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VÖGEL/465: Wintervogelzählung. Kohlmeise ist Bayerns Vogel des Winters - Invasion aus Sibirien (LBV)


Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. (LBV) - Verband für Arten- und Biotopschutz
Presseinformation vom 20. Januar 2009

Kohlmeise ist Bayerns Vogel des Winters - Invasion aus Sibirien

Der Landesbund für Vogelschutz präsentiert die Ergebnisse der Wintervogelzählung 2009


Hilpoltstein/München. Gleich mit ihrem bayernweiten Start schlug die Beteiligung bei der Stunde der Wintervögel alle Rekorde. An 6.778 Orten, in Gärten, an Futterhäusern oder in Parks, zählten die Teilnehmer am 6.1.2009 jeweils eine Stunde lang die Vogelwelt. Sie meldeten insgesamt 272.949 Vögel. Damit ist die diesjährige Stunde der Wintervögel die größte Jedermann-Vogelzählung, die jemals in einem deutschen Bundesland stattgefunden hat. Fast 200 Beobachter konnten sich diesmal über ein besonderes Naturschauspiel freuen. Schwärme von Seidenschwänzen aus der sibirischen Taiga ließen sich in Gärten und Grünanlagen auf Vogelbeer- oder Apfelbäumen nieder und konnten dann hervorragend beobachtet werden. Die mit ihren Federhäubchen am Kopf und einem roten Wachsplättchen an den Flügeln unverkennbaren Vögel machen sich nur in extrem kalten und nahrungsarmen Wintern auf ihre mehrere tausend Kilometer weite Reise zu uns. Wenn sie aber nach Süden ziehen, dann in großen Massen, daher werden sie auch als Invasionsvögel bezeichnet. Ludwig Sothmann (1.Vorsitzender des LBV) und Dr. Irene Frey-Mann, (1. Vorsitzende des LBV München) bedanken sich herzlich bei allen Zählern: "Auswirkungen des Klimawandels auf die Vogelwelt und viele andere Phänomen lassen sich nur über groß angelegte und langjährige Zählungen erkennen. Jede einzelne Meldung und jede Zählung mehr verbessert die Aussagekraft der Ergebnisse" stellte Sothmann fest. Dr. Frey-Mann freute sich besonders, "dass 1.000 Münchner mitgemacht haben und so viele ehrenamtliche Helfer bei der Dateneingabe geholfen haben". Die Vogel-Hitparade: Die ersten Plätze bergen in der bayerischen Gesamtschau auf den ersten Blick keine Überraschungen. Die Kohlmeise, die besonders von Winterfütterung und Nistkästen profitiert, liegt auf Platz 1, dicht gefolgt vom Haussperling, dem traditionellen Vogel der Siedlungen, dahinter liegen abgeschlagen Amsel und Grünfink. Aufgrund der großen Beobachtungszahlen lassen sich aber verblüffende regionale Unterschiede in Bayern feststellen.

Z.B.:

• Unerklärlich: In ländlichen Landkreisen kann die Blaumeise die Kohlmeise fast einholen. Eine plausible Erklärung für dieses eindeutige Ergebnis konnte in einer Schnellumfrage unter bayerischen Ornithologen noch niemand liefern - hier besteht weiterer Forschungsbedarf.

• Erwartbar: Die Wärme liebende Türkentaube hat im milden Unterfranken ihre Hochburg. Der Eichelhäher schafft es in den waldreichen Bezirken Oberpfalz und Oberfranken unter die Top 10. Im Großraum München und in Schwaben bleibt er jedoch in den unteren Tabellenregionen.

• Beunruhigend: Immer dramatischer wird das schlechte Abschneiden des Spatzen (Haussperlings) in München. Während er andernorts fast überall auf Platz 1 oder 2 der Rangliste zu finden ist, erreichte er in München nur noch Platz 6 (noch schlechter als in den Vorjahren, als in München auch schon gezählt wurde). Drei Viertel der Münchner Vogelzähler bekamen gar keinen Spatzen mehr zu Gesicht. Der LBV wird dies zum Anlass nehmen, in diesem Jahr ein Hilfsprojekt für den Spatz in München zu starten.


