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EUROPA/355: Umweltverbände ziehen mit gemeinsamen Forderungen in den Wahlkampf (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2013
Holzplantage oder Ökosystem? - Wälder unter Nachfragedruck

Mit einer Stimme
Umweltverbände ziehen mit gemeinsamen Forderungen in den Europawahlkampf

Von Daniel Hiß



Bei einem Verbändeworkshop der EU-Koordination des DNR Ende November haben sich VertreterInnen der deutschen Umwelt-NGOs auf den Europawahlkampf vorbereitet und Positionen und Aktionen diskutiert.


Im Mai 2014 ist Europawahl. Und es steht viel auf dem Spiel: Mit der Zusammensetzung des neuen EU-Parlaments entscheiden die BürgerInnen auch über mehr oder weniger Europa, neue Impulse für die europäische Klima- und Energiepolitik oder die Aushöhlung der Demokratie und die Abschaffung europäischer Umwelt- und Sozialstandards durch das geplante Freihandelsabkommen mit der USA. Auch die deutschen Umweltverbände wollen sich aktiv in diese Diskussionen einbringen und bei der Wahl für ein nachhaltiges Europa werben und mobilisieren. Ende November legten sie im Rahmen des Verbändeforums des Deutschen Naturschutzrings (DNR) den Grundstein für gemeinsame Forderungen und Aktivitäten.


Europawahl: Chance und Risiko
Die kommende Europawahl findet erstmalig unter dem 2009 in Kraft getretenen Lissabon-Vertrag statt, der die Arbeitsweise der Europäischen Union regelt. Das bringt verschiedene Neuerungen mit sich. Die europäischen Parteien treten beispielsweise mit SpitzenkandiatInnen an, die gleichzeitig KanditatInnen für das Amt des Kommissionspräsidenten sind. Aber auch die Machtbefugnisse des Parlaments haben sich durch die letzten Vertragsänderungen deutlich gesteigert. Die Europäische Union prägt die Politik ihrer Mitgliedstaaten und das Parlament ist als Co-Gesetzgeber an allen Entscheidungen maßgeblich beteiligt. Das gilt insbesondere auch für die Umwelt- und Klimapolitik: 80 Prozent der Umweltgesetzgebung hat ihren Ursprung in Brüssel.

Der Grünen-Europaabgeordnete Michael Cramer betonte in seiner Keynote deshalb die Wichtigkeit der anstehenden Wahlen. Gleichzeitig warnte er aber auch vor Rechtspopulisten und Euroskeptikern, die angesichts der Euro- und Wirtschaftskrise derzeit starken Zulauf haben. In vielen EU-Mitgliedstaaten formieren sich derzeit europakritische Bündnisse. In Deutschland tritt die AfD mit einer antieuropäischen Programmatik an und hat gute Chancen, ins EU-Parlament einzuziehen. Auch weil die bislang geltende Fünf-Prozent-Hürde auf drei Prozent gesenkt wurde und vom Bundesverfassungsgericht noch ganz gekippt werden könnte (Entscheidung des BVerfG nach Redaktionsschluss).

Zusammen mit den deutschen Umweltverbänden will die EU-Koordination des DNR dagegen halten. Ja zu Europa, nein zu Umweltzerstörung und Deregulierung - das ist die eindeutige Botschaft.


Gemeinsame Kernforderungen
Mit einem gemeinsamen Positionspapier wollen die Umweltverbände gegen industrielle Landwirtschaft und Massentierhaltung mobilisieren und ambitionierte Klima- und Energieziele sowie eine wirksame Reform des europäischen Emissionshandels einfordern. In der nächsten Legislaturperiode will die EU ein neues Klima- und Energiepaket für 2030 beschließen - doch die Ziele sind so niedrig, dass ein Zusammenbruch des Emissionshandels und Stillstand beim Energiesparen und Erneuerbaren Energien vorprogrammiert sind. Die europäischen Treibhausgase müssen bis 2030 um mindestens 55 Prozent sinken, erneuerbare Energien auf 45 Prozent wachsen und der Energieverbrauch um 40 Prozent fallen. Aber auch der marode Emissionshandel muss gerettet und saniert werden, um den Klimaschutz voranzutreiben und den Ausstieg aus der Kohleverstromung zu beschleunigen.

Die Agrarwende bleibt ebenfalls ein wichtiges Thema für die Umweltverbände. Zwar sind in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) die Weichen für die kommenden sieben Jahre gestellt, der Umstieg auf eine ökologisch und bäuerlich geprägte Agrarkultur ist aber noch weit entfernt. Um von der industriellen Landwirtschaft weg zu kommen, muss die EU Massentierhaltung stoppen und das Konzept der flächengebundenen Tierhaltung einführen. Jeder Betrieb darf dann nur so viele Tiere halten, wie er auch selbst ernähren kann. Die EU muss aber auch ihre internationale Verantwortung wahrnehmen und den Hunger in der Welt bekämpfen. Hierfür muss sie von ihrer exportorientierten Agrarproduktion Abstand nehmen und 10 Prozent ihres Entwicklungsetats zur Unterstützung von Kleinbauern in Entwicklungsländern nutzen.

Die Umweltverbände sprechen sich auch klar gegen die Freihandelsabkommen mit der USA (TTIP) und Kanada (CETA) aus. Bei beiden Abkommen geht es vor allem um Deregulierung und Liberalisierung. Weder die Abschaffung ökologischer und sozialer Standards noch die Aushöhlung der Demokratie durch intransparente Verhandlungen oder geplante Investor-Staat-Schiedsgerichtbarkeiten wollen die Verbände hinnehmen.


Aktivitäten zur Wahl
Die deutschen Umwelt-NGOs werden mit umweltpolitischen Forderungen aber auch mit einer Vision für die Zukunft Europas in den Wahlkampf ziehen. Bis zur Wahl wollen sie ihre Basis mobilisieren und mit Online-Aktionen, auf Tagungen sowie in den Wahlkampfarenen für ein nachhaltiges Europa werben. Die EU-Koordination des DNR wird die Verbände-Aktivitäten mit Presseworkshops und Infomaterialien zur Wahl unterstützen. Der Verbändeworkshop hat deutlich gezeigt: Im Europawahlkampf wollen die Umweltorganisationen mit einer Stimme sprechen - für mehr Umweltschutz und für mehr Europa.


Autor Daniel Hiß ist Referent für Europafragen und Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Naturschutzring und koordiniert die Aktivitäten der EU-Koordination des DNR zur Europawahl.



DNR-Steckbrief zur Europawahl:
www.eu-koordination.de/PDF/steckbrief-europawahl
www.eu-koordination.de/ueber-uns/
arbeitsschwerpunkte/europawahlen-2014


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2013, S. 37
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Februar 2014