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INITIATIVE/295: Berggorillas im Visier - Naturschutz im Krisengebiet (WWF Magazin)


WWF Magazin 4/2008
WWF Deutschland - World Wide Fund For Nature

Berggorillas im Visier

Naturschutz im Krisengebiet


Der Biologe Marc Languy arbeitet für das WWF-Programmbüro in Kenias Hauptstadt Nairobi, zuständig für die Projekte in Ostafrika. Dazu gehört vor allem der Virunga-Nationalpark in der Demokratischen Republik (DR) Kongo. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit dort ist der Schutz der stark bedrohten Berggorillas.


WWF: Was gibt es aktuell von den Berggorillas zu berichten?

Languy: Es gibt nur noch etwa 720 Tiere. Etwa 380 davon sind noch in Schutzgebieten der Virunga-Berge im Dreiländereck von Ruanda, Uganda und der DR Kongo zu finden. Die zweite Population mit etwa 340 Berggorillas lebt in Uganda in den Wäldern des Bwindi Impenetrable-Nationalparks.

Wir beobachten die Gorillas regelmäßig und arbeiten mit anderen Organisationen, wie zum Beispiel der Frankfurter Zoologischen Gesellschaft, zusammen. Dank der Aktivitäten zum Schutz der Menschenaffen hat der Bestand in den vergangenen 20 Jahren von damals 650 Tieren langsam, aber stetig zugenommen. Dennoch bleiben die Berggorillas stark bedroht. Der Verlust von zehn Affen im Kongo im vergangenen Jahr erhöht bereits das Risiko für den gesamten Bestand. Die gute Nachricht jedoch ist, dass 2007 dort 20 neue Gorillababys geboren wurden. Wir hoffen, dass der Frieden in die DR Kongo endgültig zurückkehrt und wir die Affen weiter schützen können, sodass sich diese Population vergrößern kann.

In der DR Kongo herrschte Bürgerkrieg, und noch immer gibt es politische Unruhen. Wie kann man dort arbeiten?

Die Situation in der DR Kongo hat sich in den letzten fünf Jahren verbessert. Im südlichen Teil des Virunga-Nationalparks jedoch bleibt sie weiterhin schwierig - gerade dort, wo die Gorillas leben und ein Schwerpunkt unserer Aktivitäten liegt. Wie viele, die in diesem Gebiet arbeiten, musste ich den Völkermord im benachbarten Ruanda miterleben. Dreimal wurde ich selbst mit Waffen bedroht. Noch gefährlicher ist es für unsere Projektmitarbeiter und die Ranger des Nationalparks. Allein in den vergangenen beiden Jahren wurden sie Opfer von drei bewaffneten Überfällen. Bei einem verlor einer unserer Mitarbeiter seinen Sohn. Der jüngste Überfall war am 7. Juli dieses Jahres, als ein Fahrzeug überfallen wurde, in dem Mitarbeiter des WWF saßen. Zwei Frauen starben. In den vergangenen 15 Jahren ließen 100 Ranger ihr Leben im Virunga-Nationalpark.

Wie konnte der WWF dort bis heute überhaupt weiterarbeiten?

Nicht die gesamte DR Kongo versinkt im Chaos. Viele Menschen dort sind freundlich und hilfsbereit. Nur einige Teile unseres Projektgebietes sind unsicher. Damm konnte der WWF seine Arbeit im Virunga-Projekt all die Jahre ohne Unterbrechung fortführen und gute Ergebnisse vorweisen. Das war sehr wichtig, denn der Nationalpark litt unter einem dreifachen Verlust: Geldgeber hatten das Land verlassen, Tourismuseinnahmen brachen weg und die Regierung stellte die Unterstützung der Schutzgebiete ein.

Warum ist der Naturschutz in der DR Kongo so wichtig?

