Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → FAKTEN

BILDUNG/421: 25 Jahre Ökowerk Berlin - Zentrum für Umweltbildung und Naturschutz (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 156 - Juni/Juli 2010
Die Berliner Umweltzeitung

25 Jahre Ökowerk Berlin Ein Zentrum für Umweltbildung und Naturschutz im nördlichen Grunewald

Von Hartwig Berger - 1. Vorsitzender Ökowerk


Am 1. Mai 2010 wurde das Ökowerk Berlin genau 25 Jahre alt. Wie kam es zu seiner Eröffnung?

Die späten 70er und die frühen 80er Jahre waren im damaligen Berlin (West) von vielfältigen Konflikten zwischen einer munteren Szene von Umwelt-Engagierten und der Stadtpolitik im Senat sowie in den Bezirken geprägt. Gegen ein geplantes Kraftwerk wurde mit Aktionen und einem Hüttendorf im Spandauer Forst Widerstand geleistet. Ebenso wurde gegen Autobahnen durch den Tegeler Forst, die Westtangente von Schöneberg bis an das Brandenburger Tor und weitere Autoschneisen längs der Mauer in Kreuzberg protestiert. Auch Aktionen wegen des Waldsterbens und gegen gesundheitsschädliche Kraftwerks- und Verkehrsemissionen waren an der Tagesordnung.

Die Konflikte jener Zeit stießen Lernprozesse an und führten, oft zeitverzögert, zu Veränderungen. Zudem begannen Weiterblickende sich darüber Gedanken zu machen, dass und wie das kreative Potential der Ökobewegung für die Gestaltung der Stadt förderlich sein könne. Dem verdankt auch das Ökowerk seine Entstehung. 1969 war das Wasserwerk am Teufelssee im Grunewald nach 96jähriger Betriebszeit stillgelegt worden. Im Senat erwog man einen Teil-Abriss und eine lukrative finanzielle Verwertung des Geländes. So waren eine "Erlebnisgastronomie", eine Reitsportanlage, ein Tenniscenter, ein Technikmuseum oder ein Disneyland ähnlich dem Spreepark, jeweils mit vielen zusätzlichen Parkplätzen, im Gespräch. Und aus dem Teufelssee sollte ein stündlich auftauchendes Seeungeheuer die Besucher das Gruseln lehren.

Nicht nur in der Umweltszene stieß das auf lebhafte Kritik. Der 1982 gegründete Förderverein Ökowerk setzte sich dafür ein, unter Erhaltung des alten Wasserwerks ein Zentrum für Umweltbildung und Naturschutz einzurichten und fand nach längerem Abwägen die dafür nötige Unterstützung. Freiwillige begannen mit intensiven Vorarbeiten. Teiche wurden angelegt, ein Biogarten entstand, Totholzhecken, Nistgelegenheiten und Kompostanlagen wurden errichtet. Den Startschuss gab dann ein Eröffnungsakt am 1. Mai 1985.


Bilanz nach 25 Jahren

Dem frisch aus der Taufe gehobenen Naturschutzzentrum wurden drei Arbeitsfelder auf den Weg gegeben: - Umwelterziehung, "um Verständnis für ökologische Zusammenhänge zu erreichen" - Ein Ort, der einen behutsamen Umgang mit Natur und Möglichkeiten umweltgerechten Handelns exemplarisch vorführt - Forschung und praktische Aktivitäten im Naturschutz

Hat sich das Ökowerk in diesen Aufträgen bewährt? Eine Erfolgsstory ist auf jeden Fall die Umweltbildung. Mit unseren vielfältigen Halbjahresprogrammen, die vom Imkern bis zur Vogelkunde und vom Basteln bis zur naturkundlichen Radtour reichen, erreichen wir pro Jahr rund 20.000 Interessierte. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Jugend. Wir betreuen im Jahr über 150 Schulklassen, und unsere Ferienprogramme sind immer ausgebucht.

Einen guten Stand kann das Ökowerk ebenfalls als Schaustelle für Naturschutz und Naturvorgänge vorweisen, die hier auf kleinstem Raum und trotz intensiver Nutzung des Geländes dargestellt werden. Sei es die Bienenzucht oder die Streuobstwiese, der Blüten-, Gemüse- und Giftkräutergarten, die Kräuterspirale, der Lehmbackofen oder die Ökolaube, das älteste Grasdach Berlins auf und die Thermosolaranlage an den Filterhallen, die Wildbienenwände oder die Teiche mit allem, was darin schwimmt, kreucht und fleucht: Für die fast 60.000 Besucher jährlich gibt es im Ökowerk einfach viel zu sehen, zu entdecken und zu lernen.

Vor nunmehr fünf Jahren wurde die Öko-Schaustelle mit EU-Fördermitteln um eine Dauerausstellung erweitert, die mit ihrem Titel WASSERLEBEN zielgenau umschrieben ist. In vielfältigen Modellen und Spielelementen wird dargestellt, wie Leben durch, in und mit Wasser sich historisch entwickelt hat und gegenwärtig vollzieht. Das Informationszentrum ist so aufgebaut, dass es für unterschiedliche Zielgruppen Angebote und Ansprachen bietet, vom Grundschulkind bis zur umweltpolitisch interessierten Besuchergruppe.

Auch im dritten Gründungs-Auftrag, dem praktischen Naturschutz, hat sich das Ökowerk bewährt. Seit Jahren sichern wir an Havelchaussee und Postfenn das Überleben der zum und vom Laichen wandernden Kröten, Molche und Frösche. Wir wirken am Naturschutz in der stillgelegten Sandgrube unserer Nachbarschaft mit und nutzen das interessante Areal für die praktische Umweltbildung. Wir machen Vorschläge zu Erhaltungs- und Gestaltungsmaßnahmen in ökologisch besonders wertvollen Gebieten des Grunewalds und beteiligen uns an deren Umsetzung. Wir machen bei den Renaturierungsprojekten an der Panke mit. Wir engagieren uns in den laufenden Bewilligungsverfahren für die Berliner Trinkwasserförderung in der Absicht, die Schäden für Natur und Landschaft zu minimieren beziehungsweise durch Ersatzmaßnahmen zu kompensieren. Unser wasserpolitisches Engagement verbinden wir mit regelmäßigen Fachtagungen, zu denen wir Experten und Interessierte in das Ökowerk einladen.

Diese Aktivitäten waren und sind nur möglich, weil das Ökowerk die Arbeit bezahlter Mitarbeiter mit einem ausgedehnten ehrenamtlichen Engagement aus dem Kreis seiner Freunde und seiner 650 Mitglieder verbindet. Der regelmäßige Betrieb wird mit einem knappen Dutzend fest Angestellter und einem runden Dutzend Beschäftigter aus Programmen der Arbeitsförderung und der Jugendbildung aufrechterhalten. Möglich ist er in seinem gegenwärtigen Umfang jedoch nur durch die Mitarbeit von mehr als 60 Freiwilligen und Ehrenamtlichen, von denen jede/r Zweite regelmäßig bestimmte Aufgaben wahrnimmt. Es sind im Übrigen in der großen Mehrzahl Frauen aus allen Altersstufen, die sich ehrenamtlich im Ökowerk engagieren.


Kurzer Ausblick in die Zukunft

Was sollte sich ändern, welche Aufgaben stehen dem Ökowerk in naher und mittlerer Zukunft bevor? Unser Standbein, die Umweltbildung, wird weiter an Nachfrage und Bedeutung gewinnen. Der Berliner Senat ist darauf bisher nicht eingestellt. Zum einen ist die Kapazität der wenigen Umweltbildungszentren unserer Stadt begrenzt. Zum anderen reicht es nicht, Schulklassen zu diesen Zentren zu schicken. Es muss zugleich die Aus- und Fortbildung der Lehrer so verbessert werden, dass sie selbst imstande sind, in diesem Feld Lehr- und Lernangebote zu machen. Dem Ökowerk war der Fortbildungsauftrag anfänglich durchaus mitgegeben. Aufgrund fehlender personeller Ausstattung kann er gegenwärtig jedoch nur rudimentär wahrgenommen werden.

Zudem haben sich die Koordinaten der Umweltbildung in den letzten Jahren verändert und ein Zentrum wie das Ökowerk muss dem verstärkt Rechnung tragen. Nicht von ungefähr hat die UNESCO ab dem Jahr 2005 eine Dekade der "Bildung für nachhaltige Entwicklung" ausgerufen. Einige Schulen und engagierte Lehrer tragen dem bereits Rechnung, indem sie zum Beispiel Baumpflanzaktionen von jungen Menschen unterstützen sowie Kinder zu Klimabotschaftern ausbilden, damit sie die Probleme des Klimawandels in ihren Altersstufen weiter verbreiten. Es ist interessant, sinnvoll und wichtig, zum Beispiel dem vielfältigen Leben in Teichen und anderen Gewässern nachzuspüren oder die Welt und das Wirken der Bienen kennen zu lernen. Es ist aber auch nötig, dass jung wie alt sich damit auseinandersetzen, warum sich die Qualität oder die Kapazität von Gewässern verschlechtert oder warum die Bienenwelt gefährdet ist.

Wir leben aber heute in einer gegenüber 1985 veränderten Welt. Die lokalen Umweltprobleme einer Stadt wie Berlin sind nicht gelöst, jedoch vielfach abgemildert und vor allen Dingen: Sie sind nicht existentiell und bedrohlich. Einen genau gegenläufigen Trend gibt es mit der Zuspitzung globaler Umweltprobleme, die durchaus die Zukunft unserer Zivilisation und das Überleben insbesondere in den armen Regionen der Welt in Frage stellen.

Ein Umweltzentrum muss sich, auch wenn es ganz handfest Naturschutz und erlebnisorientiert Naturwissen vor Ort betreibt, den bedrohlichen Entwicklungen der nächsten Jahrzehnte stellen. Der Aufgabe, Bildungsarbeit und praktischen Naturschutz mit globaler Ökologie und ihren Gefährdungen zu verbinden, kann sich gerade das Ökowerk nicht entziehen.


*


Quelle:
DER RABE RALF - 21. Jahrgang, Nr. 156, Juni/Juli 2010, S. 3
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de

Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: 10 Euro/halbes Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juli 2010