NATURSCHUTZ heute - Frühjahr 2022
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.
Unverwechselbar bunt
Der Wiedehopf ist Vogel des Jahres
von Giulia Paltrinieri
VOGEL DES JAHRES 2022
DEUTSCHLANDWAHL
Während Sie dieses Heft aufschlagen, schlägt unser Vogel des Jahres gerade kräftig mit den Flügeln, denn er ist jetzt auf der Rückreise aus dem Winterquartier. Ab Anfang März zieht es den Wiedehopf aus der westlichen Mittelmeerküste ebenso wie dem Savannengürtel südlich der Sahara wieder zu uns zurück. Bis zu 8.000 Kilometer legt er zurück. Die letzten Überwinterer kommen Ende April an.
Made gefällig? - Bei der Partnersuche macht das Wiedehopf-Männchen den ersten Schritt. Es sucht eine passende Brutstätte aus, posiert rund um die Wohnung mit einem Brautgeschenk im Schnabel, etwa einer schönen, dicken Made, und hofft auf das Interesse des Weibchens. Für den Höhlenbrüter sind alte Spechthöhlen, Astlöcher in Obstbäumen und alte Schuppen der ideale Nistplatz. Auch in Steinhaufen und Holzstößen wurden schon Brutpaare beobachtet. Gern werden Nisthilfen angenommen, selbst Steinkauzröhren. Nach Möglichkeit brüten Wiedehopfe eher bodennah. Je höher die Bruthöhle liegt, desto größer ist die Konkurrenz, zum Beispiel durch Stare. Aber auch die Umgebung muss unbedingt passen: Trockenwarmes Klima und eine halboffene bis offene Landschaft, in der viele Insekten leben. Eine eher schüttere Pflanzendecke erleichtert dem Bodenjäger die Arbeit.
Bildautor: Paul Gläser - © NABU/CEWE/Paul Gläser
Immer im Kreis herum - Ist ein passender Unterschlupf gefunden, setzt sich Herr Wiedehopf auf eine Anhöhe und lässt seinen charakteristischen Ruf erklingen: Up-up-up! Dabei kann eine ganze Weile vergehen, bis ein Wiedehopf-Weibchen sein Werben erhört. In dieser Phase der Paarbindung sind die Wiedehopfe nicht nur optisch auffällig. Ihre Rufe sind markant und laut, geben der Umgebung eine akustische Prägung.
Wenn sich ein Pärchen gefunden hat, übernimmt das Männchen die Futterversorgung, während das Weibchen brütet. Mit dem langen, schmalen Schnabel stochert der Wiedehopf nach Insekten. Manchmal muss er seine Löcher breiter machen, um seine Beute zu erwischen. Dann sieht man ihn mit in den Boden gestecktem Schnabel mehrmals im Kreis laufen.
Bildautor: Thomas Hinsche - © NABU/CEWE/Thomas Hinsche
Das Weibchen verlässt in dieser Zeit nach Möglichkeit nur noch zum Kot absetzen das Versteck. Um die zwei Wochen dauert es, bis die fünf bis zehn Eier ausgebrütet sind. Wird es leise um die Wiedehopfe, ist das ein gutes Zeichen: Die Brut war erfolgreich. Schon zwölf Stunden nach dem Schlüpfen bilden die Küken den ersten Flaum des künftigen Federkleids. Dennoch brauchen sie weiter die Wärme der Mutter. Und so hudert das Weibchen seine Küken, während das Männchen weiter für die Nahrungssuche zuständig ist. Stößt ihm unterwegs etwas zu, ist die Brut verloren.
Die Reise des Wiedehopf in das Winterquartier und zurück kann bis zu 8.000 Kilometer betragen.
Geheimwaffe Bürzel - Erst wenn die Halbstarken die mütterliche Wärme nicht mehr brauchen, beteiligt sich das Weibchen an der Nahrungssuche. Ab jetzt füttern die Eltern gemeinsam. Nur wer ganz nah an einer Brutstätte ist, wird nun hin und wieder die Jungvögel leise um Futter betteln und krächzen hören.
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Info
Punker mit Irokesenschnitt
Verwechslungsgefahr besteht beim Wiedehopf kaum. Der charakteristische
Kamm, das auffällige Gefieder von der orange-braunen Kopfpartie bis zu
den breiten, schwarz-weiß gebänderten Flügeln und nicht zuletzt der
bis zu sechs Zentimeter lange, schmale Schnabel machen ihn zur
einmaligen erscheinung und zu einem der auffälligsten heimischen
Brutvögel. Die Federhaube stellt sich bei Erregung auf - das kann ihm
in Konfliktsituationen Respekt verschaffen.
Dieser Look zeigt: ich kann es mir leisten. Als Höhlen- oder
Halbhöhlenbrüter sind Wiedehopfe recht gut geschützt vor
Beutegreifern. Darin unterscheiden sie sich von Bodenbrütern, wie etwa
der Feldlerche.
Und gerät er doch mal in Bedrängnis, zum Beispiel weil die Flucht vor
einem großen Greifvogel aus der Luft nicht mehr möglich ist, zeigt der
Wiedehopf eine einmalige Überlebensstrategie: er legt sich mit
gespreizten Flügeln und Schwanz flach auf den Boden. Hals, Kopf und
Schnabel steil nach oben gerichtet und vollkommen regungslos, ist er
plötzlich viel besser getarnt als das auffällige Federkleid vermuten
lässt.
