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BODEN/117: Der Reichtum der Unterwelt (UFZ-Newsletter)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Newsletter Februar 2011

Der Reichtum der Unterwelt

Von Doris Böhme


Ein Hektar Boden beinhaltet mehr als 20 Tonnen Bakterien und Pilze. Unter einem Quadratmeter Boden verlaufen ein Kilometer Regenwurmgalerien und mehrere Tausend Kilometer Pilzfäden. Diese dunkle Welt ist artenreicher als der schönste Regenwald; sie ernährt Pflanzen, Tiere und Menschen. Sie regeneriert unser Wasser direkt und indirekt unsere Luft. Sie entgiftet unsere Ökosysteme und bietet unerschlossene Ressourcen für die Medizin und die Biotechnologie. Genügend Gründe, die unterirdische Biodiversität zu schätzen und zu schützen wie die oberirdische - und sie zu erforschen. Nach Jahrzehnten der Vernachlässigung spielt der Boden in modernen Biodiversitätsstudien inzwischen eine immer größere Rolle.

Sehr zur Freude der Wissenschaftler im UFZ-Department Bodenökologie, denn die interessieren sich für Bodenorganismen, insbesondere für Pilze, die mit Pflanzenwurzeln in Symbiose leben und so genannte Mykorrhizen bilden. Schon vor 460 Millionen Jahren kamen die ersten Pflanzen, die unsere Kontinente besiedelten, in Begleitung von Pilzen aus dem Wasser ans Land. Sie halfen den Pflanzen, die notwendigen Nährstoffe aus dem Boden zu gewinnen. Auch heute noch sind Pflanzenwurzeln ohne fremde Hilfe nicht fähig, aus den zahlreichen kleinen bis mikroskopischen Bereichen im Boden Wasser und Mineralien zu erschließen. Etwa 125.000 Pflanzenarten bilden heute gemeinsam mit Pilzen arbuskuläre Mykorrhizen. Bei dieser Symbiose dringt der Pilz in Wurzelzellen ein, gibt dort mineralische Nährstoffe (insbesondere Phosphor) an die Pflanze ab und erhält dafür im Austausch Pflanzenzucker. Da die arbuskulären Mykorrhizen die Fähigkeit besitzen, sich mit mehreren Pflanzenpartnern zu verbünden, mindern sie die Konkurrenz zwischen Pflanzenarten. So entstanden über Millionen von Jahren in unterschiedlichen Klimazonen und Höhenlagen die vielfältigsten Artengemeinschaften.

Im Rahmen eines interdisziplinären Langzeitexperimentes bei Jena haben die UFZ-Bodenökologen die Vielfalt arbuskulärer Mykorrhizapilze genauer unter die Lupe genommen. Sie konnten nachweisen, dass ein Verlust der Artenvielfalt von Pflanzen nicht nur die oberirdische Nahrungskette beeinträchtigt, sondern auch die Vielfalt und Funktion der Bodenorganismen und damit das gesamte ökosystemare Gleichgewicht. Das besondere an diesem Großexperiment ist, dass erstmals bei einer experimentellen Manipulation der Pflanzenvielfalt mehrere Hunderte von Faktoren erfasst wurden, die sowohl Mitglieder der Nahrungskette als auch den Haushalt wichtiger Stoffe wie Wasser, Kohlenstoff, Stickstoff und Phosphor charakterisieren. Ein wichtiges Augenmerk lag auch in der Analyse von Interaktionen zwischen Organismen wie etwa Bestäubung, Herbivorie, Parasitismus, Konkurrenz durch invasive Pflanzen und eben mykorrhizale Symbiosen.

"Die häufig vernachlässigten Bodenorganismen wurden in Jena endlich berücksichtigt" erklärt der Bodenökologe Prof. Dr. François Buscot vom UFZ. "Wir fanden heraus, dass die Vielfalt und die Artenzusammensetzung der Mykorrhizapilze mit der Biodiversität der Pflanzen und im Zusammenhang mit der Anwesenheit von spezifischen Pflanzengruppen wie stickstofffixierenden Arten oder Gräsern variieren". Noch vor wenigen Jahren wäre ein solcher Nachweis unmöglich gewesen. Die Vielfalt von Bodenorganismen kann nur geschätzt werden, die meisten von ihnen sind zu klein und lassen sich außerhalb der Böden nicht isolieren und h kultivieren. Aber durch den Einsatz neuer molekularbiologischer Methoden erfährt die bodenökologische Forschung einen Aufschwung und kann in Projekten wie dem Jenaexperiment nun mitwirken. Dr. Stephan König vom UFZ, dessen Doktorarbeit im Rahmen des Jenaer Grundlagenexperiments entstand, sieht in den Mykorrhizen ein großes Potenzial: "Obwohl diese Pilze, die seit über 400 Millionen Jahren auf der Erde existieren, so bedeutend sind, wissen wir t immer noch vergleichsweise wenig über sie. Diese Pilze könnten uns aber helfen, in Zukunft die Erträge in der Landwirtschaft zu steigern und damit Dünger und dessen negative Auswirkungen auf die Umwelt zu vermeiden."

UFZ-Ansprechpartner:
Prof. Dr. François Buscot
Dr. Stephan König
Dept. Bodenökologie

e-mail: francois.buscot[at]ufz.de; stephan.koenig[at]ufz.de
mehr Informationen:
www.ufz.de/index.php?de=17028
www.nature.com/nature/journal/v468/n7323/full/nature09492.html


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Eine der ältesten Symbiosen zwischen Landpflanzen und Bodenpilzen: die arbuskuläre Mykorrhiza. Dieses Modell zeigt eine Pflanzenwurzel mit Zentralzylinder (gelb) und Wurzelrinde (braun bzw. transparent). Nur die Wurzelrinde wird durch den Pilz (weiß) kolonisiert. Dort durchziehen pilzliche Hyphen die Wurzel parallel zu ihrer Längsachse. Pilzarbuskel (Arbuskel: lateinisch für "kleiner Baum") werden in der Regel so nahe am Zentralzylinder wie möglich gebildet. (Grafik: Dr. Thomas Fester, UFZ)


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Quelle:
UFZ-Newsletter Februar 2011
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Mai 2011