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ALTLASTEN/012: Uranaltlasten in Sachsen und Thüringen - mehr als ein Kosten-Vergleich (Strahlentelex)


Strahlentelex mit ElektrosmogReport
Unabhängiger Informationsdienst zu Radioaktivität, Strahlung und Gesundheit
Nr. 738-739 / 31. Jahrgang, 5. Oktober 2017 - ISSN 0931-4288

Uranbergbau - Atommüll
Uranaltlasten in Sachsen und Thüringen - mehr als ein Kosten-Vergleich

Von Frank Lange(1)


Die Uranbergbau-Altlasten aus der früheren DDR sind das Resultat einer über 40 Jahre andauernden Periode des Kalten Krieges in Europa bzw. der Welt. Dieser überaus unökonomische und ungesunde Bergbau hinterließ starke Umwelt-Devastationen und weiträumige Devitalisierungen in der Landschaft und diente einzig der Sicherung eines atomaren Gleichgewichtes zwischen den politischen und militärischen Blöcken jener Zeit. Inzwischen erhielten die 1990 noch als Betriebsflächen registrierten Areale ein völlig neues Gesicht mit weitgehender Gesundung zumindest der Umwelt- und Landschaftsbestandteile. Vorher nach DDR-Standard stillgelegte, mitunter teilverwahrte radioaktive Standorte (darunter Schlammbecken, Halden, Stollen und sonstigen Objekte) holte sich dagegen meist die Natur zurück. Die massenhaften diffusen radioaktiven und/oder toxischen Ausdünstungen in Luft und Wasser verblieben jedoch auf Dauer. Im Strahlentelex 732-733 [1] wurde dargelegt, dass die Bundesregierung mit der Schaffung des Wismut-Gesetzes 1991 und der nachfolgenden Strahlenschutzgesetzgebung die eigentliche Verantwortung für diese ungleiche Entwicklung der radioaktiven Hinterlassenschaften aus dem DDR-Uranbergbau zu tragen hat, und dass die Landesregierungen sich weidlich dahinter verstecken können. Für die in Länderhoheit übergegangene Zuständigkeit für alle nicht in den Genuss einer Sanierung gekommenen UranbergbauAltstandorte gibt es keine eindeutigen und geeigneten gesetzlichen Anforderungen.

Unabhängig davon, ob die ehemaligen Uranbergbauareale nun Altstandorte oder Wismut-Eigentumsstandorte sind, gilt: Auf Grund der Analogie des Gefährdungspotentials müssten nun die Länder bereits seit über 15 Jahren das Heft des Handelns in die Hand nehmen. Die Folgen der defizitären Vorgaben führten in jedem Bundesland zu unterschiedlichen Umgang mit den Uranaltlasten. Nachfolgende Ausführungen konzentrieren sich auf einen Vergleich zwischen den Freistaaten Thüringen und Sachsen.

Statistische Verteilung der Uran-Altlasten

Das Altlastenkataster enthält tausende Objekte des ehemaligen DDR-Uranbergbaus. Eine Vorauswahl stellte radioaktive relevante Objekte in der sogenannten Kategorie "B" zusammen. Die Datenbank des Katasters (A.LAS.KA) erfasste so 820 Standorte, über die nun zuständige Länderbehörden in Richtung Sanierungsmaßnahme oder Nutzungsbeschränkung entscheiden sollten. Hinter der Anzahl 820 verbergen sich eine Gesamtfläche von 2.120 Hektar und ein Raumvolumen von 221 Millionen Kubikmetern (m³). Die Aufteilung je Bundesland enthält Abbildung 1.


Abbildung 1: prozentuale Verteilung radiologisch relevanter Uran-Altstandorte nach Anzahl, Fläche und Volumen


Der statistische Überblick lässt interessante Schlussfolgerungen zu. Das Altlastenkataster stuft von 3.810 näher betrachteten Objekten im Vergleich Sachsen - Thüringen 592 bzw. 32 mit radioaktiv begründetem Handlungsbedarf der Kategorie "B" ein. Der Bewertungsalgorithmus(2) schließt allerdings Altlaststandorte, deren bisherige (begrenzte) Untersuchung diese Relevanz verfehlte, nicht automatisch aus. Die Länder selbst sind aufgefordert, hier weitere Klarheit zu schaffen. In Sachsen schätzt man den notwendigen Aufklärungsbedarf auf rund 1.500 [2] und in Thüringen auf 83 [3] Objekte, was dort den geringsten Aufwand erwarten lässt. Abbildung 1 relativiert diese Feststellung dahingehend, dass durchaus eine flächenmäßige Brisanz und erst recht eine massenmäßige Dominanz vorliegt. Die weitgehenden technologischen Übereinstimmungen des ehemaligen Uranbergbaus in beiden Bundesländern führen zu vergleichbaren Notwendigkeiten und Lösungen an den jeweiligen Einzelstandorten.

Prioritätenvergleich Sachsen - Thüringen

In beiden Ländern besteht keine gesetzliche Notwendigkeit, die vorhandenen Uranaltstandorte einer Sanierung zu unterziehen. Trotzdem entwickelte sich eine unterschiedliche Vorgehensweise, wobei die Ergebnisse überraschend diametral ausfallen.

Sachsen: Von ehemals erfassten 1.900 ober- und unterirdischen Objekten der Altstandorte sind rund 1.500 weitergehend überprüfungswürdig; rund 1400 unterirdische und ca. 100 übertägige Objekte. Die Bewertungen in den offiziellen Berichten erfolgt seit Jahren unter der Prämisse, eine möglichst gleichwertige Behandlung aller Uranbergbauobjekte zu erreichen. Ein Beispiel zu der Herangehensweise zeigt ein Auszug aus dem Jahresbericht 1998 des sächsischen Staatsministeriums für Umwelt (SMU):

