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BILDUNG/513: Das Konzept der Bildung für ein globales Bürgertum begreifen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 8. Januar 2015

ENTWICKLUNG: Das Konzept der Bildung für ein globales Bürgertum begreifen

Ein Kommentar von Kartikeya V. Sarabhai (*)

Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Purvivyas/cc by 3.0

Kartikeya V. Sarabhai
Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Purvivyas/cc by 3.0

Ahmedabad, Indien, 8. Januar (IPS) - Unter 'Bildung für nachhaltige Entwicklung' (ESD) sind Bemühungen zu verstehen, die Menschheit für Umweltfragen, wirtschaftliche Entwicklung und soziale Aspekte zu sensibilisieren. Seitdem 1972 in Stockholm die erste UN-Konferenz über menschliche Entwicklung stattgefunden hat, ist uns die Komplexität der Beziehungen zwischen Umweltschutz und menschlicher Entwicklung bewusster geworden.

Wir sind uns schon seit längerem darüber im Klaren, dass unser Lebensstil und die Art und Weise unserer Entwicklung einen erheblichen Einfluss auf die Umwelt nehmen. Rachel Carsons vor zehn Jahren erschienenes Buch 'Der stumme Frühling' diente vor allem in den USA, wo es verlegt wurde, als Augenöffner.

Doch die UN-Konferenz von 1976, die auf den menschlichen Lebensraum abhob, hat zu der Erkenntnis geführt, dass Entwicklung und Umwelt zwei Seiten einer Medaille sind. Als dann 20 Jahre später in Rio de Janeiro der erste Erdgipfel stattfand, herrschte bereits Einigkeit darüber, dass die Umweltzerstörung eine globale Herausforderung darstellt.

Die Biodiversitäts- und die Klimakonvention gehen auf diese Konferenz zurück. Auch wurde zunehmend deutlich, dass sich die Probleme der Staaten nicht mehr auf nationaler Ebene lösen lassen. Und dank der Erkenntnisse, die wir über den Klimawandel gewonnen haben, wissen wir, dass sich Ereignisse in einem Teil der Welt auf andere Teile auswirken.

In Rio hatte US-Präsident George W. Bush erklärt, dass der 'American Way of Life' nicht verhandelbar sei. Doch inzwischen besteht kein Zweifel daran, dass es solche Lebensweisen sind, die die Probleme verursachen. Das herkömmliche Entwicklungsparadigma zeichnet sich durch eine hohe CO2-Lastigkeit und eine extreme Verschwendung aus.

Das Konzept des ökologischen Fußabdrucks wurde von dem kanadischen Ökologen William Rees und dem Schweizer Vordenker Mathis Wackernagel an der 'University of British Columbia' entwickelt. Es bietet eine gute Möglichkeit, sich ein Bild davon zu machen, wie sich individuelles Handeln auf den Planeten auswirkt.

In der globalen Debatte wurde und wird auch heute noch gern der Eindruck vermittelt, dass sich der ökologische Fußabdruck durch politische Veränderungen oder die Einführung neuer Technologien nachhaltig verringern ließe. Doch diese Annahme ist äußerst umstritten.

Zentraler Bestandteil des Wandels sollten vielmehr Veränderungen im Umgang der Menschen mit dem Planeten sein, in der Art und Weise, wie wir Ressourcen produzieren, verbrauchen und verschwenden. Nicht nur Gesetze, sondern auch die Menschen selbst können mit dem entsprechenden Verantwortungsgefühl Verhaltensweisen ändern. Dieser Sinn für Verantwortlichkeit ist zentraler Bestandteil des Konzepts der Bürgerschaft.

Globale Bürgerschaft beinhaltet automatisch das Verständnis für eine ökologische und nachhaltige Entwicklung. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die ESD zum Stützpfeiler einer Globalen Bürgerschaftsbildung (Global Citizenship Education - GCE) wird.

Globaler Bürger zu sein, schließt Passivität grundsätzlich aus und bedeutet Beteiligung. Im Unterschied zu anderen formellen Bildungsprogrammen beinhaltet die ESD die eingebaute erforderliche Aktionskomponente. Die Abkürzung ESD steht für vier Worte, doch das kleine 'für', das mindestens genauso wichtig ist wie die übrigen drei Begriffe, wurde ausgelassen. Es setzt ein Handlungsziel ans Ende des Bildungsprozesses. Es geht nicht nur darum, das öffentliche Bewusstsein und das Wissen über die nachhaltige Entwicklung zu stärken, sondern vor allem ums Handeln, damit diese erreicht wird.

Die von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon ins Leben gerufene Initiative 'Globale Bildung zuerst' (GEFI) bezeichnet globale Bürgerschaft als eine von drei Schlüsselkompetenzen, die die Welt dringend braucht. Bei der GCE geht es darum, die Menschen zu befähigen, über den Tellerrand zu blicken und die Probleme aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten. Gespräche unterschiedlicher Akteure sind wichtige Bestandteile von GCE-Programmen. Auch wenn wir für die Vielfalt von Meinungen kämpfen, ist es nicht immer einfach, unterschiedliche Standpunkte zu verstehen und als solche stehen zu lassen.

Das Zentrum für Umweltbildung (CEE) in Ahmedabad in Indien hat mit CEE-Australien das Programm 'Globale Bürgerschaft für Nachhaltigkeit' (GCS) ins Leben gerufen, das die Zusammenarbeit von Schulkindern in unterschiedlichen Ländern zu bestimmten Umweltthemen ermöglicht.

Beispielsweise verbindet das 'Projekt 1600' acht Schulen an der Küste des westindischen Bundesstaates Gujarat mit ebenso vielen Bildungseinrichtungen an der Küste im australischen Queensland. Im Rahmen von Meeresschutzprojekten tauschen sich Kinder aus den unterschiedlichsten Gesellschaften und Ländern untereinander aus. Dabei geht es darum, ein Problem aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten.

Praktika, die Schülern ermöglichen, sich in anderen Ländern und Ökosystemen umzusehen, sind ein äußerst effektives Mittel für eine GCE. Die enormen Vernetzungsmöglichkeiten, von denen die GCE inzwischen profitieren kann, wären noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen.

Die Arbeit, die während der UN-Dekade 'Bildung für nachhaltige Entwicklung' (2005-2014) weltweit geleistet wurde, bildet quasi die Grundlage für die GCE. Instrumente, um die GCE zu messen, befinden sich wie das Konzept selbst nach wie vor in der Entwicklungsphase. Eine Arbeitsgruppe des 'Brookings Institute' hat mit der Entwicklung solcher Instrumentarien im Rahmen des Programms 'Learning Metrics Task Force 2.0' begonnen.

Nachdem die letzten Dekade für die ESD den Blick für die Bedeutung geschärft hat, die der Verantwortlichkeit für den Planeten zukommt, soll der ständige Austausch und die Stärkung des Programms weitere Einblicke in die GCE geben und den Entwicklungsprozess voranbringen. (Ende/IPS/kb/2015)

(*) Kartikeya V. Sarabhai ist der Gründer und Leiter des Zentrums für Umweltbildung mit Sitz in Ahmedabad in Indien, das über landesweit 40 Büros verfügt.


Link:
http://www.ipsnews.net/2014/12/opinion-understanding-education-for-global-citizenship/

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IPS-Tagesdienst vom 8. Januar 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Januar 2015


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