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AKTION/281: Geringe Wanderneigung - Meisen und Co. machen sich bei der "Stunde der Wintervögel' rar (NABU SH)


NABU Landesverband Schleswig-Holstein - 31. Januar 2017

NABU: In diesem Winter nur geringe Wanderneigung: Meisen und Co. machen sich bei der "Stunde der Wintervögel" rar

Viel Arten sind in diesem Winter kaum nach Deutschland eingeflogen


Berlin / Neumünster, 31. Januar 2017 - Viele Menschen treibt in diesem Winter die Frage um: Wo sind die Vögel geblieben? Auffallend wenig Meisen, Finken und andere Vögel ließen sich in den vergangenen Monaten an Futterstellen sowie in Gärten und Parks blicken. Dass diese Beobachtung flächendeckend zutrifft, bestätigte jetzt Deutschlands größte wissenschaftliche Mitmach-Aktion, die "Stunde der Wintervögel". Mehr als 118.000 Vogelfreunde zählten Anfang Januar eine Stunde lang die Vögel in ihrem Garten und meldeten die Beobachtungen an den NABU - ein absoluter Rekordwert für Deutschland. In Schleswig-Holstein nahmen rd. 4.800 Naturbegeisterte an der Aktion teil und zählten rd. 120.000 Vögel.

"Die Sorge um ausbleibende Vögel hat viele Menschen beschäftigt. Und in der Tat: So wenige Vögel wie in diesem Winter hatten wir schon lange nicht mehr", sagte NABU-Vogelschutzexperte Ingo Ludwichowski. Insgesamt beobachteten die Teilnehmer durchschnittlich 17 Prozent weniger Tiere als in den Jahren zuvor. Vor allem bei den häufigen Wintervögeln und Futterhausbesuchern, darunter allen Meisenarten, aber auch Kleiber und Kernbeißer, wurden die bisher niedrigsten Zahlen seit Beginn der Aktion im Jahr 2011 verzeichnet. Pro Garten ließen sich im Schnitt nur rund 34 Vögel und acht verschiedene Arten sehen - sonst liegt der Schnitt bei rund 41 aus neun Arten.

Kaum Wanderlust

"Einige Arten hatten dieses Jahr offenbar kaum Wanderlust - was zu den teils deutlichen Rückgängen geführt hat. Oder die Bestände im Osten waren wenig erfolgreich. Das gilt vor allem für jene Arten, die im Winter häufig Besuch von ihren Artgenossen aus dem kälteren Norden und Osten bekommen. Dazu zählen auch die meisten Meisenarten", so Ludwichowski. Auffällig ist, dass die Rückgänge bei Meisen und Co. im Norden und Osten Deutschlands, und damit auch in Schleswig-Holstein, geringer ausfallen, also hier noch einige Wanderer angekommen sind. Richtung Südwesten hingegen nehmen die Rückgänge zu. Manche Wintervögel haben wohl aufgrund des - bis zum Beginn des Zählwochenendes - noch extrem milden Winters auf halber Zugstrecke Halt gemacht.

Im Gegensatz dazu sind Arten, die im Winter von Deutschland aus teilweise nach Süden abwandern, in diesem Jahr besonders häufig hier geblieben. Bei Amseln, Rotkehlchen, Ringeltauben, Star und Heckenbraunellen wurden die bislang höchsten oder zweithöchsten Werte seit Beginn der Aktion ermittelt. Die Amselzahlen stiegen pro Garten durchschnittlich um 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr, der Star nahm gar um 86 Prozent zu. Entsprechend deutlich zeigen sich die Verschiebungen auch in der Rangliste der häufigsten Wintervögel: Hinter dem Dauer-Spitzenreiter Haussperling setzte sich die Amsel - etwas überraschend - auf Rang zwei (sonst Platz 5). Die Kohlmeise liegt erstmalig nur auf Rang 3 und der Feldsperling landet zum ersten Mal noch vor der Blaumeise auf Rang 4. In Schleswig-Holstein fallen diese Zunahmen aber schwächer aus oder fehlen ganz. Der Star nimmt deutlich ab. Im Norden machte sich zudem der Einflug von Seidenschwänzen im Zählergebnis positiv bemerkbar.