"Da die bundesdeutsche Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) kein hinreichendes Instrumentarium zur Bewältigung der radiologischen Folgen umfangreicher (uran-)bergbaulicher Tätigkeiten bereithält, wird der rechtliche Rahmen für diese Sanierungstätigkeiten im Wesentlichen von Vorschriften des fortgeltenden Rechts der DDR bestimmt, Art. 9 Einigungsvertrag (EV) regelt in Verbindung mit Anlage II, Kapitel X, II Abschnitt III Nr. 2 EV, dass die Verordnung über die Gewährleistung von Atomsicherheit und Strahlenschutz (VOAS) vom 11.10.1984 nebst Durchführungsbestimmungen zu dieser Verordnung für bergbauliche und andere Tätigkeiten, soweit dabei radioaktive Stoffe, insbesondere Radonfolgeprodukte anwesend sind, mit einer modifizierten Zuständigkeitsregelung in Kraft bleibt. Gleiches gilt für die Anordnung zur Gewährleistung des Strahlenschutzes bei Halden und industriellen Absetzanlagen und bei der Verwendung darin abgelagerter Materialien (HaldAO vom 17.1.1980). In Sachsen ist die zuständige Behörde, sofern es sich um Sanierungsmaßnahmen der Wìsmut GmbH handelt, nach der Verordnung des SMU über die Zuständigkeit zum Vollzug atom- und strahlenschutzrechtlicher Vorschriften das SMU. (...) Die ehemaligen Uranerzbergbau- und Aufbereitungsstandorte der SDAG Wismut, die vor dem 30.6.1990 an Dritte übergeben wurden, unterliegen nicht der Sanierungsverantwortung der heutigen WISMUT GmbH. Die Eigentumsverhältnisse dieser Standorte sind sehr verschieden und größtenteils ungeklärt. In der Regel wurden diese Halden und industriellen Absetzanlagen in den vergangenen Jahrzehnten von Kommunen als Hausmülldeponien oder von Industriebetrieben als Industriemülldeponien genutzt. Somit entstanden eine Reihe von Mischaltlasten, bei denen insbesondere die radiologischen und konventionellen Komponenten zusammen betrachtet werden. Ebenso sind auch Hinterlassenschaften des früheren Steinkohlen- und Erzbergbaus zu berücksichtigen, die teilweise natürliche Radionuklide enthalten." [4, S. 104 ff]

Trotz der fehlenden rechtlichen Grundlagen stellte man sich der Problematik und begann auf Grund kommunalen Drucks, in den Folgejahren mit dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) auch über die durch das Wismut-Gesetz nicht berücksichtigten sogenannten Uran-Altstandorte zu verhandeln. Vorreiter waren hier die Stadt Dresden und auch Freital, die bereits seit 1992 um die Sanierung ihrer Uranaltlasten rangen, letztlich weitgehend erfolgreich.

Im Jahre 1998 ging man noch von deutlich weniger relevanten Objekten aus: "Nach gegenwärtigem Kenntnisstand existieren im Freistaat Sachsen 170 Altstandorte, die näher betrachtet werden müssen. Darunter befinden sich u.a. 15 industrielle Absetzanlagen (IAA), 8 Aufbereitungsfabriken und zahlreiche Halden." [4, S. 109] Mit Einrichtung eines Sanierungsbeirates im September 2003 mussten bereits die Zahlen nach oben korrigiert werden. Nach einem exakten Handlungsrahmen begann nun die Vorbereitung und Umsetzung der dringendsten sächsischen Wismut-Altstandorte. Den über- und unterirdischen Verwahrmaßnahmen der DDR-Zeit trat man realistisch gegenüber: "Wiederaufforstungen profilierter Halden und einiger Betriebsanlagen (erfolgten) ohne eigentliche radiologische Bewertung der Umwelteinflüsse. Sporadisch wurden je nach auftretenden Vorkommnissen Grubenverwahrungen nachgebessert." [5, S. 8]

Thüringen: Der oben bewertete "DDR-Standard" ist heute noch thüringische Praxis. Von einer geschätzten Ausgangszahl 450 legte das zuständige Umweltministerium TMUEN etwa 83 zu überprüfende Objekte fest [3], wovon 77 tatsächlich bewertet werden; bisher sollen über 30 realisiert sein. Die Bearbeitung begann erst ab circa 2014/15, nachdem durch den Kirchlichen Umweltkreis Ronneburg seit 2006 das Altlastproblem immer wieder gezielt in Form von Veröffentlichungen [6], Petitionen [7], Anfragen [8] u.a.m. thematisiert wurde. Eine parlamentarische Anfrage über die Landtagsfraktion der Grünen im November 2010 offenbarte die Herangehensweise der Thüringer Landesregierung z.B. folgendermaßen:

"Mit den in der Vergangenheit(3) durchgeführten bergbaulichen Verwahrmaßnahmen an den Wismut-Altstandorten wurden bestehende Gefährdungen beseitigt. Sofern sich aus einer aktuell einstellenden Gefahrensituation Maßnahmen zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderlich machen, unterfallen diese den ordnungsrechtlichen Vorschriften des "Thüringer Gesetzes über die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Objekten des Altbergbaus und in unterirdischen Hohlräumen." Kostenpflichtig ist der Verhaltens- und Zustandsverantwortliche. Nur in Fällen, in denen ein Verhaltens- oder Zustandsverantwortlicher nicht in Anspruch genommen werden kann, würde eine Finanzierung im Rahmen des Haushaltstitels des Thüringer Landesbergamtes "Altbergbau" erfolgen können. Für weitergehende Maßnahmen oder eine Sanierung der Wismut-Altstandorte besteht derzeit kein Erfordernis. Es gibt dafür weder eine gesetzliche Grundlage noch eine gesetzliche Verpflichtung des Freistaats Thüringen. Zuständig für eine bundeseinheitliche gesetzliche Regelung (Strahlenschutz-Altlastengesetz) wäre der Bund. An der Verantwortlichkeit der Eigentümer für ihre Grundstücke würde sich auch mit einem solchen Gesetz voraussichtlich nichts ändern.

