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RECHT/042: Letzte Ortolane sollen nicht auf Tellern landen - EU-Klage gegen Frankreich (LBV)


Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. (LBV) - Verband für Arten- und Biotopschutz

Presseinformation vom 16. Dezember 2016

Bayerns letzte Ortolane sollen nicht auf Tellern landen
LBV begrüßt die Klage der Europäischen Kommission gegen Frankreich wegen des illegalen Fangs der hochbedrohten Vogelart


Hilpoltstein, 16.12.16 - Der LBV begrüßt die Entscheidung der Europäischen Kommission, Frankreich wegen der unzureichenden Umsetzung der EU-Naturschutzrichtlinien zu verklagen. Seit vielen Jahren tolerieren die Behörden dort den illegalen Fang des Ortolans. Die Singvogelart, von der es in Bayern wohl nur noch gut 100 Brutpaare gibt, ist auch vielerorts in der restlichen EU vom Aussterben bedroht. Ein Einschreiten war für den LBV deshalb überfällig. "In Deutschland investieren wir seit Jahren intensivste Schutzbemühungen und umfangreiche Steuergelder in die Rettung der letzten Vorkommen des Ortolans. Zugleich werden in Frankreich Jahr für Jahr widerrechtlich bis zu 50.000 dieser Vögel gefangen und mit grausamen, tierschutzwidrigen Methoden für französische Feinschmecker gemästet - und die Behörden schauen tatenlos zu", kritisiert Dr. Norbert Schäffer, der Vorsitzende des LBV.


Ortolan auf einem Ast, von vorn fotografiert - Foto: © H.-J. Fünfstück

Foto: © H.-J. Fünfstück

Das letzte Vorkommen des Ortolans in ganz Süd- und Westdeutschland liegt in Bayern. Hier kommt er nur noch in Mainfranken vor, und auch dort sind seine Bestände seit den 1980er Jahren um über 70 Prozent eingebrochen. Zur Rettung der letzten Ortolane in Bayern arbeiten LBV-Mitarbeiter und zahlreiche Landwirte in einem vom LBV umgesetzten und vom Freistaat Bayern finanzierten Artenhilfsprogramm zusammen. "Unser Ziel ist es, die Ackerlandschaft aufzuwerten und wieder Strukturen zu schaffen, die neuen Lebensraum und ein besseres Nahrungsangebot für den Ortolan schaffen", sagt die Diplombiologin Dagmar Kobbeloer, Projektleiterin im bayerischen Artenhilfsprogramm für den Ortolan.

Die bisher entgegen EU-Recht von den Behörden tolerierte, traditionelle Praxis des Ortolan-Fangs im Département Landes im Südwesten Frankreichs, der jedes Jahr nach Schätzungen von Ortskennern bis zu 50.000 dieser Vögel zum Opfer fallen, läuft den Schutzbemühungen des LBV unmittelbar zuwider: "Es tut weh zu wissen, dass wir hier in Deutschland um jede Brut kämpfen, nur damit die Vögel dann auf den Tellern französischer Feinschmecker landen. Diese missachten dabei geltendes Recht und tragen somit zur endgültigen Ausrottung einer hoch bedrohten Vogelart bei", beklagt Kobbeloer.


Singendes Ortolan-Männchen auf Pflanze mit Blütenknospen - Foto: © Heinz Tuschl

Foto: © Heinz Tuschl

"Der Ortolan ist ein enger, aber sehr viel seltenerer Verwandter der bei uns weit verbreiteten Goldammer und wird gerne auch als Gartenammer bezeichnet", erklärt die Biologin. Zuhause ist er ausschließlich in der Ackerlandschaft trockener und warmer Regionen in Deutschland. Dem Ortolan machen deshalb auch die Auswirkungen einer verfehlten Agrarpolitik das Leben schwer: "Felder werden immer intensiver bewirtschaftet und Ackerraine, Hecken und Gehölze, die Rückzugsräume für gefährdete Tiere und Pflanzen bieten könnten, verschwinden. So verarmt unsere Landschaft und Kunstdünger und Pestizide tun ihr Übriges", kritisiert Kobbeloer. "Insektenfresser wie der Ortolan finden deshalb in unserer ausgeräumten und totgespritzten Feldflur keine Nahrung mehr, und viele Gelege und Jungvögel des Bodenbrüters fallen der intensiven Feldbearbeitung zum Opfer", so Dagmar Kobbeloer weiter.

Der LBV und andere Verbände haben die französischen Behörden immer wieder gedrängt, geltendes EU-Recht umzusetzen und dem illegalen Treiben ein Ende zu bereiten. Doch diese Mahnungen blieben lange ungehört. Umso mehr freuen sich die Naturschützer nun über die Entscheidung der Europäischen Kommission, Frankreich vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen. Damit wird dringend notwendiger Druck auf die französische Regierung und die Behörden des Départements Landes aufgebaut. "Die illegalen Fangstationen müssen nun geschlossen und es darf nicht länger dabei zugeschaut werden, wie illegale Machenschaften die mit Steuergeldern finanzierten Bemühungen zur Rettung des Ortolans unterlaufen", fordert Norbert Schäffer.

Dieser wichtige Schritt der EU-Kommission darf aber nicht der Letzte sein. Mindestens ebenso wichtig ist dem LBV, dass die EU schnellstmöglich die gemeinsame Agrarpolitik korrigiert: "Unsere Steuergelder dürfen nicht mehr nach dem Gießkannenprinzip an die Landwirte verteilt werden, sondern müssen an die Erbringung von Gemeinwohlleistungen im Naturschutz gekoppelt werden. Es kann nicht angehen, dass wir auf der einen Seite auch mit EU-Geldern versuchen, die völlige Verarmung unserer Agrarlandschaft und das Verschwinden von Arten wie dem Ortolan zu verhindern, und auf der anderen Seite zugleich andere Steuergelder so einsetzen, dass genau dieser Verarmung und der Zerstörung unserer Heimat und ihrer traditionellen bäuerlichen Strukturen Vorschub geleistet wird", so der LBV-Vorsitzende.

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Quelle:
Presseinformation, 16.12.2016
Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V.
Eisvogelweg 1, 91161 Hilpoltstein
Tel.: 09174/4775-30, Fax: 09174/4775-75
E-Mail: info@lbv.de
Internet: www.lbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Dezember 2016

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