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Für die bodennahen Brüter ist dies eine sensible Phase: Nistplatzkonkurrenz, aber auch Nesträuber wie Wiesel oder Marder machen ihnen zu schaffen. Sie sind dabei jedoch nicht so wehrlos, wie man meinen könnte. Sowohl die Weibchen als auch die Küken können sich mit einer in der Vogelwelt einzigartigen Waffe verteidigen: Sie wenden ihren Bürzel in Richtung des Angreifers und versprühen ein stinkendes Sekret, das die meisten vertreibt. Einen Meter weit und bis zu vier Mal hintereinander können die Küken ihre Verteidigung verspritzen. Daher rührt auch der Ausdruck "Stinken wie ein Wiedehopf".
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Ist der Hänfling ein Insekt?
Wissen um die Vogel-des-Jahres-Wahl war bei der Quizsendung "Wer wird
Millionär?" im Dezember 64.000 Euro wert. Doch die Kandidatin beendete
ihre Runde, da sie keine sichere Antwort finden konnte auf die Frage:
mit wem konkurrierten Steinschmätzer und Bluthänfling um eine
Auszeichnung für das Jahr 2022? Dabei hätte es gereicht, zu wissen,
dass Schmätzer und Hänfling Vögel sind. Die Antwortoptionen waren:
Feldhase und Mauswiesel, Bachforelle und Neunauge sowie Hirschkäfer
und Heupferd - neben der, wie NABU-Mitglieder natürlich wissen,
richtigen: Wiedehopf und Mehlschwalbe.
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Bloß weg von zuhause - Haben die Jungvögel es trotz aller Widrigkeiten geschafft, verlassen sie nach etwa dreieinhalb Wochen das erste Mal das Nest. Sie werden noch eine kurze Zeit von den Eltern mitversorgt, bis sie sich selbstständig ernähren können. Im Jugendkleid unterscheiden sie sich kaum vom Altvogel. Nur wenige Tage nach der Selbstständigkeit verlässt der Nachwuchs das Revier der Eltern und fliegt dabei über weite Strecken - junge Wiedehopfe wurden auch schon in Finnland gesichtet - und nimmt später selbstständig Kurs auf sein Winterquartier. Die Jungvögel läuten somit den Abzug der Wiedehopfe bereits im Juli ein.
Auch im Flug bleibt der Punk unter den Vögeln ein echter Hingucker: Mit wellenförmigen, schmetterlingsartig gaukelnden Flugbewegungen erhebt er sich. Kraftvolle Flügelschläge wechseln mit Gleitphasen, in denen er mit leicht angelegten Flügeln etwas absackt. So kommt er auf bis zu 40 Stundenkilometer Reisegeschwindigkeit.
Der größte Risikofaktor für den Wiedehopf bleibt der Mensch.
Nachtflug nach Afrika - Höhepunkt für den Zug der Wiedehopfe ist Mitte August, aber auch im September und Oktober sind noch einige auf dem Weg nach Afrika unterwegs. Dabei ziehen die Vögel meistens einzeln und während der Nachtstunden. So überfliegen die Wiedehopfe die Alpen, das Mittelmeer und die Sahara in ihrer gesamten Breite. Auf diesem Weg lauert auf sie - wie auf so viele Zugvögel - die Bedrohung durch Zugvogelmord. Auch der vermeintliche Vorteil durch das wärmere Klima wird zur Herausforderung: Der Zugweg wird weiter und kräftezehrender, da die Wüsten sich ausbreiten. Und da in den Winterquartieren Gewässer zunehmend übernutzt sind und auch hier der Pestizideinsatz zunimmt, werden wichtige Nahrungsquellen knapper.
Somit bleibt der größte Risikofaktor für den Wiedehopf der Mensch. Immerhin: Ist der Zug ins Winterquartier wohlbehalten überstanden, stehen die Chancen gut, die Jungtiere im nächsten Frühjahr wiederzusehen. Instinktiv kehren sie an ihren Geburtsort zurück. Dass sie dann auch bleiben, ist aber nicht sicher. So wurden etwa von 100 beringten Vögeln aus der Nemitzer Heide im niedersächsischen Wendland in Folgejahren nur zehn wieder angetroffen. Einige weitere fanden sich 50 Kilometer südlich in der Colbitz-Letzlinger Heide in Sachsen-Anhalt.
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Der Weg zum Vogel des Jahres
(1) Der NABU NRW hat den Wiedehopf als Kandidaten vorgeschlagen. Lange
galt der Wiedehopf dort als ausgestorben. Inzwischen gab es wieder
einige Beobachtungen, und damit verbunden die Hoffnung, dass er, mit
ein wenig Hilfe, auch im bevölkerungsreichsten Bundesland wieder
heimisch werden könnte.
(2) Dann musste sich der Wiedehopf gegen andere Vorschläge
durchsetzen. Die Vorauswahl der Kandidaten trifft der Bund-Länder-Rat
des NABU, zu dem neben dem Präsidium die Landesvorsitzenden und die
Sprecher*innen der Fachausschüsse gehören. Neben dem Wiedehopf gingen
schließlich Steinschmätzer, Mehlschwalbe, Bluthänfling und
Feldsperling ins Rennen.
(3) Ab Anfang Oktober stellten sich die fünf Kandidaten der
öffentlichen Wahl. Sechs Wochen lang war das Online-Wahlbüro geöffnet.
Am 18. November war es dann so weit: mit über 31 Prozent der 142.798
abgegebenen Stimmen war der auffällige Wiedehopf klarer Sieger,
gefolgt von Mehlschwalbe, Bluthänfling, Feldsperling und
Steinschmätzer.
(4) Über den Vogel des Jahres 2023 wird übrigens bereits ab dem
14. September abgestimmt.
VOGEL DES JAHRES 2023
DEUTSCHLAND WÄHLT
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Quelle:
Naturschutz heute - Frühjahr 2022, Seite 9-11
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"Naturschutz heute" ist das Mitgliedermagazin
des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) e.V.
und erscheint vierteljährlich. Für Mitglieder
ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 9. April 2022
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