Sofern die Nutzung dies erfordert, haben die Eigentümer ggf. Genehmigungen einzuholen. Dazu ist in Thüringen geregelt, dass bei Einbeziehung solcher Wismut-Altstandorte in bauliche Nutzungsvorhaben die Träger öffentlicher Belange im Verfahren anzuhören sind. Dazu gehört auch das Thüringer Landesbergamt (TLBA). Damit ist sichergestellt, dass dem Planer die notwendigen Informationen bezüglich der radiologischen und bergbaulichen Situation bekannt gemacht werden. Zahlreiche in den vergangenen Jahren aus ganz Thüringen eingegangene Anfragen, aber auch erteilte Genehmigungen der Bergbehörde zu geplanten Umnutzungen sowie Sanierungsmaßnahmen, belegen einen sachgerechten Umgang mit den Wismut-Altstandorten." [8]

Die Thüringer Landesregierung hatte in den 1990er Jahren im Unterschied zu Sachsen die Bundesregierung durch Entgegennahme einer Ablösesumme von Uran-Altlasten freigestellt und diese Gelder, um es freundlich zu formulieren, im Kalibergbau "versickern" lassen. Daher verwundert die zitierte sperrige Auffassung nicht, womit man alle Verantwortung auf Dritte abzuwälzen versucht. Die bisher erteilten Auflagen des Landesbergamtes bei entsprechenden Anfragen vertrieben jeden Investor oder Interessenten einschließlich der Kommunen selbst. Nicht eine Fläche wurde saniert.

Sachsen setzt bei seinen Uran-Altstandorten, verstärkt nach positiven Verhandlungen mit dem BMWi, den Schwerpunkt eindeutig auf Sanierungsleistungen: Halden- und Flächensanierungen, Abbruch von Gebäuden und baulichen Ruinen/Resten, Sanierung kleiner, verstreuter industrieller Absetzanlagen, der Verwahrung von tagesnahen Grubenbauen und Tagesöffnungen aus der Erkundungsperiode des Uranbergbaus und die Wasserableitung von Wismut-Altstandorten.

Die den Konzepten zur Standortsanierung und Verwahrung folgenden Projekte werden im Regelfall frühzeitig mit den Kommunen abgestimmt und nach Dringlichkeit abgearbeitet. Ab 2013 kamen sogar komplexere Großprojekte hinzu. Umfang und Terminierung der Mittelbereitstellung enthält Abbildung 3.


Abbildung 3: Verlauf der Sanierungskosten zur Altstandort-Sanierung in Sachsen


Die Uranaltlasten Sachsens sind nicht besser und nicht schlechter gesichert als in Thüringen. Ihr radioaktives Potential ist gleich gefährlich aber auf Grund der bergbaulichen Praxis der 1950er bis anfang der 1960er Jahre zum Teil höher als bei den Haldenflächen der Wismut GmbH. Allerdings sind in Sachsen mehr und kleinteiligere Gebiete vorhanden, die die Objektzahl in die Höhe treiben. Besonders die vielen Erkundungsmaßnahmen über die gesamte Bergbauzeit schlagen zu Buche. In Schlema, Schneeberg und Johanngeorgenstadt kommen aufwendige sogenannte Verwahrungsbereiche in unmittelbaren Stadtgebieten hinzu. Meist handelt es sich um oberflächennahe Abbauhohlräume, deren Stabilitätsprobleme von zusätzlichen Radonaustritten begleitet sind.

In beiden Ländern muss mit Dunkelziffern insbesondere bei ehemaligen Erkundungsgebieten gerechnet werden. In Sachsen kommen gerade bei späteren Aufschlüssen der Jahre 1957 bis 1972 öfters Neuentdeckungen hinzu.

Die Zusammenstellung der Tabelle 1 berücksichtigt alle Altstandorte Sachsens und Thüringens mit tatsächlichem, relevantem Uranabbau. Die kleinen Erkundungsgebiete mit teilweise intensivem aber wenig ergiebigen untertägigen Abbau sind in ihrer Vielzahl nicht berücksichtigt. Deren Urangewinnung reichte von einigen Kilogramm bis zu wenigen Tonnen je Standort. Ebenfalls nicht enthalten sind die zahlreichen Einzelobjekte (Halden, IAA, etc.), die bereits vor 1990 aus den damals noch aktiven Bergbaugebieten ausgegliedert und bestenfalls nur teilsaniert wurden.


Tabelle 1: Altstandort mit Uranförderung


Die Wichtigkeit von Sicherungs- und Sanierungsmaßnahmen zeigt sich z.B. am Altstandort Schmiedeberg-Niederpöbel, der in Tabelle 1 als "offen" ausgewiesen ist. Hier entsteht ein Hochwasser-Rückhaltebecken mit beträchtlichem Fassungsvermögen (1,2 Millionen m³). Der gewaltige Einschnitt in die Altbergbauareale (Abbildung 2) bringt deutliche Überschreitungen von Strahlenschutzbestimmungen mit sich. Leider erreichten die konkreten Hinweise mit Messergebnissen den Umweltkreis Ronneburg anonym, so dass gegenüber verantwortlichen Behörden keine seriöse Handhabe besteht.


Abbildung 2: Großbaustelle eines Hochwasserrückhaltebeckens am Uran-Altstandort Niederpöpel


Thüringen setzt bei seinen Uran-Altstandorten dagegen, wenn überhaupt, auf Sanierung erst bei Nutzungsänderung. Und eine gesetzliche Grundlage, in der Regel das Strahlenschutzrecht, soll den Aufwand, den man von jeweiligen Eigentümern zu fordern gedenkt, begründen. So konnte bisher nicht eine Altlast saniert werden. Dabei sind enorm große, nach wie vor radioaktiv strahlende Problemhalden vorhanden, deren Sickerwässer Vorfluter und Grundwasserhaushalt schädigen. Der Sanierungsgrad aus der DDR-Zeit ist in Bezug auf Strahlungsfreisetzung und Radonausdunstung oft äußerst gering(4) und meist nicht langzeittauglich. Auch in Thüringen befinden sich, wenn auch zahlenmäßig geringer, Erkundungsobjekte und kleine IAA, von denen man eigentlich nicht (mehr) viel weiß bzw. wissen will. Im Unterschied zu den sächsischen Altanlagen wäre aber durch die deutlich bessere Überschaubarkeit eine Bewältigung einfacher und kostengünstiger. Doch selbst einfache Sicherungs- und Überwachungsmaßnahmen lehnt man unter Berufung auf fehlende gesetzliche Vorgaben ab. Das Sanierungsunternehmen des Bundes war in den vergangenen Jahrzehnten zu einem gewissen Agieren im Graubereich gezwungen. Wenn im Rahmen von Sanierungsaufgaben plötzlich bekannte, aber auch unbekannte Altstandorte den Sanierungsablauf direkt störten, kam es zur Projektwandlung in ein Wismutobjekt.

