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BODEN/105: Muttererde aus Schlamm. Konditionierung schwermetallbelasteter Sedimente (UFZ-Newsletter)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Newsletter Juni 2010

Muttererde aus Schlamm

Von Doris Böhme


Freuten sich die Bauern im Alten Ägypten, wenn mit den jährlichen Überschwemmungen des Nils nährstoffreicher Schlamm auf ihre Felder gespült wurde und ihnen reiche Ernten bescherte, stellt sich heute vor allem die Frage, wie belastete Flusssedimente kostengünstig entsorgt werden können.

Normalerweise wären Flusssedimente kein Problem. Vom feinen Sand bis Geröll, als Schwebstoff, Suspension oder Feststoff werden Ablagerungen in Flüssen mit dem Wasser von der Quelle in Richtung Flussmündung transportiert und schließlich ins Meer gespült. Wäre da nicht der Mensch, der Wasser entnimmt, Abwasser einleitet und mit den unterschiedlichsten wassertechnischen Bauwerken die Ökologie und Dynamik der Flüsse verändert. Dämme, Talsperren, Kanalisierung oder Wehre behindern den Sedimenttransport. Sedimente lagern sich ab, beeinträchtigen die Funktion von Stauanlagen oder den Hochwasserschutz und müssen entfernt werden. Das ist besonders in Industriezentren oder Hafengebieten ein Problem, so auch im Elsterbecken in Leipzig.

In einem 2,5 Kilometer langen Abschnitt der Weißen Elster im Stadtgebiet Leipzig lagern etwa eine Million Kubikmeter Sediment mit einer Mächtigkeit von bis zu 2,5 Metern. Um den Hochwasserschutz der Messestadt zu gewährleisten, müssen Teile davon regelmäßig ausgebaggert werden. Doch wohin mit den tausenden Kubikmetern Schlamm, der noch dazu jede Menge Schwermetalle enthält? Etwa 1.700 t Schwermetalle, darunter 1.300 t Zink, 164 t Chrom und 9 t Cadmium, die größtenteils aus früheren bergbaulichen Aktivitäten im Westerzgebirge stammen, machen einen Großteil der Sedimente zu Sondermüll, der auf Deponien entsorgt werden muss. Das ist auf Dauer teuer und vor allem keine nachhaltige Lösung.

Auenböden demonstrieren, dass in der Natur im Laufe der Zeit aus Flusssedimenten Erde wird. Diesen Effekt haben sich Wissenschaftler am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) zunutze gemacht. Sie haben ein zweistufiges Verfahren entwickelt, bei dem im ersten Schritt schwermetallbelastete Sedimente mithilfe geeigneter Pflanzen im Zusammenspiel mit Mikroorganismen konditioniert werden. In nur einer Vegetationsperiode entsteht aus schlammig-pastösem Sediment ein krümelig-erdiges Material. Für die oberflächennahen Sedimente der Weißen Elster ist dieser Schritt bereits ausreichend. Sie enthalten kaum Schadstoffe und Schwermetalle, da der anthropogene Eintrag in den letzten 20 Jahren drastisch gesunken ist. Bei den älteren, tiefer liegenden schwermetallhaltigen Sedimenten ist ein zweiter Verfahrensschritt notwendig, bevor das gereinigte Material weiter verwertet werden kann. Auch dabei nutzen die UFZ-Wissenschaftler die Fähigkeiten von Mikroorganismen: Thiobacilli, das sind Schwefel oxidierende Bakterien, die in den Sedimenten vorkommen, können Schwefel dazu verwenden, in Sedimenten Säure zu bilden. Die Säure löst die Schwermetalle, die anschließend ausgewaschen werden können. Dieses so genannte Bioleaching kann prinzipiell auch mit schlammigem Sediment durchgeführt werden. Das ist aber viel teurer als mit dem festeren erdigen Material.

Der erste Schritt des UFZ-Gesamtverfahrens, die Sedimentkonditionierung mit Pflanzen, wird zurzeit gemeinsam vom UFZ und der BAUER Umwelt GmbH in der Bodenreinigungsanlage Hirschfeld bei Freiberg in die Praxis überführt. Gefördert wird dieses Vorhaben aus Mitteln des Freistaates Sachsen (SMWK) und der EU (EFRE) im Rahmen des Projektes "Großversuch zur Vererdung von Sedimenten des Elsterbeckens Leipzig". In einem knapp 1.200 Quadratmeter großen Behandlungsbecken werden auch verschiedene Methoden der Aussaat und Bepflanzung getestet, um das Verfahren kostengünstiger zu gestalten. So können beispielsweise durch eine spezielle Aussaatvorrichtung für nicht begehbare Flächen - sie wurde vom UFZ als Gebrauchsmuster geschützt - die Kosten für das Einbringen der Pflanzen auf etwa ein Zehntel reduziert werden. (db)

UFZ-Ansprechpartner:
Dr. Andreas Zehnsdorf
Umwelt- und Biotechnologisches Zentrum (UBZ)

Telefon: 0341/235-1850
e-mail: andreas.zehnsdorf@ufz.de


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Im Zusammenspiel geeigneter Pflanzen und Mikroorganismen kann in nur einer Vegetationsperiode aus schlammig-pastösen Sedimenten ein krümelig-erdiges Material entstehen.


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Quelle:
UFZ-Newsletter Juni 2010, Seite 11
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Juli 2010