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INITIATIVE/354: Unbekannte Giganten - Chiles Blauwale brauchen einen sicheren Hafen (WWF Magazin)


WWF Magazin 1/2010
WWF Deutschland - World Wide Fund For Nature

Unbekannte Giganten
Chiles Blauwale brauchen einen sicheren Hafen

Von Volker Homes, WWF


Kaum anderswo kann man die größten Tiere der Erde so nah vor der Küste beobachten wie in der Chiloé-Corcovado-Region im Süden Chiles. Doch Lachsfarmen und Schiffsverkehr machen ihnen zunehmend das Leben schwer.

Bereits vor etwa 150 Jahren stießen Walfangschiffe direkt vor Chiles Küste auf Blauwale. Im Golf von Corcovado erlegten noch 1909 norwegische Walfänger nachweislich 37 Tiere. Bis zum Fangverbot für Blauwale 1967 wurden allein in der südlichen Hemisphäre rund 340 000 Tiere getötet. Nur drei Prozent ihrer ursprünglichen Populationen - etwa 10 000 Tiere - blieben übrig. Darunter der Bestand von Corcovado. Offenbar war er fast hundert Jahre lang in Vergessenheit geraten. Erst im Jahr 2003 entdeckten chilenische Forscher des Centro Ballena Azul, einer Partnerorganisation des WWF, die Giganten dort erneut. Ihr Bestand wird heute auf etwa 230 Tiere geschätzt. In der Region von der halben Größe Bayerns sind die Blauwale offenkundig schon länger zu Hause. Aus gutem Grund: Der kalte Humboldtstrom aus der Antarktis sorgt für ein reiches Planktonangebot. In den Buchten der zerklüfteten Küste sammeln sich zudem viele Nährstoffe aus den chilenischen Bergen, ernähren das Plankton und damit die Blauwale. Sie sind die größten Tiere der Erde mit einer Länge von bis zu 27 Metern und einem Gewicht von bis zu 150 Tonnen. Ihr Herz wiegt so viel wie ein VW Käfer. Noch wissen wir wenig über die riesigen Säugetiere, weil sie sonst weltweit auf hoher See leben. Bekannt ist, dass Blauwale wandern. Im Sommer leben die Tiere der Südhalbkugel in den Gewässern der Antarktis. Im Winter ziehen sie in wärmere Meeresregionen, wo sie Nachwuchs bekommen.


Algenblüten und Schiffsverkehr

Obwohl Blauwale weiterhin als bedroht gelten, scheint sich ihr Bestand nach der langen Zeit der Bejagung inzwischen wieder zu erholen. Zugleich lauern heute anstatt der Walfänger andere Gefahren auf die riesigen Säugetiere. Vor allem durch die Fischindustrie: In nur wenigen Jahren katapultierte sich Chile mit Aquafarmen an die weltweit zweite Stelle der Lachsproduzenten, hinter Norwegen. Futterreste und Exkremente der Millionen Lachse sowie Antibiotika und andere Chemikalien belasten das Wasser und führen zu Sauerstoff zehrenden Algenblüten. Eine weitere Gefahr ist die wachsende Zahl an Fischkuttern, Kreuzfahrtschiffen und Marinefahrzeugen in der Region - das Risiko der Zusammenstöße mit Blauwalen steigt. Schließlich könnte auch der Klimawandel den Walen zu schaffen machen, wenn sich die Nahrungsketten oder Meeresströmungen verändern.

Der WWF will deshalb die fatal gestiegenen Umweltbelastungen in der Region deutlich verringern. Was auch den Menschen zugutekäme. Vergangenes Jahr führte ein Virus zu großen Einbrüchen in der Lachsproduktion. Tausende Menschen verloren ihre Arbeit. Der WWF macht deshalb Vorschläge für umweltfreundlichere Produktionsverfahren. Denn die nützen nicht nur der Natur, sondern sichern zugleich Arbeitsplätze. So wird es auch für Fische aus nachhaltigen Aquakulturen wahrscheinlich bald ein Gütesiegel geben (Aquaculture Stewardship Council, ASC), das mit Sicherheit den Verkauf fördern wird.


Forschen, um zu helfen

An Chiles Küste besteht die einmalige Chance, endlich mehr über Blauwale zu erfahren, um sie besser schützen zu können. Deshalb ist der WWF dort seit deren Entdeckung aktiv. Insgesamt 128 von etwa 230 Tieren konnten bereits fotografisch identifiziert und katalogisiert werden. In einer Pilotstudie wurden Blauwale 2004 erstmals auf der Südhalbkugel der Erde mit Satellitensendern versehen und auf ihrer Wanderung verfolgt. Erste Ergebnisse zeigten, dass die Tiere von Corcovado nach Norden wandern, um in den wärmeren Gewässern des Pazifik ihre Jungen zu bekommen, die sie dann vor Chile aufziehen. Eines der wichtigsten Ziele des WWF ist es nun, der chilenischen Regierung Meeresschutzgebiete vor der Küste vorzuschlagen - mit den Blauwalen als besonders schützenswerte "Topbewohner". Das ist ein sehr aufwändiger Prozess, weil von Anwohnern bis zu Fischern viele Interessensgruppen einbezogen werden müssen.

Inzwischen haben sich alle Beteiligten - Nutzer, Naturschützer und lokale Politiker - auf besonders wertvolle Vorranggebiete geeinigt. Nun liegt es an der politischen Führung Chiles, die im Dezember 2009 neu gewählt wurde. Ihr wird der WWF nun bald seine abgestimmten Vorschläge für Walschutzgebiete überreichen - mit Argumenten, die hoffentlich überzeugen. Damit das Schutzgebiet im Golf von Corcovado für die Blauwale zu einem sicheren Hafen wird.

Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
- Die Blauwale vor der Südküste Chiles wurden erst unlängst wiederentdeckt. Der WWF beteiligt sich nun an der Erforschung der Meeresriesen, um sie besser schützen zu können. - Unterwasserkäfige: Lachsfarmen vor der Küste Chiles verunreinigen das Meer und gefährden die Blauwale.


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Quelle:
WWF Magazin 1/2010, Seite 16-17
Herausgeber:
WWF Deutschland
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Die Zeitschrift für Mitglieder und Freunde der
Umweltstiftung WWF Deutschland erscheint vierteljährlich


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. April 2010