Verwaltungsabkommen mit dem Bund

Im Gegensatz zu Thüringen nahm Sachsen die Übergabe des Altlastenkatasters zum Anlass, von den 592 mit Handlungsbedarf ausgewiesenen Objekten sieben für eine gemeinsame Finanzierung mit dem Bund auszuwählen. Auf Grundlage einer Vereinbarung konnten 4,78 Millionen Euro von 2001 bis 2003 für erste aus Sicht des Landes sogenannte prioritären Altlasten in Johanngeorgenstadt und Breitenbrunn investiert werden. Im September 2003 folgte dann eine Erweiterung in Form eines Verwaltungsabkommens über 78 Millionen Euro "... ungeachtet der jeweiligen Rechtsposition" mit der Zielstellung: "... wie bei der Wismut-Sanierung Umweltschäden zu beseitigen, um für die Menschen in den betroffenen Bergbauregionen eine intakte Umwelt zu schaffen, sowie den Kommunen eine positive regionalpolitische und wirtschaftliche Entwicklung zu ermöglichen." [2, S. 60] Die Verlängerung und Aufstockung um 138 Millionen Euro sichert durch das "Ergänzende Verwaltungsabkommen vom 24.04.2013" eine Kontinuität bis 2022.

Während der Anteil der Wismut GmbH noch 2015 bis 30 Prozent Eigenleistung ausmachte, steigt der Anteil der Fremdfirmen (Bau- und Bergsicherungsfirmen, ansässige Ingenieurbüros) weiter an und stellt für die Regionen einen wichtigen Wirtschaftsfaktor dar.

Für betroffene Kommunen im Freistaat Sachsen eröffnen sich neue Perspektiven. Ist heute noch ein Nachweis von Eigentumsübertragungen der ehemaligen Bergbauflächen möglich, so besteht bei fachlichen (nicht gesetzlichen!) Erfordernissen ein Anspruch, als anerkannter Uranbergbau-Altstandort in die Dringlichkeitsliste aufgenommen zu werden. Inzwischen sind 46 Gemeinden in diesem Kreis vertreten [9]. Als aktuellstes Beispiel kann nach zweijähriger intensiver Vorarbeit die im April für 6,48 Millionen Euro Bauleistung ausgeschriebene Planung zur eigentlichen "Sanierung Collmberghalde" in Dresden-Coschütz genannt werden, deren Beauftragung bevorsteht.

Thüringen verzichtete auf ein Abkommen mit dem Bund und zieht sich auf das gesetzlich Notwendigste zurück, und da besteht nach Meinung der zuständigen Fachbehörden des TMUEN in punkto Uranaltlasten "... fachlich keine Notwendigkeit, aber auch rechtlich keine Möglichkeit ..." [10]. Inwieweit sich diese negierende Einstellung ändern kann, ist derzeit nicht absehbar und in dieser Legislaturperiode unwahrscheinlich geworden. Noch unwahrscheinlicher wird die nächste sein, da mit einer Rückkehr der Verursacher dieser Misere an die Regierung zu rechnen ist.

Die Vertreter des Kirchlichen Umweltkreises waren Teilnehmer der Unterzeichnung des Folgeabkommens am 24.4.2013 in Berlin und nutzten die Gelegenheit, anwesende Thüringer Bundestagsabgeordnete für diese Problematik zu sensibilisieren. Uns wurde geraten, eine entsprechende Petition an den Landtag zu stellen. Zwei Jahre Bemühungen bei diesem Gremium waren leider genauso vergeblich, wie mehrere Anträge an den Umweltausschuss des Thüringer Landtags. Einzig der Bundestagsabgeordnete Ralph Lenkert(5) unterstützte den Umweltkreis aktiv bei der Aufklärung von Gefährdungen durch Uranaltlasten.

Kosten der Altstandortsanierung

In Sachsen blieb es nicht bei den 1998 geschätzten 170 sanierungsrelevanten Altstandorten. Inzwischen wurden 235 Projekte realisiert und 90 weitere sind in Arbeit bzw. in direkter Planung. Von 2001 bis 2016 investierte Sachsen paritätisch mit dem Bund hierfür 144,8 Millionen Euro. Davon sind 130,3 Millionen Euro in Tabelle 1 regional zugeordnet. Die restlichen 14,5 Millionen Euro wirkten standortübergreifend, flossen aber auch in (Alt-)Standorte der Bergbaugebiete der Tabelle 2.


Tabelle 2: Sanierungskosten je Standort 1991 bis 2015 für Betriebsflächen der Wismut


Die spezifischen Kosten mit Bezug auf die ehemals geförderten Uranmengen sind im Unterschied zu den Sanierungen der Wismut-Objekte nicht sinnvoll auszuweisen. Die Angaben in Tabelle 1 stellen so momentane Orientierungen dar, die Schwerpunkte wiedergeben. Neben den abbauwirksam gewesenen Altstandorten gehen viele Mittel aus Tabelle 1 in den weitverzweigten Erkundungsbergbau, in Verwahrungsbereiche und in Bergbaubetriebe (Tabelle 2), die zwar 1990 noch aktiv waren, Teile ihrer Betriebsanlagen aber bereits abgestoßen hatten. Mit der Finanzierung aus dem Verwaltungsabkommen können nun endlich wirksame Verwahrungen realisiert bzw. fortgesetzt werden. Insofern wird der spezifische Aufwand der ordnungsgemäßen nachträglichen Sanierungen in Sachsen nicht bei 12.220 Euro pro Tonne (EUR/t) geförderten Urans verbleiben, zumal es sich in Tabelle 1 um einen Zwischenstand handelt und bis 2022 weitere Maßnahmen finanziert werden (steigt auf 18.634 EUR/t). Das spezifische Kostenniveau der Wismut-Sanierung von bisher 30.208 EUR/t wird allerdings nicht erreicht.

