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INITIATIVE/356: Das Jahr des Tigers - WWF-Projekte zum Schutz der Großkatze (WWF Magazin)


WWF Magazin 2/2010
WWF Deutschland - World Wide Fund For Nature

Das Schicksalsjahr der Tiger

Von Daniel Goliasch, WWF


Ob Majestät, König oder Herrscher - schon immer sahen Menschen im Tiger eine herausragende Spezies und gaben ihm Ehrfurcht gebietende Zweitnamen. Nicht nur wegen seiner Stärke und Schnelligkeit respektierten sie ihn: Als größter Jäger am Ende der Nahrungskette bestimmt er weitgehend über Vorkommen und Zahl anderer Tierarten in seinem Revier und sorgt dort für eine ökologische Balance.

Auf diese Weise herrschte er zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch über große Teile Asiens: Schätzungsweise 100.000 Tiger lebten vom Kaspischen Meer im Westen bis zum Pazifik im Osten, vom Amurgebiet im Norden bis Bali im Süden. Sie hatten sich an die unterschiedlichsten Regionen angepasst. Sie kletterten im Hochgebirge des Himalaja, wateten durch die Sümpfe Indiens, durchstreiften den tropischen Regenwald Indonesiens und stapften bei minus 40 Grad durch den Schnee Russlands. Doch das ist vorbei. Heute ist der Tiger kein Herrscher mehr, sondern ein gejagter Flüchtling, ein vereinsamter obendrein. Schätzungsweise 97 Prozent seines Bestandes sind bereits ausgelöscht und etwa 93 Prozent seiner Lebensräume vernichtet.


Wie konnte es soweit kommen?

Sein Niedergang begann Ende des 19. Jahrhunderts. Zunächst waren Tiger eine begehrte Trophäe der Reichen und Mächtigen, die für das sichere Abknallen eines Tieres einen ganzen Tross an Treibern beschäftigten. Ab Mitte des 20. Jahrhunderts wurden immer mehr Wälder gerodet, um Holz zu gewinnen und Plantagen anzulegen. Wilderer jagten auch zunehmend die Beutetiere der Tiger. Zugleich wuchs das Interesse, aus seinen Körperteilen traditionelle ostasiatische Medizin herzustellen. Bis jetzt haben Naturschutzorganisationen wie der WWF mit ihren Projekten den Tiger vor dem Aussterben bewahrt. Doch nur das Schlimmste zu verhindern, genügt bei nur noch etwa 3.200 Tieren weltweit nicht mehr: Wir brauchen die Wende, wir brauchen eine Erholung der Tigerbestände.


Lebensräume sichern

Tiger stabilisieren die biologische Vielfalt. Das bestätigt sich gerade in der russischen Amur-Region, auf der indonesischen Insel Sumatra und in den Wäldern entlang des Mekong - den drei großen Tiger-Regionen, in denen der WWF Deutschland aktiv ist. Auch deshalb steht die Sicherung der Tiger-Lebensräume an erster Stelle aller Maßnahmen. Besonders erfolgreich waren die WWF-Schutzprogramme im russischen Fernen Osten. Seit 1993 hat dort der WWF geholfen, die Fläche an Schutzgebieten auf 15 Millionen Hektar zu erhöhen. Da diese Reservate jedoch für die letzten etwa 450 Amur-Tiger immer noch zu klein sind, ist es wichtig, darüber hinaus möglichst viel Wald vor der Abholzung zu sichern. Daher hat der WWF seit 2004 geholfen, dass außerhalb von Schutzgebieten weitere 2,5 Millionen Hektar Waldgebiete nach Kriterien des Forest Stewardship Council (FSC) naturnah bewirtschaftet werden. So bleiben auch sie als Lebensraum für den Tiger und seine Beute erhalten - und zugleich für Braunbären, seltene Amur-Leoparden sowie viele andere Tiere. Im Jahr 2010 sollen weitere 2,6 Millionen Hektar als FSC-Wald ausgewiesen werden. Um die Wilderer in Schach zu halten, werden Anti-Wilderer-Einheiten eingesetzt. In fast allen Projektgebieten des WWF werden diese Wildhüter speziell zum Schutz von Tigern ausgebildet.

