piraten auf hoher See geht, oder ob es nicht mehr lange dauern wird, bis ganz offiziell der Zugang zu den Rohstoffen selbst als legitimes militärisches Ziel benannt wird.

Abgesehen von all den ethischen Problemen, die sich daraus ergeben: Abfallvermeidung und Recycling sind auf jeden Fall billiger als Krieg zu führen. Und leichter umzusetzen. Neben der Führung des ethischen Diskurses ist es auf jeden Fall auch geboten, der Wirtschaft, der Politik und nicht zuletzt der breiten Öffentlichkeit vorzurechnen, welchen Nutzen die Abfallwirtschaft bringt.


Volkswirtschaftlicher Nutzen der Abfallwirtschaft

Es wird leider häufig übersehen, dass bei der Abfallwirtschaft die Vorteile für die Umwelt mit dem volkswirtschaftlichen Nutzen eng verknüpft sind. Immerhin lag der Beitrag der Abfallwirtschaft zur Außenhandelsbilanz im Jahr 2005 nach Angaben des Instituts der Deutschen Wirtschaft bei rund 3,7 Milliarden EUR pro Jahr. Und nach einer Studie des UBA hängen, konservativ gerechnet, rd. 110.000 Arbeitsplätze allein von der getrennten Wertstoffsammlung und Verwertung ab, ohne die Arbeitsplätze bei der Restmüllentsorgung und der Verwaltung. Außerdem ist das Recycling von Abfällen fast immer billiger als ihre Verbrennung in Anlagen mit aufwendiger Rauchgasreinigung, und andere Anlagen sind sowieso indiskutabel.

Die Menge an Rohstoffen, die über den Abfallpfad verloren gehen, ist trotz mancher Anstrengungen immer noch gewaltig. Abgesehen von Eisen lassen sich Metalle nur unter erheblichem Aufwand an Energie und Kosten aus Verbrennungsaschen wieder gewinnen.

So zeigt z.B. eine Recyclingquote eines so wertvollen Metalls wie Kupfer von gerade einmal 54%, wie groß der Handlungsbedarf ist. Eine Recyclingquote von Kupfer in Höhe von 54% entspricht einem Verlust von ca. 35.000 t pro Jahr, oder in volkswirtschaftlichen Zahlen einem Verlust von 160 - 220 Millionen EUR, je nach Marktwert des Kupfers. Und die Goldmenge, die allein durch die Verbrennung weggeworfener Handys verloren geht, wird auf 350 kg pro Jahr geschätzt.

Energieverschwendung durch Müllverbrennung: Säulendiagramm zur Verbrennung von Kunststoffen und Papier. Es sind angegeben: Gesamtmenge, Heizwert, Energiegewinn durch Verbrennung und Energiegewinn durch Recycling jeweils in MJ/kg (MJ = Energieeinheit, 1 MJ = 1.000 KJ = 0,2778 kWh) - Bildquelle: Hartmut Hoffmann

Abbildung 1: Energieverschwendung durch Müllverbrennung, MJ = Energieeinheit (1 MJ = 1.000 KJ = 0,2778 kWh)
Bildquelle: Hartmut Hoffmann

Abfall und Energieeinsparung

Aber es geht nicht nur um Metalle, sondern auch um Energierohstoffe. Es wird in der Diskussion oft übersehen, dass bei der Abfallverbrennung nur ein Teil des Heizwerts zurückgewonnen wird, während durch die stoffliche Verwertung von Abfällen erhebliche Mengen an Energie einzusparen sind, nämlich die zur Neuproduktion der Waren aus Primärrohstoffen. Im Vergleich dazu verbraucht Recycling erheblich geringere Mengen an Energie. Das gilt auch bei Abfällen mit hohen Heizwerten wie Altpapier und Altkunststoff.

Welchen großen Einfluss der Energiebedarf bei der Herstellung der Produkte hat, wird in der Abbildung dargestellt und am Beispiel Papier näher erklärt:

Der Heizwert von Papier beträgt etwa 15 Megajoule/Kilogramm (H). Die Produktion eines Kilogramm Papier aus Zellstoff benötigt durchschnittlich ebenfalls rund 15 Megajoule. Die Gesamtenergie, also Heizwert + Produktionsenergie, beträgt also rund 30 Megajoule/Kilogramm.

Bei der Müllverbrennung ist bei Kraft-Wärme-Kopplung mit einem durchschnittlichen Wirkungsgrad von 35% nur rund 5,3 Megajoule/Kilogramm (35% von 15 Megajoule/Kilogramm) Energie zu erzeugen. Der Nettoverlust beträgt somit rund 24,7 Megajoule/Kilogramm von ursprünglich 30 Megajoule/Kilogramm.

Demgegenüber ist für die Produktion von 1 kg Recyclingpapier aus Altpapier ein Energieaufwand von durchschnittlich nur 8 Megajoule notwendig. Der gesamte Heizwert bleibt erhalten. Beim Recycling von Altpapier beträgt der Nettoverlust also lediglich 8 Megajoule/Kilogramm statt 24,7 Megajoule/ Kilogramm bei der Verbrennung.

Bei einem Altpapieraufkommen von rund 15 - 16 Millionen t pro Jahr kommt da eine ganze Menge an eingesparter Energie zusammen, grob geschätzt rund 40 Milliarden kWh/Jahr an Strom und Wärme.

Die Bedeutung des Energiebedarfs bei der Herstellung der Produkte ist auch einer der Gründe dafür, dass die biologisch abbaubaren Kunststoffe nicht die ökologische Lösung sind, wie es die Werbung oft suggeriert. Wenn die Plastiktüte schließlich verrottet ist, dann ist nicht nur sie "weg", sondern auch die ganze Produktionsenergie.


Nutzen der Abfallvermeidung

Auch in einem anderen Bereich sind Ökologie und Ökonomie vorteilhaft miteinander verknüpft: Bei Getränkeverpackungen. Einerseits ist die Wiederbefüllung von Getränkeverpackungen für die Umwelt noch vorteilhafter als das Recycling des Verpackungsmaterials, wie zahlreiche Ökobilanzen gezeigt haben. Andererseits können durch den Erhalt der Mehrwegsysteme für Getränke viele bestehende Arbeitsplätze erhalten werden, und zwar sowohl im Handel als auch bei kleineren und mittleren Brauereien, die nur schwer in teuere Abfüllanlagen für Dosen oder Einwegflaschen investieren können.

Der Umstieg von Mehrweg- auf Einwegsysteme nützt eher großen Unternehmen, die auf diese Weise Märkte leichter erobern können als durch "lästige" Mehrwegsysteme. Gerade die Discounter haben sich in Deutschland regelmäßig gegen die Einführung von Mehrwegsystemen gewehrt. Auch große Getränkekonzerne setzen zur Eroberung von Märkten auf Dosen und PET-Flaschen.

Bei einem vollständigen Umstieg auf Einweg würden in Deutschland wohl mehr als 60.000 Arbeitsplätze im Handel verschwinden, und zwar gerade Arbeitsplätze für weniger qualifizierte Arbeitskräfte. Vorteilhaft ist auch, dass es dabei um regionale, relativ dezentrale Arbeitsplätze geht, die kaum ins Ausland verlagert werden können.

Für andere Staaten gilt das im Prinzip genauso. Es verwundert sehr, in einem relativ armen Land wie z.B. einem osteuropäischen EU-Staat, zu beobachten, wie Verpackungen einfach weggeworfen werden. Diese Verpakkungen hatte die Kundschaft ja über den Preis mitbezahlt, angesichts der niedrigen Löhne dort gewiss kein unbedeutender Betrag. Wie soll eine Volkswirtschaft vorankommen, wenn so viel achtlos weggeworfen wird?


Der Autor ist Dipl.-Chemiker und Sprecher des AK Abfall des BUND e.V.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.

Der Rundbrief des Forums Umwelt & Entwicklung, erscheint vierteljährlich, zu beziehen gegen eine Spende für das Forum.


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2010, S. 20-21
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Juli 2011