Allein im Virunga-Nationalpark gibt es mehr als 700 Vogel- und 200 Säugetierarten. Das sind etwa doppelt so viele wie in Westeuropa. Darüber hinaus gibt es im Bergwald viele weltweit einmalige und bedrohte Arten wie den Berggorilla. Leider ist gerade die DR Kongo eines der ärmsten Länder Afrikas. Hier lebt ein überwiegender Teil der Menschen von der Landwirtschaft. Das hat zur Folge, dass sie auch Naturgüter in den Schutzgebieten nutzen wollen. Das wäre sogar möglich und unproblematisch, wenn man diese Nutzung gut steuern würde. Aber das gesellschaftliche und politische Umfeld sowie wirtschaftliche Interessen führen dazu, dass meist überhaupt nicht nachhaltig gehandelt wird. Tiere werden gejagt und vertrieben, Wälder für landwirtschaftliche Flächen gerodet und aus Bäumen wird Feuerholz gemacht. Wenn wir hier nichts tun, dann werden wir nicht nur die einzigartigen Wälder und die darin lebenden Arten verlieren, sondern die lokale Bevölkerung auch ihre Lebensgrundlage.

Was unterscheidet Naturschutz in Krisengebieten von "normalem" Naturschutz?

All unsere Planungen werden regelmäßig von unvorhergesehenen Ereignissen über den Haufen geworfen. Man muss ständig die Arbeitsvorgänge und das Budget anpassen. Ein Balanceakt: Einerseits muss man flexibel und innovativ sein, andererseits darf man auch nicht zu opportunistisch handeln und sich von seinen Zielen abbringen lassen. Es ist außerdem entscheidend, im Gespräch mit Interessengruppen neutral zu bleiben und zu betonen, dass wir fachlich und nicht politisch arbeiten. Ganz wesentlich ist auch die Unterstützung der lokalen Bevölkerung. Denn im Falle einer Krisensituation sind sie die letzten Hüter des Waldes.

Neutral zu bleiben ist sicher leichter gesagt als getan. Die Verstrickungen der Holzkohlemafia, auf deren Konto die Gorilla-Tötungen im Juli 2007 gehen sollen, sind auch in Deutschland bekannt geworden. Kennst du die Hintergründe?

Als am 24. Juli 2007 im Virunga-Nationalpark die Leichen mehrerer Berggorillas entdeckt worden waren, wurde schnell klar, dass es sich nicht um die Tat von Wilderem handeln konnte. Alle Zeichen deuteten darauf hin, dass hier im Auftrag der Holzkohlemafia gehandelt wurde. Es sollte der Verdacht auf Ranger fallen, um die wahren Drahtzieher im illegalen Handel mit Holzkohle zu decken. Das ist ein lukratives Geschäft auf Kosten der Natur. Wer sich wie der WWF für den Schutz der Gorillas und gegen die Holzkohlemafia einsetzt, begibt sich in erhebliche Gefahr. In diesem Zusammenhang geschah vermutlich auch der erwähnte tragische Überfall auf das Fahrzeug mit den WWF-Mitarbeitern im vergangenen Juli.

Gab es in dieser Zeit auch ein schönes Erlebnis für dich?

Ja, meine Heirat. Meine Frau und ich gaben uns an einem Morgen um vier Uhr im Virunga-Nationalpark das Ja-Wort. Es war eine wundervolle Hochzeit mit vielen Freunden - und mit Löwen und Flusspferden. Doch dann begann der Völkermord in Ruanda. Die standesamtliche Hochzeit fand einige Monate später im Rathaus von Goma statt, unter Hunderten Flüchtlingen. Die Trauung musste zweimal wegen Schüssen unterbrochen werden. Solch extremer Kontrast ist überall im Land zu spüren. Wir müssen an vielen Fronten Überzeugungsarbeit leisten, um die Berggorillas und diese fantastische Naturlandschaft zu bewahren.

Das Interview führte Annika Magdorf, WWF


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Der Virunga-Nationalpark im Kongo soll den vom Aussterben bedrohten Berggorillas Sicherheit bieten. Doch die Gewalt im Land macht auch vor einem Schutzgebiet nicht Halt.
Unschuldiges Opfer: Ein getöteter Berggorilla wird von der Armee abtransportiert
Etwa 350 Berggorillas leben in den Wäldern des Virunga-Nationalparks in der demokratischen Republik Kongo. Außerdem gibt es dort über 700 Vogel- und 200 Säugetierarten.
Hoffnung pflanzen: Trotz täglicher Gefahren setzt sich der WWF-Mitarbeiter Marc Languy mit Leib und Seele für den Nationalpark und die Berggorillas ein.

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Quelle:
WWF Magazin 4/2008, Seite 23-25
Herausgeber:
WWF Deutschland
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Die Zeitschrift für Mitglieder und Freunde der Umweltstiftung WWF Deutschland erscheint vierteljährlich


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Januar 2009