NABU Landesverband Bremen - 28. Juli 2016
Vom Mohr zur Möhre
Weiße Doldenblütler allerorten
(Bremen, den 28.07.16) "Große weiße Blume" ist die verbreitete Definition der Nicht-Botaniker für die verschiedenen Doldenblütler die derzeit ihre vielblütigen weißen Köpfe der Insektenwelt feilbieten. Neben giftigen Vertretern wie Schierling oder Riesenbärenklau findet man unter ihnen Gewürze wie Anis, Dill, Kerbel und Petersilie. Ebenfalls in die Küche haben es Fenchel, Sellerie und vor allem die Möhren geschafft, deren Wildform derzeit besonders reich blüht, berichtet der NABU.
Wilde Möhre
Foto: © NABU Bremen
"Die Wilde Möhre ist jetzt sehr auffällig überall am Straßenrand zu finden. Vorvergangenes Jahr muss ein gutes Möhrenjahr gewesen zu sein", spielt NABU-Geschäftsführer Sönke Hofmann auf den zweijährigen Zyklus der Pflanze an. Aus den Möhrensamen von 2014 keimten vergangenes Jahr kleine Möhrenpflanzen, die erst jetzt aus der gesammelten Kraft der bekannten Wurzel heraus zu blühen beginnen. Die Wilde Möhre ist eine der vermutlich drei Stammpflanzen unserer heutigen Möhren oder, ganz bremisch: Wurzeln. Neben der hiesigen Möhre kreuzten die Menschen schon in der Antike afghanische und mediterrane Möhren ein. Im 18. Jahrhundert enstanden schließlich die bekannten orangen Möhren, die es nach den Tomaten bis auf Platz 2 der Gemüsehitliste gebracht haben. Ihr auffälliger Farbstoff, das Carotin, ist verantwortlich für den süddeutschen Namen "Karotte".
An all diesen Farbspielen ist die Wilde Möhre kaum beteiligt, ihre Wurzel ist weiß aber dennoch genießbar. "Man sollte nur die einjährigen Möhren essen, die Wurzeln der jetzt blühenden Pflanzen sind ziemlich scharf und auch holzig", weiß Sönke Hofmann zu berichten. Als Naturschützer gesteht er dem Gewächs andere Qualitäten zu: "Die Wilde Möhre ist eine der Lieblingspflanzen der Raupen des wunderschönen Schwalbenschwanzes."
Einen pfiffigen Trick, die Blüte für Insekten noch attraktiver zu gestalten, hat die Wilde Möhre auch drauf: Die Blüte täuscht in der Mitte "künstliche Kundschaft" vor. Eine der vielen kleinen Teilblüten aus der die Dolde besteht, ist dunkellila bis schwarz und wird "Mohrenblüte" genannt. Durch sie bekam die Wilde Möhre ihren Namen. Doch wie hilft dieser kleine schwarze Punkt der Pflanze bei der erfolgreichen Vermehrung?
"Jeder kennt das Phänomen: Bleibt vor einem Schaufenster jemand interessiert stehen, bildet sich schnell eine Gruppe, die ansonsten achtlos vorüber gegangen wäre", erklärt der NABU. Die kleine dunkle Blüte wird im Vorbeifliegen als "Scheininsekt" wahrgenommen und signalisiert interessierte Kundschaft. "Gerade im Hochsommer, wenn alles blüht, ist das ein kleiner evolutiver Vorteil gegen die weiße Konkurrenz am Wegesrand", so Sönke Hofmann.
Vor und nach der Blüte rollt sich die Dolde wie ein Vogelnest zusammen. "Sie sieht dann wie eine kleine 'Rose von Jericho' aus, ein beliebtes Mitbringsel der Kreuzfahrer aus dem gelobten Land", beschreibt Sönke Hofmann. Dieses weitere typische Erkennungsmerkmal sollte vor Verwechselungen mit dem giftigen Schierling oder der Hundspetersilie schützen.
"Ein wildes Eckchen mit Brennesseln oder eben Wilden Möhren kann jeder im Garten zulassen", findet der gelernte Förster Hofmann, "die Natur bedankt sich mit bunten Schmetterlingen und einem gestärkten Garten im Gleichgewicht." Weitere Tipps rund um den giftfreien und schmetterlingsfreundlichen Garten gibt es im Garteninfopaket unter dem Stichwort "Naturgarten" für 5 Euro beim NABU, Vahrer Feldweg 185, 28309 Bremen.
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Quelle:
Pressemitteilung, 28.07.2016
Herausgeber: Naturschutzbund Deutschland
Landesverband & Stadtverband Bremen e. V.
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Tel.: 0421/33 98 77 2, Fax: 0421/33 65 99 12
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Internet: www.NABU-Bremen.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Juli 2016
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