Vogelhitparade (die 20 in Gesamtbayern am häufigsten gezählten Vögel)

Platz
Vogelart
Anzahl
Platz
Vogelart
Anzahl
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Kohlmeise
Haussperling
Amsel
Grünfink
Feldsperling
Blaumeise
Buchfink
Rotkehlchen
Türkentaube
Gimpel
38361
36522
26985
25105
23262
21093
16262
6176
5790
5554
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
Saatkrähe
Kleiber
Buntspecht
Schwanzmeise
Seidenschwanz
Eichelhäher
Elster
Rabenkrähe
Bergfink
Goldammer
5497
5379
4806
4433
4420
4315
4294
4285
4250
2827

Der sibirische Winter und ungewöhnliche Beobachtungen:

Nach zwei milden Wintern in Folge stellt der extreme Kälteeinbruch in ganz Europa für viele Vogelarten ein schwerwiegendes Problem dar. Dass nämlich unsere Vögel auch keine Wetterexperten sind, beweisen die relativ hohen Zahlen von eigentlichen Zugvögeln, die auch heuer wieder in Bayern geblieben sind. Zaunkönig (1010 Meldungen), Mönchsgrasmücke (82 Meldungen), Hausrotschwanz (209 Meldungen) und Zilpzalp (42 Meldungen) wurden in beachtlichen Mengen festgestellt. Diese eigentlichen Zugvögel tun sich in harten Wintern extrem schwer. Ihre Artgenossen, die in den Mittelmeerraum gezogen sind, haben dieses Jahr sicher die bessere Wahl getroffen. Die Zählungen der nächsten Jahre müssen ergeben, ob viele Zugvögel tatsächlich infolge der Klimaerwärmung zu "Daheimbleibern" werden oder ob die Rückschläge durch einige kalte Winter dies verhindern werden. Der Seidenschwanz (4.420 Meldungen) und die Wacholderdrossel (2.286 Meldungen) flüchteten in diesem Jahr in ungewöhnlich großer Zahl aus dem hohen Norden zu uns nach Bayern. Ein anderer typischer und normalerweise häufiger Wintergast, der Erlenzeisig, machte sich heuer dagegen rar. In Mitteleuropa fruchten in diesem Jahr die Birken besonders reichlich - dem Zeisig ist seine Lieblingsspeise damit gesichert, er muss sich nicht am Futterhäuschen mit profanen Sonnenblumenkernen zufrieden geben. Die verblüffendste Beobachtung machten wohl Wolfgang Hiller und Michael Wogh aus Tegernsee. Ein Auerhahn tat sich an einem Vogelhäuschen am Balkon an Sonnenblumenkernen gütlich. Dass es sich bei der Meldung dieses seltenen Waldbewohners nicht um einen verfrühten Aprilscherz handelte, konnten die beiden über einen Fotobeweis und "Augenzeugenberichte" belegen. Eine ähnlich interessante Meldung kommt aus Kitzingen im Maintal. Dort wurde ein zu den Papageien gehörender Halsbandsittich am Futterhaus beobachtet. Im Rheintal brütet dieser aus Käfighaltungen entflogene Vogel bereits. Die Vogelforscher des LBV warten nun schon seit einigen Jahren, dass sich dieser Vogel auch in den warmen Weinbaugebieten Unterfrankens ansiedelt.

In Marktl am Inn wurden trotz eisiger Kälte 4 Kraniche beobachtet, die man eigentlich in ihren Überwinterungsgebieten in Afrika oder Spanien erwartet hätte. Die Erstbeobachtungen von Kranichen im winterlichen Bayern hatten im vergangenen Jahr für Furore unter den Naturschützern gesorgt.


Glückliche Gewinner:
Natürlich gab es für die Teilnehmer auch etwas zu gewinnen. Den 1. Preis, ein hervorragendes Vogelbeobachtungs-Fernglas von Swarovski-Optik gewann Gerhard Ochsenkühn aus Gauting Über den 2. Preis, eine Digitalkamera von Foto-Video Sauter, darf sich Angela Roetscher aus München freuen. Weitere Zähler gewannen Geschenkgutscheine der Hofpfisterei, die in ihren Bäckereien nur Getreide aus ökologischem Anbau verwendet.

Weitere detaillierte Ergebnisse zur Stunde der Wintervögel finden sich unter www.lbv.de
Alle Teilnehmer erhalten einen Ergebnisbericht und ein Wintervogelfoto als Dankeschön zugeschickt.


*


Quelle:
Presseinformation, 20.01.2009
Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V.
Verband für Arten- und Biotopschutz
Landesgeschäftsstelle Hilpoltstein
Eisvogelweg 1, 91161 Hilpoltstein
Tel. 09174/4775-0, Fax 09174/4775-75
E-Mail: info@lbv.de
Internet: www.lbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Januar 2009