Das hat verschiedene Ursachen. Unter anderem sind die Projekte für Altstandorte gezielter und mehr auf das Machbare orientiert. Ein regionales Beispiel aus Tabelle 1: Annaberg-Buchholz war 1946 bis 1958 von großräumiger Uransuche betroffen, die teilweise zu intensivem untertägigen Erzabbau führte und durch 23 Tagesschächte, über 20 Tagesöffnungen und Schürfe sowie 23 Stollen eine unbekannte Zahl an Halden hinterließ, die bestenfalls "DDR-saniert" sind. Nach einer Vorbereitungsphase ab 2003 im Rahmen des Altlastprogrammes erfolgte zwischen 2007 bis 2016 die Nachverwahrung von 5 Halden und 7 ober- und unterirdischen Objekten mit einen Aufwand von vergleichsweise bescheidenen 7,2 Millionen Euro.

Die Wismut GmbH als renommiertes Sanierungsunternehmen wirkt bei der Bewältigung der Altlastprobleme in Sachsen sehr positiv. Städte wie Dresden oder Freital sind fachlich bzw. personell in der Lage, die komplexen Altstandorte "zu betreuen". Viele andere haben solche Möglichkeiten nicht. Insbesondere wenn Standorte akut zum Problem werden, sind sie schnell überfordert. Alte IAA-Becken wie in Lengenfeld oder Althalden im Stadtgebiet von Bad Schlema, die, wie im Vorjahr in der Prof. Rajewsky Straße, plötzlich akut werden und "... erhebliche Mehrfachkontaminationen" [12] offenbaren, blieben ohne die Wismut GmbH langfristig provisorisch oder ungelöst. Kosten können so ins Unermessliche steigen. Über das Verwaltungsabkommen haben Kommunen und Freistaat die finanzielle und organisatorische Möglichkeit auf die Wismut GmbH zur Koordinierung zurückzugreifen, die als eine Art "Zeitarbeitsfirma" im doppelten Sinn für derartige Dinge prädestiniert ist. Gerade dieser zeitlich befristete Effekt bleibt in Thüringen unbeachtet. Aus Sicht des Kirchlichen Umweltkreises Ronneburg ist das ein schwerer Fehler.

Nicht zu unterschätzen ist die Anwendung des Wismut-Standards bei der Bewertung der Altstandorte! Auf das sinnvolle Wirken des sächsischen Sanierungsbeirates ist ebenfalls hinzuweisen, ohne an dieser Stelle darauf tiefer eingehen zu können. Die Vielzahl der Altstandorte im beschriebenen Beispiel belegt die schwierige Prioritätensetzung.

Die spezifischen Verhältnisse in Sachsen erforderten bisher über die Hälfte der Mittel aus dem Verwaltungsabkommen für unterirdische Maßnahmen. Übertägige Bauleistungen nahmen nur bis zu 30 Prozent in Anspruch.

In Thüringen würde das Verhältnis auf Grund der Altlastverteilung deutlich umgekehrt sein. In erster Linie wären Althalden betroffen. Der Gesamtaufwand gegenüber Sachsen ist deutlich geringer. Klarheit kann eine objektkonkrete Bewertung nach sächsischem Vorbild bringen. Die speziellen Lösungsvarianten der extremen Großhalden stellen allerdings einen gewissen Unsicherheitsfaktor für die Mitteleinschätzung dar.

Die Landesregierung Thüringens meint, diese Problematik ohnehin erst bei diversen Nutzungsänderungen in fernen Zeiten und dann zu Lasten Dritter realisieren zu können [8].

Monetärer Vergleich Altstandorte und Wismut-Betriebsflächen

Im Gegensatz zu den Altstandorten ist bei den Betriebsflächen der Wismut die Ausweisung spezifischer Sanierungskosten mit Bezug auf die ursprünglichen Abbaumengen aussagekräftig, doch müssen letztlich alle Aufwendungen im Zusammenhang gebracht werden.

Tabelle 2 ordnet numerisch und Abbildung 4 grafisch den bis 1990 betriebenen Hauptabbaugebieten die bis 2015 aufgewendeten Sanierungskosten zu. Erläuternd wurden einige Hauptkennzahlen aufgenommen; die 1990 bereits aufgegliederten Althalden und -objekte sind darin nicht enthalten.


Abbildung 4: bisherige Sanierungskosten in Euro/t Uran der Bergwerke im Vergleich zur Altstandortsanierung


Dresden-Gittersee gilt für den Anteil der Wismut GmbH als abgeschlossen. Die anderen Bergbaugebiete sind in ihrem Sanierungsumfang sehr weit fortgeschritten. Die Kostenangaben im Bereich der IAA Seelingstädt nehmen noch zu. Die Sanierung soll bis 2040 rund 8,0 Milliarden Euro kosten. Auf 231.000 Tonnen geförderten Urans bezogen ergibt sich spezifisch damit eine Zunahme von derzeit 30.208 auf 34.632 EUR/t.

Abbildung 4 enthält einen Vergleich der bis 2015 aufgelaufenen Kosten zum aktuellen Weltmarktpreis des Urans.(6) Allein die Sanierungsaufwendungen verschlingen fast den heute erzielbaren Verkaufspreis (45.000 EUR/t). Die Produktionskosten sollen 1990 beim 5,5-fachen der erreichten Sanierungskosten gelegen haben, umgerechnet 190.000 EUR/t Uran.

Die spezifischen Kosten in Abbildung 4 erscheinen recht sprunghaft: Je weniger Uran bei zunehmenden räumlichen Umfang gewinnbar war, desto höher der Sanierungsaufwand. Aue-Pöhla und Gittersee hatten vergleichsweise eine geringe Uranausbeute. Die untertägige Uranlaugung in Königstein verursachte vermeintlich niedrigere Produktionskosten, erwies sich im Nachhinein dann als besonders langwieriges Sanierungsobjekt, deren Endkosten noch nicht abzusehen sind.

Unter Berücksichtigung der Sanierungskosten der Altstandorte 2001 bis 2022 von 220,8 Millionen Euro steigt der spezifische Wert weiter an; von 10.701 Euro pro Tonne geförderten Urans im Jahre 2015 auf 18.634 EUR/t U. Wie noch gezeigt wird, sind damit 50 Prozent des Altstandortbedarfes Sachsens abgedeckt. Eine Verdopplung führt zu 37.268 EUR/t U in die Relationen der Betriebsflächen (34.632 EUR/t U).

Bleibt anzumerken, dass der Bedarf für Thüringen deutlich unter dem Sachsens liegt (grob geschätzt 10 Prozent).

Gründe zur Sanierung ohne gesetzliche Verpflichtung

Weder das Wismutgesetz noch die Strahlenschutzverordnung begründen die Notwendigkeit der Sanierung der sogenannten Wismut-Altstandorte. Praktisch werden diese in Thüringen früher oder später in Vergessenheit geraten. Sachsen geht über das gesetzliche Maß hinaus und stellt sich dem Altlastproblem nach folgenden Prämissen:

  • "Die Priorität von Sanierungsprojekten ergibt sich aus einer Gesamtbewertung von fachlichen Sanierungszielen mit den damit verbundenen Effekten für die Regionalentwicklung." [11]
  • Die Regionalentwicklung muss mit den Grundsätzen der Raumordnung, des Natur- und Umweltschutzes übereinstimmen, d.h. umfassende Behördenabstimmung
  • Maßnahmen zur unmittelbaren Gefahrenabwehr haben Vorrang (Stadtgebiete)
  • ohne fachlich begründbare Sanierungsziele erfolgt keine Sanierung
  • positiv auf die Sanierungsentscheidung wirkt, wenn das Projekt mit den Investitions- oder Infrastrukturmaßnahmen der Kommunen (oder Dritter) korreliert oder selbst ein sinnvolles Nachnutzungsobjekt ergibt
  • Aufwand und Nutzen müssen ein angemessenes Verhältnis erreichen
  • Vergleich zur Wismutsanierung werden kleinere, auf den jeweiligen Nutzungsbereich abgestimmte Lösungen angestrebt
  • der Sanierungsverbund mit den Flächen nach Wismutgesetz erfordert gleichberechtigte Anwendung strahlenschutzrechtlicher und bergtechnischer Forderungen und Zielstellungen

Diese komplexe Herangehensweise führt zu außerordentlich vielfältigen Nutzungs- und Lösungsmöglichkeiten. Ein Beispiel: Die Collmberghalde in Dresden-Coschütz; 17 Hektar groß und 30 Meter mächtig. Im Umfeld der Halde liegen Kleingärten, einige Gewerbeobjekte und Wohnhäuser sowie eine Ausbildungseinrichtung und ein Hotel. Auf ursprünglich circa 230.000 Kubikmeter (m³) abgelagerter uranerzhaltiger Steinkohle aus der Abbau-Zeit 1948 bis 1953 wurden nachfolgend rund 700.000 Kubikmeter kommunaler Müll aufgeschichtet, wozu in den 1970er und 1980er Jahren noch über 1,2 Millionen m³ Kraftwerksasche kamen. 1997 sicherte die Stadt Dresden das Objekt stellenweise mit einer Abdeckschicht. Inzwischen gibt diese wieder erhöhte Strahlenwerte frei. (Abbildung 5)


Abbildung 5: Uranhaltige Steinkohle auf Collmberghalde; der Gamma-Strahlungswert betrug hier 1,14 µSv/h, Umgebungsstrahlung von 0,14 µSv/h


Seit 2015 laufen an und auf der Halde aufwendige Untertageverwahrungen. Insgesamt soll für über 7 Millionen Euro bis 2022 eine Sanierung zur Ausweisung eines Naherholungsgebietes "Stadtwald" führen. Die Stadt teilt sich die Aufwendungen mit Land und Bund (50 Prozent und 2 x 25 Prozent) auf Grundlage des Verwaltungsabkommens. Die anspruchsvolle Lösung besteht nach Abschluss der Nachverwahrung unterirdischer Räume mit Flüssigbeton ab voraussichtlich 2019 in aufwendiger (lagenweiser) Umschichtung der vorhandenen Kraftwerksasche als basische Abdeckschicht, die letztlich mit 50 Zentimeter Mutterboden abgedeckt wird. Eine Neuprofilierung ist ebenfalls geplant. Welche strahlenschutzrelevanten Belastungen rechtfertigen die grundhafte Sanierung? In weiten Teilen der zu etwa 75 Prozent mit Asche abgedeckten Halde herrscht normale Umgebungsstrahlung; im Vergleich zum regional vorhandenen Rotliegenden(7) ist sogar eine geringere festzustellen. Ansonsten steigt die Gammastrahlung bis 700 Nanosievert pro Stunde (nSv/h) an. Die alten Vorgaben der Strahlenschutzkommission legten zu Beginn der 1990er Jahre generellen Handlungsbedarf ab 1.000 nSv/h fest. Der Bewertungsmodus des Altlastenkatasters verfeinerte dies. Ab 170 nSv/h wird eine Abweichung von Normalsituationen gesehen, was nicht automatisch eine Sanierung nach sich zieht. Die Daten am Haldenstandort reichen nicht zur Überschreitung der Bevölkerungsexposition von 1 mSv/a für angrenzende Wohngebiete aus. Allerdings treten Hotspots auf, die zum Beispiel in [15] veröffentlicht sind. Daraus leiten sich für Kleingärten und Einzelstandorte durchaus strahlenschutzrelevante Komponenten ab. Unter Beachtung weiterer fachlicher Aspekte setzte die Sanierungskommission die Collmberghalde auf die aktive Projektliste. In Thüringen bleiben noch viel stärker strahlende Haldenobjekte einfach liegen und werden nach der neuen Strahlenschutzgesetzgebung ihren "Altlaststatus" sogar verlieren. In Sachsen geht man die Umweltbelastung der Uran-Althalden fachlich begründet wie folgt an:

  • radiologisch mittels Gammamessung, Radonerfassung, Messung nuklidbelasteter Stäube; Erfassung von Radionukliden im Wasserpfad
  • chemisch mittels Messung der Austräge von Schwermetallen, Salzen und sauren Sickerwässern in Grund- und Oberflächenwasser
  • hydrologisch mittels Feststellung der Veränderungen im Wasserhaushalt im Haldenumfeld
  • geomechanisch mittels Prüfung der Haldenböschungen auf Muren, Rutschungen und Stabilität
  • landschaftskulturell mittels Feststellung der Einpassung ins Landschaftsbild und der Nutzungseinschränkungen
  • Naturschutzbelange

Das sind alles Punkte, wie sie auch bei der Betriebsflächen-Sanierung der Wismut GmbH in Thüringen und Sachsen seit Jahrzehnten Anwendung fanden. Daraus ableitend werden die Sanierungsziele ausgelegt und nach den weiter oben aufgezählten Prämissen einer Entscheidung zugeführt. Und wie das Beispiel zeigte, geschieht das mit Sach-, Fach- und letztlich gesundem Menschenverstand. Wie kann auch in unmittelbarer Nachbarschaft der von 1993 bis 2012 mit rund 45,5 Millionen Euro sanierten ehemaligen Aufbereitungsanlage 95 von Dresden-Gittersee(8) eine solche Altlast belassen werden? In Thüringen wäre das kein Thema, da nach Auffassung des zuständigen Bergamtes lediglich eine "gegebene Situation" vorhanden ist.

Bei der monetären Bewertung klang an, dass aktuell der Projektträger Wismut GmbH einen weitergreifenden Aufwand der auf Hochtouren laufenden Altstandort-Sanierung über 2022 hinaus für erforderlich hält: "Im Rahmen unserer Informationspflicht als Projektträger wurde der Sanierungsbeirat darüber informiert, dass die Bearbeitung aller sanierungsnotwendigen Wismut-Altstandorte in Sachsen bis zum Jahr 2022 sowohl in zeitlicher wie auch in finanzieller Hinsicht nicht möglich ist. Da das von den Altstandorten ausgehende Gefährdungspotential für die öffentliche Sicherheit und die Umwelt nach wie vor hoch ist, besteht die Herausforderung darin, den erforderlichen Bedarf zu ermitteln und die Fortsetzung der Sanierungstätigkeit nach 2022 entsprechend vorzubereiten." [12, S. 19]

Diesen Bedarf benannte das Sanierungsunternehmen kürzlich: "Die im Jahr 2016 durchgeführte Überprüfung des Konzeptes 2007 bestätigte die bisherige Vermutung, dass die bis 2022 zur Verfügung stehenden Mittel nicht genügen, um die von Wismut-Altstandorten ausgehenden Gefährdungen zu beseitigen. Entsprechend des derzeitigen Kenntnisstandes kann nur etwa die Hälfte dieser Bergbau-Altlasten der SAG/SDAG Wismut saniert werden." Das bedeutet also eine Verdopplung der bisherigen 220 Millionen Euro. Nicht zuletzt, weil "... im Zuge von Planung und Bauausführung auch unbekannte Objekte angetroffen werden." [14, S. 82]. So etwas kann in Thüringen erst gar nicht passieren, nach dem Motto: Wer nichts macht, macht nichts falsch - oder etwa doch?

Bevölkerungseinstellung zur Altstandortsanierung

Die Sanierungsarbeiten der Wismut GmbH empfinden die Bewohner der ehemaligen Bergbaugebiete Sachsens und Ostthüringens als Normalität. In Sachs en besteht auch für die Altstandortsanierung großes Verständnis. Sicher erfordert es mitunter aufwendige Aktivitäten zur Ausräumung diverser Schwierigkeiten bei direkt Beteiligten. Dafür sind die Eigentumsverhältnisse nach den Jahrzehnten der verschiedenartigen Nutzung zu komplex. Im Beispiel der "Collmberghalde" hat zwar die Stadt Dresden die Verfügungsgewalt, jedoch nicht flächendeckend. Neben einer Gartenkolonie und Gaststätte/Hotel gilt es weitere private und gesellschaftliche Eigentümer einzubinden, die mit entsprechenden Vereinbarungen zu gewinnen sind. Eine für die Beteiligten zufriedenstellende und vor allen kostenfreie Nachnutzung erwies sich als einzig sinnvolle Lösung. Letztlich steht die Bevölkerung hinter den Maßnahmen, die sie als Einheit wahrnimmt, ohne in Wismut-Sanierungsstandorte oder -Altstandorte zu trennen.


Abbildung 6: Sachgebietsleiter des Umweltamtes erklärt die Collmberghalde. Die bodennahe Radon-Belastung liegt in diesem Halden-Bereich bei 112 Bq/m³!

In Thüringen ist eine andere Situation entstanden. Abgesehen von den noch lebenden ehemals Beschäftigten des Wismut-Bergbaus herrscht in der Bevölkerung auf Grund von Unkenntnis eher eine Gleichgültigkeit vor, gegenüber Uranaltstandorten sogar Ablehnung. Bürger und Anwohner fragen sich: Wieso sollten nach so vielen Jahren der Sanierung plötzlich gefährliche Standorte übriggeblieben sein? Die jahrelange Leugnungs- und Verdrängungstaktik der Landesregierung trägt Früchte. Selbst Kommunen, wie das Beispiel Dittrichshütte [13] zeigte, verdrängen jedes Umweltbewusstsein und lassen den Dingen ihren Lauf. Nun: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Fazit

1. Die umfangreichen Recherchen des Kirchlichen Umweltkreises Ronneburg in Sachsen bestätigten nachdrücklich die Nichteignung der Strahlenschutzgesetzgebung für die Sanierung von Uranbergbau-Altlasten. Selbst extrem kontaminierten Standorten mit Tailings etc. billigt diese bis heute und leider auch künftig keine Sanierung zu, da sich keine Notwendigkeiten ableiten lassen: "Obwohl zum Zeitpunkt der Untersuchungen Anfang der 90er Jahre, beinahe entgegen allen Erwartungen, keine akute und direkte Gefährdung der Bewohner in den angrenzenden Siedlungsbereichen bestand, konnte der Zustand des Untersuchungsgebietes nicht einfach belassen werden. (...) So wäre der Standort zu einer großräumigen, stark belasteten Industriebrache verkommen (...) Zudem wäre es längerfristig zur Belastung des Grund- und Oberflächenwassers sowie der angrenzenden Böden gekommen. Damit bestand letztendlich die Gefahr, dass weit mehr Menschen als die Bewohner angrenzender Siedlungsbereiche von den Schadstoffen betroffen werden. Eine Sanierung des Areals war somit unbedingt notwendig." [16, S. 14]

