Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → FAKTEN


EUROPA/435: Deregulierungsziele schaden Umwelt, Klima und Menschen (DNR EU)


Deutscher Naturschutzring (DNR)
Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände e.V.
EU-Koordination

EU-News - Mittwoch, 16. Dezember 2015 / Politik & Recht

Deregulierungsziele schaden Umwelt, Klima und Menschen


Das Netzwerk Better Regulation Watchdog hat den Ersten Vizepräsidenten der EU-Kommission Frans Timmermans aufgefordert, keine Ziele für Deregulierung zu Gunsten der Wirtschaft zu setzen. Dies hatten 19 Wirtschaftsminister verlangt.

Die als Better Regulation Watchdog zusammengeschlossenen 64 europäischen Verbraucher-, Umwelt-, Entwicklungs-, Bürgerrechts- und Gesundheitsorganisationen sowie Gewerkschaften wollen gemeinsam die Rechte von Bürgerinnen und Bürgern, Arbeitnehmern und Verbrauchern vor den neuen Deregulierungsbestrebungen der EU schützen. Der Deutsche Naturschutzring gehört zu diesem Bündnis. Anfang Dezember hat das Netzwerk mit einem offenen Brief an Timmermans auf den Vorstoß von Großbritanniens Schatzkanzler Georg Osborne und weiteren 18 EU-Wirtschaftsministern reagiert, die Ziele zum Abbau von Regulierungslasten für die Wirtschaft gefordert hatten. (EU-Umweltnews [1]).

In dem Brief legt das Netzwerk dem für bessere Rechtsetzung zuständigen Timmermans dar, warum Ziele für Bürokratieabbau der falsche Weg sind. Denn globalen Herausforderungen wie dem Klimawandel, dem Kollaps von Ökosystemen oder Antibiotikaresistenzen müsse die EU mit neuen rechtlich bindenden Gesetzgebungen begegnen. Deregulierungsziele würden neue notwendige Gesetzgebungen stark erschweren.

Außerdem würde die Annahme, dass das Bürokratiesystem der EU die Wirtschaft belaste und ein Hindernis für die wirtschaftliche Entwicklung darstelle, nicht auf Beweisen beruhen. Der Nutzen von Regulierung würde die Kosten bei weitem übersteigen. So zeige eine aktuelle Studie (EU-Umweltnews) des Umweltministeriums von Großbritannien (DEFRA), dass der Nutzen für die Gesellschaft durch Umweltgesetzgebungen drei- bis zwölfmal so hoch ist wie die Kosten für Unternehmen. Außerdem würde die EU häufig 28 unterschiedliche nationale Ansätze durch einen ersetzen.

Der einseitige Fokus, Kosten für die Wirtschaft zu reduzieren, würde die innovativsten Unternehmen in Europa bestrafen und die am wenigsten wettbewerbsfähigen Unternehmen, die am meisten die Umwelt zerstören, subventionieren. Denn diese könnten Teile ihrer Produktionskosten externalisieren. Und letztendlich würde dies von den Bürgerinnen und Bürgern und Steuerzahlern finanziert werden. Das würde den Wettbewerbsvorteil der innovativsten Unternehmen unterminieren. Doch gerade Innovationen würden Europas Führungsrolle im globalen Markt stärken.

Dass einmal mehr die Politik nach den Wünschen der Wirtschaft und nicht den Bedürfnisse der Europäerinnen und Europäer ausgerichtet werden soll, würde den Europaskeptizismus weiter anheizen. Daher fordert das Netzwerk Timmermans auf, dass der Nutzen von Gesetzgebungen für die Bevölkerung stärker in dem Prozess zum Bürokratieabbau berücksichtigt werden müsse, anstatt Deregulierungsziele zu setzen.

Die Staats- und Regierungschefs diskutieren am 17. Dezember unter anderem die nächsten Schritte beim Referendum zur EU-Mitgliedschaft von Großbritannien.

Erst Anfang November hatte der britische Premier David Cameron in einer Rede seine Forderungen für den Verbleib Großbritanniens in der EU klargestellt. Unter anderem müsse die EU wettbewerbsfähig werden. Er wolle "Wettbewerbsfähigkeit in die DNA der gesamten Europäischen Union schreiben." Dies solle durch die Reduzierung der Lasten für die Wirtschaft geschehen. Vorbild für Camerons Deregulieungsagenda ist das Vereinigte Königreich. Laut einer im Oktober von der New Economic Foundation (NEF) veröffentlichten Studie schadet "bessere Rechtsetzung" in Großbritannien aber nicht nur der Umwelt und der Bevölkerung. Sie führt sogar zu einem Demokratiedefizit und schadet der Wirtschaft selbst (EU-Umweltnews [2]). [bv]


Offener Brief Better Regulation Watchdog
http://www.betterregwatch.eu/open_letter-to-fvp_timmermans-101215/

Osborne-Brief
https://www.gov.uk/government/publications/eu-better-regulation-joint-letter-to-the-european-commission

Better Regulation Watchdog

http://www.betterregwatch.eu/

[1] http://www.eu-koordination.de/umweltnews/news/politik-recht/3495-deregulierungsvorstoss-auf-kosten-von-klima-umwelt-und-menschen-

[2] http://www.eu-koordination.de/umweltnews/news/politik-recht/3399-bessere-rechtsetzung-als-bedrohung-fuer-die-demokratie

*

Quelle:
EU-News, 16.12.2015
Deutscher Naturschutzring e.V. (DNR)
EU-Koordination
Marienstraße 19-20, 10117 Berlin
E-Mail: eu-info@dnr.de
Internet: www.eu-koordination.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Dezember 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang