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JAGD/153: Bleimunition - Einziges Berliner Seeadlerweibchen ringt mit dem Tode (NABU)


Naturschutzbund Deutschland (NABU) e.V.
Pressedienst, 20. Februar - Umwelt/Vögel

NABU: Einziges Berliner Seeadlerweibchen ringt mit dem Tode

Tschimpke: Bleimunition sofort verbieten


Berlin - In der Tierklinik der FU Berlin ist es in den vergangenen Wochen zu einer drastischen Zunahme der Anzahl bleivergifteter Seeadler gekommen. Derzeit ringen das einzige Berliner Seeadlerweibchen und ein Brandenburger Seeadler mit dem Tode. Der NABU fordert vor diesem Hintergrund ein sofortiges Verbot bleihaltiger Munition. "Es ist ein Skandal, dass diese Tiere an der puren Ignoranz der Jägerschaft zu Grunde gehen müssen", sagte NABU-Präsident Olaf Tschimpke bei einem Besuch in der Tierklinik am Freitag. Es ist zu beobachten, dass seit Wintereinbruch zunehmend vergiftete Seeadler aus allen Bundesländern mit Seeadlervorkommen in die Berliner Tierklinik gebracht werden. Seit September 2008 sind 12 Tiere eingeliefert worden, bei zehn Vögeln wurde eindeutig eine Bleivergiftung festgestellt. Erst Anfang der Woche ist ein Seeadler aus Schleswig-Holstein qualvoll verendet.

Seit mehreren Jahren ist es zweifelsfrei erwiesen, dass die Bleivergiftungen beim Seeadler durch bleihaltige Teilmantelgeschosse der Jäger verursacht werden. Die Geschosse lassen in verendeten Wildtieren oder deren offen liegen gelassener Innereien nach großen Jagden Bleisplitter zurück, die von den Seeadlern mit der Nahrung aufgenommen werden. Insbesondere bei der momentanen Witterungslage müssen die Adler auf Grund der zugefrorenen Seen auf diese Nahrungsquelle zurückgreifen. Es gibt bleifreie Alternativmunition, die genauso wirksam und treffsicher wie ein bleihaltiges Geschoss ist. Zudem ist diese Munition nicht teurer als konventionelle Jagdmunition. "Wenn die Jägerschaft ihre Verzögerungstaktik zur Einführung bleifreier Munition nicht aufgibt, muss der Gesetzgeber unverzüglich eingreifen. Wir fordern Bundeslandwirtschaftsministerin Aigner auf, die sachlichen Verbote des Bundesjagdgesetzes sofort um ein Verbot bleihaltiger Jagdmunition zu ergänzen", so Tschimpke.

Das Berliner Seeadlerweibchen war am 29. Januar von einem Forstbeamten mit Anzeichen akuter Bleivergiftung im Berliner Stadtwald aufgefunden worden. Der Brandenburger Seeadler ist seit dem 16. Februar in der Klinik. Bundesweit gibt es noch rund 500 Seeadlerpaare.

"Die Verursacher sollten sich schämen, dass das deutsche Wappentier sogar auf dem Boden der Bundeshauptstadt nicht überleben kann", so Tschimpke. Der NABU selbst habe auf seinen Eigentumsflächen schon vor Jahren die Verwendung bleihaltiger Jagdmunition verboten. Die Erfahrungen bestätigen, dass es nicht den geringsten rationalen Grund gibt, nicht unverzüglich auf bleihaltige Munition zu verzichten.

Der NABU weist neben den tödlichen Folgen für Adler auf die Risiken des Verzehrs von Wildbret für den Menschen hin. Das Bundesamt Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit hat bereits 1997 und 1998 festgestellt, dass Wildschweinfleisch im Handel zum Teil erheblich mit Blei aus Bleimunition belastet ist und bis zu 10.000fach über dem zulässigen Grenzwert liegende Gehalte aufweist. Dies hat sich bei Untersuchungen im Jahr 2007 erneut bestätigt.

Ferner belegen internationale Untersuchungen, dass der Verzehr von bleihaltigem Wildbret zu schweren gesundheitlichen Schädigungen insbesondere bei Kindern führen kann.

Bilder im Internet zu finden unter www.NABU.de


Hinweise zuQuellen:

Richard L. Canfield, Ph.D., Charles R. Henderson, Jr., M.A., Deborah A. Cory-Slechta, Ph.D., Christopher Cox, Ph.D., Todd A. Jusko, B.S., and Bruce P. Lanphear, M.D., M.P.H. (2003): Intellectual Impairment in Children with Blood Lead Concentrations below 10 µg per Deciliter. The New England Journal of Medicine 348: S. 1517-1526

Richard T. Watson und Dominique Avery: Hunters and Anglers at Risk of Lead exposure in the United States.

Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL): Berichte zur Lebensmittelsicherheit 2007: S. 22 folgende


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Quelle:
NABU Pressedienst, 20.02.2009
Herausgeber:
Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Februar 2009