2. Überrascht nahmen wir den Umfang der Schwierigkeiten zur Kenntnis, denen sich die Kommunen im Kampf um die Sanierung von Uran-Altstandorten stellen mussten. Das permanente Ringen mit Treuhand, Bodenverwertungs/verwaltungs-Gesellschaft, Eigentümern, verschiedensten Behörden Bund/Land, vielfältigen Voruntersuchungen, Projektstufen, Altlastbewertungen, Sicherungskonzepten, Sanierungsstrategien/-konzepten/-plänen, städtebaulichen/landschaftlichen Rahmenplänen und anderes mehr, das alles lag vor dem Zustandekommen des Verwaltungsabkommens auf den Schultern der Kommunen auch in Sachsen. Die Komplexität und vielfältige Bedeutung von Sicherungsoder Sanierungsvorhaben erforderten fachliche, personelle, verwaltungstechnische und auch noch spezifische Strategien, die nur die wenigsten umsetzen konnten. Die kommunalen Eigeninitiativen, zum Beispiel des Umweltamtes Dresden und anderer schufen letztlich die Voraussetzungen für Kompromisslösungen zwischen Bund und Freistaat. Vieles blieb dabei auf der Strecke, aber im Vergleich zu Thüringen - eine sächsische Erfolgsgeschichte!


Anmerkungen

(1) Dipl.-Ing. Frank Lange, Kirchlicher Umweltkreis Ronneburg,
franklange44[at]web.de

(2) vergl. hierzu Frank Lange: Unsanierte Altlasten stellen die erfolgreiche Revitalisierung der Uranbergbauregion in Ostthüringen in Frage, Strahlentelex 546-547 v. 1.10.2009, S. 1-7,
www.strahlentelex.de/Stx_09_546_S01-07.pdf

(3) Gemeint sind Verwahrmaßnahmen der DDR in den 1960er und 1970er Jahren.

(4) Äußerst gering heißt hier, dass der angestrebte natürliche Hintergrund deutlich verfehlt wird.

(5) Ralph Lenkert ist Bundestagsabgeordneter der Linken aus Jena, u.a. Mitglied im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.

(6) Durchschnittspreis der letzten 12 Monate in Höhe von 22,5 US-Dollar pro Pfund U308 auf 45.000 EUR/t umgerechnet.

(7) Gestein der unteren Abteilung der Permischen Formation

(8) Diese Anlage ist ebenfalls ein Uran-Altstandort. Projektträger und Organisator der Sanierung war die Stadt Dresden selbst!


Literatur

1. Frank Lange: Bleibende Uranaltlasten, Strahlentelex 732-33 v. 6.7.2017,
www.strahlentelex.de/Stx_17_732-733_S01-06.pdf

2. DIALOG 90, Sonderausgabe zu 25 Jahre Wismut GmbH, Juni 2016

3. "Objektliste Wismut-Altstandorte für radiologische Neubewertung" TMUEN 2015

4. Umweltbericht 1998 des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt

5. Dr. Rudolph Dänicke: "Die Wismut im Zeitraum von 350 Jahren Johanngeorgenstadt", DIALOG 40/ 2004 S. 8

6. Frank Lange: Strahlentelex Nr. 544-545 v. 03.09.2009, S. 5,
www.strahlentelex.de/Stx_09_544_S05.pdf,
Nr. 546-547 v. 01.10.2009, S. 1-7,
www.strahlentelex.de/Stx_09_546_S01-07.pdf
Nr. 560-561 v. 06.05.2010, S. 10-13,
www.strahlentelex.de/Stx_10_560_S10-13.pdf
Nr. 570-571 v. 07.10.2010, S. 1-9,
www.strahlentelex.de/Stx_10_570_S01-09.pdf
Nr. 594-595 v. 06.10.2011, S. 7-14,
www.strahlentelex.de/Stx_11_594_S07-14.pdf

7. Frank Lange: Unsanierte Altlasten des Uranbergbaus machen in Thüringen positive Ergebnisse sanierter Wismut-Flächen zunichte, Strahlentelex 610-611 v. 07.06.2012, S. 7,
www.strahlentelex.de/Stx_12_610_S07.pdf

8. Antwort der Landesregierung auf eine Anfrage der Grünen "Der Uranbergbau in der DDR und seine Folgen - Sanierung der Wismut-Altstandorte in Thüringen"; Drucksache 17/5766 v. 21.6.2011

9. Tätigkeitsbericht 2015 zur Sanierung sächsischer Wismut-Altstandorte, Wismut GmbH 2016

10. Thüringer Landeszeitung TLZ vom 31.03.2016, S. 16: Christiane Kneisel "Still ruht der Teich?"

11. DIALOG 39/2003 Beschluss des Sanierungsbeirates vom 15.10.2003 zu Grundsätzen der Prioritätensetzung

12. DIALOG 94 - 04/2017, Manfred Speer "Sanierung der Wismut-Altstandorte im Jahr 2016"

13. Frank Lange: Thüringen erhält sich den Ewigkeitscharakter seiner Uranbergbaualtlasten, Strahlentelex 702-703 v. 07.04.16, S. 2-6,
www.strahlentelex.de/Stx_16_702-703_S02-06.pdf

14. "15 Jahre Sanierung sächsischer Wismut-Altstandorte", Wismut GmbH, Juni 2017

15. www.wismut.de/de/altstandorte_projekte

16. "Glück Auf Dresden", Landeshauptstadt Dresden, Umweltamt; Sandstein Verlag Dresden 2015


Fotonachweis Abb. 2: © Kirchlicher Umweltkreis Ronneburg - Dieter Barth

Fotonachweis Abb. 5 und 6: © Kirchlicher Umweltkreis Ronneburg - Henry Patz


Der Artikel ist auf der Website des Strahlentelex zu finden unter
www.strahlentelex.de/Stx_17_738-739_S07-14.pdf

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Quelle:
Strahlentelex mit ElektrosmogReport, Oktober 2017, Seite 7 - 14
Herausgeber und Verlag: Thomas Dersee, Strahlentelex
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Internet: www.strahlentelex.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Januar 2018

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