Neben der geringen Zuglust könnten auch weitere Faktoren Einfluss auf die Ergebnisse gehabt haben. Nicht ausgeschlossen ist, dass Meisen und andere Waldvögel im Frühjahr zusätzlich einen schlechten Bruterfolg hatten. Ob diese Vermutung zutrifft, wird die im Mai stattfindende Schwesteraktion "Stunde der Gartenvögel" zeigen. Dann sind Deutschlands Vogelfreunde wieder aufgerufen, eine Stunde lang die Vögel zu zählen. Hier stehen Deutschlands Brutvögel im Fokus.

Amseln: Entwarnung - Grünfinken: horrende Rückgänge

Die Ergebnisse der Wintervogelzählung zeigen auch, dass das unter Amseln grassierende Usutu-Virus keine Auswirkungen auf den Gesamtbestand der Art hatte. Anhand der Meldungen lassen sich die diesjährigen Ausbruchsgebiete - vor allem am Niederrhein - zwar deutlich erkennen, hier sind die Amselzahlen deutlich niedriger als andernorts. Doch insgesamt gehört die Amsel zu den Gewinnern der diesjährigen Zählung, was zumindest Schleswig-Holstein auch an einem Zuzug aus dem Norden liegen kann.

Besorgniserregend ist hingegen die anhaltende Talfahrt der Grünfinken. Nach einem erneuten Rückgang um 28 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und über 60 Prozent gegenüber 2011 ist der Grünfink erstmals nicht mehr der sechsthäufigste Wintervogel in Deutschland. Er rangiert nunmehr auf Rang acht. Auch in Schleswig-Holstein hat sich der Bestand mehr als halbiert. Grund hierfür ist vermutlich das durch einen Parasiten hervorgerufene sogenannte "Grünfinkensterben" (Trichomoniasis), das seit 2009 vor allem an sommerlichen Futterstellen auftritt.

Katzen, Rabenvögel, Greifvögel: Kein Einfluss nachweisbar

Aufgrund der Zähl-Ergebnisse hatte sich in der Öffentlichkeit zuletzt eine rege Diskussion um die Gründe für die außergewöhnlich geringe Zahl an Wintervögeln entfacht. Nicht selten vermuteten Beobachter die Ursache bei Katzen, Rabenvögeln oder Greifvögeln. "Diese Thesen können nicht stimmen, da keiner dieser potenziellen Fressfeinde im Vergleich zu den Vorjahren zugenommen hat. Außerdem muss der Grund einer sein, der speziell in diesem Jahr eine Rolle gespielt hat - und keiner, der immer da ist. Unsere Analyse hat sogar gezeigt: In Gärten mit Katzen oder Elstern werden gleichzeitig sogar mehr andere Vögel beobachtet. Das Auftreten potenzieller Fressfeinde führt also keineswegs zum sofortigen Verschwinden von Vogelarten", so der NABU-Vogelexperte. Die Bestände von Elstern und Rabenkrähen sind im Übrigen in Schleswig-Holstein seit Jahren stabil.

Weitere Infos unter www.NABU-SH.de

Zur Aktion:
Der NABU ruft einmal im Jahr zur "Stunde der Wintervögel" bzw. "Stunde der Gartenvögel" auf. Es ist Deutschlands größte wissenschaftliche Mitmach-Aktion. Die nächste "Stunde der Gartenvögel" findet über Muttertag vom 12. bis 14. Mai 2017 statt. Je mehr Menschen an der Aktion teilnehmen, desto genauer werden die Ergebnisse. Die Meldungen werden auf www.stundederwintervoegel.de auf Bundesland- und Kreisebene ausgewertet.

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Quelle:
Presseinformation, 31.01.2017
Herausgeber: Naturschutzbund Deutschland e.V.
NABU Schleswig-Holstein
Färberstr. 51, 24534 Neumünster
Tel.: 04321/53734, Fax: 04321/59 81
E-mail: info@NABU-SH.de
Internet: www.NABU-SH.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Februar 2017

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