Zugleich will der WWF mehr über die Tiger erfahren, um sie noch gezielter schützen zu können. Das ist nicht einfach, denn die Großkatzen sind sehr scheu und in ihrem Revier ständig in Bewegung. Für das neue Tiger-Projekt des WWF Deutschland in den Trockenwäldern entlang des Mekong in der kambodschanischen Provinz Mondulkiri steht daher ein Überwachungs-Programm an erster Stelle. Mithilfe von Kamera-Fallen will der WWF einen möglichst genauen Überblick über den Tigerbestand bekommen. Speziell ausgebildete Spürhunde wiederum suchen nach Spuren der Tiger. Anhand der Proben können dann genetische Analysen durchgeführt werden, die noch mehr Informationen über einzelne Tiere und ihre Verbreitungsgebiete geben. Ein wichtiges Fazit der Untersuchungen: Der rund 20.000 Quadratkilometer große Lebensraum am Mekong könnte noch viel mehr als den bisher etwa 25 Tigern eine Heimat sein - wenn wir entsprechende Schutzmaßnahmen verstärken. Nun geht es darum, diesen einzigartigen Lebensraum mit sanftem Tourismus und Umweltbildungsprogrammen zu sichern. Hier wird wie in vielen Tigerländern die Schaffung alternativer und nachhaltiger Einkommensquellen für die Bevölkerung vorangetrieben, um Wilderei und illegalem Holzfällen den Boden zu entziehen. Andernorts, wie auf Sumatra, müssen vorrangig die letzten noch verbliebenen Lebensräume durch Waldkorridore miteinander verknüpft werden. Pufferzonen wiederum sollen Dörfer und Gemeinden vor Tigerübergriffen schützen.


Politiker ins Boot holen

Zugleich müssen in allen Tigerregionen die verantwortlichen Regierungen viel ernsthafter daran arbeiten, Tiger-Wilderei und illegalen Handel von vornherein zu vermeiden und bestehende kriminelle Netzwerke aufzudecken. Deshalb ist es so wichtig, dass wir jetzt die Politiker ins Boot holen. Besonders erfreulich: Erstmalig haben sich die 13 Länder, in denen der Tiger noch lebt, zusammengefunden, um ein verbindliches Aktionsprogramm der Politik zum Schutz der Großkatze zu erarbeiten. Im September 2010 sollen deren Staatsoberhäupter auf Einladung des russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin auf einem Tiger-Gipfel in Wladiwostok diesen Plan verbindlich unterzeichnen. An dem länderübergreifenden Aktionsplan arbeitet der WWF intensiv mit. Im Januar konnten bereits auf einer Konferenz im thailändischen Hua Hin erste Erfolge erzielt werden. Die 13 Regierungsvertreter übernahmen das Ziel des WWF, die Zahl der Tiger bis zum nächsten chinesischen Jahr des Tigers 2022 zu verdoppeln. Dazu legten sie bereits erste Arbeitsprogramme für ihre einzelnen Länder vor. Bis zum Tiger-Gipfel im September müssen allerdings noch wesentliche Passagen ausgehandelt werden. In Wladiwostok kommt es dann zum Schwur: Der WWF erwartet von den Staatschefs die verbindliche Einigung auf folgende große Ziele:

1. Überall wo möglich sollen die letzten kleinen Tigervorkommen vergrößert und die verschiedenen Populationen miteinander durch grüne Korridore verbunden werden.

2. Der Schutz der Tiger muss in allen 13 Verbreitungsstaaten bis 2015 nationale Priorität haben.

3. Der Handel mit Tigerteilen muss so rasche wie möglich reduziert und bis spätestens 2020 beendet sein. Der WWF wird im Vorfeld die Delegationen beraten und mit seiner Kampagne alles dazu tun, dass der Tigerschutz auch auf höchster Ebene ernst genommen wird. Außerdem wird der WWF seine eigenen Schutzprogramme weiter ausbauen. Tiger-Lebensräume sollen besser kontrolliert, Wilderei und Artenhandel weiter eingeschränkt und Schutzgebiete erweitert werden. Mit dieser konzertierten Aktion haben wir eine gute und realistische Chance, im Jahr des Tigers 2010 erstmalig die Wende zum Besseren für die Tiger einzuleiten und ihre Zahl in der Wildnis bis zum Jahr 2022 auch tatsächlich zu verdoppeln.

Mehr über den Tiger und über Aktionen des WWF zu seiner Rettung
http://www.wwf.de/themen/kampagnen/2010-das-jahr-des-tigers/

Weitere Informationen zum WWF Magazin unter: www.wwf.de/magazin


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Quelle:
WWF Magazin 2/2010
(Kurzform des Artikels in der Internetfassung)
http://www.wwf.de/downloads/wwf-magazin/april-2010/das-schicksalsjahr-der-tiger/
Herausgeber: WWF Deutschland
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Die Zeitschrift für Mitglieder und Freunde der
Umweltstiftung WWF Deutschland erscheint vierteljährlich


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Mai 2010