Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → ARTENSCHUTZ


INSEKTEN/316: Feen und Monster (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Frühling 2022
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

Feen und Monster
Die Larven der anmutigen Florfliegen, Ameisenjungfern und Kamelhalsfliegen sind furchterregende Jäger.

von Helge May


Die Kamelhalsfliegen haben ihre beste Zeit wohl bereits hinter sich. Fossilien zeigen, dass sie schon mindestens 200 Millionen Jahre existieren und früher weltweit verbreitet waren. Als der große Kometeneinschlag vor 65 Millionen Jahren den Dinosauriern den Garaus machte, gingen auch die meisten Kamelhalsfliegen zugrunde. Einige überlebten immerhin, so dass heute rund 250 Arten vorkommen, alle auf der Nordhalbkugel der Erde, davon 16 in Mitteleuropa.

Fliegen nur dem Namen nach - Kamelhalsfliegen sind eng mit den Netzflüglern verwandt, zu deren bekanntesten Vertretern Florfliegen, Ameisenjungfern und die bunten Schmetterlingshafte zählen. Gemeinsam haben sie in der Regel lange durchsichtige Flügel mit netzartigen Äderchen. "Trotz der 'Fliege' im Namen stehen sie im Insektenreich aber den Käfern am nächsten", erklärt NABU-Insektenexpertin Dr. Laura Breitkreuz, "während Fliegen und andere Zweiflügler zoologisch den Schmetterlingen näher sind. Auch wenn man das von Äußeren her nicht annehmen würde."

Mit der Wahl der Schwarzhalsigen Kamelhalsfliege zum Insekt des Jahres soll auf eine kaum bekannte Insektenordnung hingewiesen werden. Durch ihren enorm langen Hals, streng genommen die verlängerte Vorderbrust, sind Kamelhalsfliegen leicht erkennbar. Die genaue Art zuzuordnen, ist schon etwas kniffliger. Und fast noch schwerer ist es, überhaupt einer Kamelhalsfliege zu begegnen. Sie drängen sich nicht auf und es gibt auch keine Tricks, sie anzulocken. Da hilft nur, im Frühling die Augen aufzuhalten.

Kamelhalsfliegen schweben mehr, als dass sie fliegen, und am liebsten krabbeln sie in Stauden oder im Blattwerk umher. Sie ernähren sich vor allem von Schild- und Blattläusen, manche Arten ausschließlich von Blütenpollen. Ihre Larven leben unter Baumrinden oder in der Bodenstreu und erbeuten mit ihren kräftigen Zangen ebenfalls Kleinsttiere und Insekteneier.

Kernart des Insektensommers - Wesentlich einfacher ist es, einer Florfliege zu begegnen. Bei der Insektensommer-Zählung des NABU - erste Zähletappe 2022 ab dem 3. Juni - gehört die Gemeine Florfliege zu den sogenannten Kernarten, nach denen besonders geschaut werden soll. Sie ist das ganze Jahr über anzutreffen und lässt sich auch im Garten beobachten. Im Winterhalbjahr kommen Florfliegen auf der Suche nach einem frostfreien Versteck sogar in Gebäude. Die ebenfalls zangenbewehrten Larven sind enorm erfolgreiche Blattlausjäger. Für den Menschen sind Florfliegen und andere Netzflügler harmlos, auch wenn zu sehr drangsalierte Larven mal zwicken können.

Laura Breitkreuz faszinieren Florfliegen. Bei ihrer Doktorarbeit ist sie ihnen besonders nahe gekommen, galt es doch, die Verwandtschaftsverhältnisse der weltweit rund 2.000 Florfliegenarten zu ergründen und einen neuen Stammbaum zu entwickeln. "Dazu bedarf es unter anderem unzählige Stunden am Mikroskop, denn anhand der Flügeladerdetails lässt sich vieles über die Entstehung der Arten herausfinden", erklärt Breitkreuz. "Das ist der klassische Ansatz nach äußeren Merkmalen, aber natürlich gehören heutzutage auch DNA-Untersuchungen dazu. Dabei sind längst noch nicht alle Geheimnisse der Florfliegenevolution erforscht."

Tödliche Fallen - Während die Larven von Kamelhalsfliege und Florfliege aktiv jagen, sind die Larven der Ameisenjungfern Lauerjäger. Die als Ameisenlöwen bekannten Larven verfügen über besonders große Fangkiefer. In lockerem Sand legen sie einen kleinen runden Trichter an und verstecken sich auf dem Grund. Kommt eine Ameise oder ein anderes Insekt vorbei, verlieren diese den Halt und stürzen in den Trichter. Der Ameisenlöwe packt seine Beute und injiziert ein lähmendes Gift.

In Binnendünen und anderen Sandgebieten sind Ameisenlöwen weit verbreitet, oft liegen Dutzende Trichter dicht nebeneinander. Auch regengeschützte sandige Stellen in Gärten und am Haus werden besiedelt.

Von der Larve bis zum fertigen Insekt dauert es bei der Gemeinen Ameisenjungfer zwei Jahre. Bei einer Körperlänge von drei bis vier Zentimetern ist sie eine deutlich bessere Fliegerin als etwa die Florfliegen, wie Libellen beherrscht sie sogar den Rüttelflug auf der Stelle. Allerdings bekommt man Ameisenjungfern selten zu Gesicht, sie sind vor allem in der Dämmerung aktiv und jagen dann kleine Nachtfalter.

Anfang Texteinschub
Info
Insekt des Jahres

Nachdem die Grüne Florfliege 1999 das erste deutsche Insekt des Jahres überhaupt war und die Ameisenjungfer 2010 geehrt wurde, hat nun auch die Kamelhalsfliege diese Auszeichnung erhalten -unter anderem vom zur Senckenberg-Gesellschaft gehörenden Deutschen entomologischen institut und dem NABU.

Genauer gesagt die Schwarzhalsige Kamelhalsfliege. Diese ist gerademal 8 bis 15 Millimeter groß, mit einiger Übung kann man sie am komplett schwarzen Halsschild, der besonders langen und schlanken Vorderbrust sowie einem rauchig-ockerbraunen Flügelmal von anderen Arten unterscheiden. Lange Zeit galt sie als eine der seltensten Kamelhalsfliegen, bis man erkannte, dass sich die ausgewachsenen Tiere vorwiegend in Baumkronen aufhalten. Die Larven leben räuberisch unter der Borke vor allem von Obstbäumen und Kiefern. Zu ihrer Nahrung gehören Borkenkäferlarven ebenso wie die Eier von Apfelwicklern.
Ende Texteinschub


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Kamelhalsfliege

  1. Geflecktflüglige Ameisenjungfer
  2. Perlige Florfliege
  3. Larve einer Kamelhalsfliege
  4. Larve der Dünen-Ameisenjungfer
  5. Larve der Gemeinen Florfliege

*

Quelle:
Naturschutz heute - Frühling 2022, Seite 46-47
Verlag: Naturschutz heute, 10108 Berlin
Hausanschrift: Charitéstraße 3, 10117 Berlin
Tel.: 030/284984-1958, Fax: 030/284984-3958
E-Mail: Naturschutz.heute@NABU.de
Internet: www.naturschutz-heute.de
Herausgeber: NABU, 10108 Berlin
Tel.: 030/284984-0, Fax: 030/284984-2000
E-Mail: NABU@NABU.de
Internet: www.NABU.de
 
"Naturschutz heute" ist das Mitgliedermagazin
des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) e.V.
und erscheint vierteljährlich. Für Mitglieder
ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 2. Juli 2022

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang