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LUFT/448: Treibhausgase aus Waldböden (idw)


Karlsruher Institut für Technologie - 12.04.2011

Treibhausgase aus Waldböden


Reaktive Stickstoffverbindungen aus Landwirtschaft, Verkehr und Industrie führen zu erhöhten Emissionen des Treibhausgases Lachgas (N2O) aus den Wäldern Europas. Die Lachgasemission aus dem Waldboden ist mindestens doppelt so hoch wie der Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) bisher angenommen hatte. Das ist eine der Kernbotschaften des ersten Gutachtens zu Stickstoff in Europa (European Nitrogen Assessment, ENA), das diese Woche im Rahmen der Internationalen Konferenz "Nitrogen and Global Change 2011" in Edinburgh, Schottland, vorgestellt wird.

Die hauptsächlich vom Menschen verursachten reaktiven Stickstoffverbindungen (z.B. NH3 und NOx) werden nach ihrem Eintrag über die Luft in den Wäldern teilweise zu Lachgas (N2O) umgewandelt. Lachgas gehört nach Kohlendioxid und Methan zu den Hauptverursachern des Treibhauseffekts. Dabei ist ein Kilogramm Lachgas rund 300 Mal treibhauswirksamer als die gleiche Menge Kohlendioxid.

Das nun vorliegende ENA-Gutachten, an dem mehr als 200 Experten aus 21 Ländern aus Wissenschaft und Politik und 89 Organisationen mitgewirkt haben, besagt, dass die Auswirkungen von Einträgen von reaktivem Stickstoff aus der Luft in die Wälder Europas bisher deutlich unterschätzt wurden. Die Studie zeigt, dass etwa 2 bis 6 Prozent des reaktiven Stickstoffs aus der Luft in Lachgas umgewandelt werden, das aus dem Waldboden wieder in die Atmosphäre aufsteigt. Der Weltklimarat (IPCC) war bisher von einer Menge von nur etwa 1 Prozent ausgegangen.

Bezogen auf eine Waldfläche von 188 Mio. Hektar hat sich der Eintrag reaktiven Stickstoffs im Vergleich zum Jahr 1860 im Jahr 2000 um 1,5 Mio. Tonnen erhöht. Dies bedeutet eine Steigerung von etwa 8 Kilogramm reaktiven Stickstoff pro Hektar Wald.

Die Ursache für den gestiegenen atmosphärischen Eintrag von reaktivem Stickstoff sind zum einen die landwirtschaftliche Düngung und damit verbundene Ammoniak-Emmissionen, zum anderen die Stickoxid-Emissionen durch Verbrennung fossiler Energieträger, aber auch die Biomasseverbrennung.

Die Konsequenzen der chronisch erhöhten Einträge von reaktivem Stickstoff in Wälder sind neben den klimaschädlichen Lachgasemissionen aus den Waldböden unter anderem auch eine Veränderung der Artenvielfalt bei Pflanzen und Tieren und erhöhte Nitratausträge ins Wasser.

Bei der Vorstellung dieses Teils des ENA-Gutachtens in Edinburgh betonte Professor Klaus Butterbach-Bahl: "Der atmosphärische Eintrag von reaktivem Stickstoff ist bei weitem zu hoch. Unsere Analyse zeigt, dass gravierende Reduktionen - besonders der Ammoniakemissionen aus der Landwirtschaft - erforderlich sind, um die Lachgasemissionen aus Waldböden zu reduzieren."

Klaus Butterbach-Bahl ist Professor am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Er leitet den Bereich "Atmosphärische Umweltforschung" des Instituts für Meteorologie und Klimaforschung (IMK-IFU) und ist Leitautor des ENA-Kapitels Nr. 19 zu reaktivem Stickstoff als Gefahr für die EU-Treibhausbilanz ("Nitrogen as a threat to the European greenhouse balance").

Die ENA Studie ist das erste Gutachten, das die vielfältigen Gefahren durch zu hohe Stickstoffeinträge mit ihren ökölogischen und ökonomischen Auswirkungen im gesamteuropäischen Kontext beschreibt, vor allem den Beitrag zum Klimawandel und zum Rückgang der Artenvielfalt. Die ENA Studie beschreibt zudem, welche Regionen in Europa besonders gefährdet sind und durch welche Maßnahmen die Risiken verringert werden können, um die Umwelt und die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen.

Das ENA-Gutachten wurde für die UN-Kommission für Luftreinhaltung ('Air Convention' of the United Nations Economic Commission for Europe) erstellt und durch die Europäische Kommission und die Europäische Wissenschaftsstiftung finanziert.

Zeitgleich mit der Vorstellung des ENA-Gutachtens publiziert die Zeitschrift Nature am 11. April einen Kommentar des leitenden Editors Dr. Mark Sutton vom Centre for Ecology & Hydrology, Grossbritannien. Dieser Kommentar zeigt auf, warum die Verminderung von Stickstoffemissionen eines der zentralen Umweltherausforderungen des einundzwanzigsten Jahrhunderts ist. Dr. Sutton betont: "Dies ist ein herausragendes Ergebnis. Es zeigt, dass Stickstoffemissionen durch die Industrie und die Landwirtschaft in die Atmosphäre wesentlich größere Auswirkungen auf Lachgasemissionen aus Böden haben als bisher angenommen. Dieses Ergebnis liefert zusätzliche Argumente für die Rückführung der Emissionen von Stickstoffoxiden und Ammoniak, was entsprechend positive Auswirkungen für Klima, Luftqualität und Biodiversität hätte." (Nature 472, Seiten 159-161, 14. April, 2011)


Das ENA-Gutachten wird am 11. April, dem ersten Tag der Konferenz "Nitrogen and Global Change 2011" in Edinburgh (11. bis 15. April 2011) vorgestellt. http://www.nitrogen2011.org/webfm_send/42. Für die Teilnahme am Kongress kontaktieren Sie bitte Barnaby Smith bpgs@ceh.ac.uk .

Das komplette Gutachten ist auf der Webseite "Nitrogen in Europe" verfügbar: http://www.nine-esf.org/ (Klick auf ENA press linkes Menü). Dort haben Sie Zugang zu den einzelnen Kapiteln der Studie.

Die ENA-Studie wird veröffentlicht in: Cambridge University Press www.cambridge.org/9781107006126.

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Kontakt:

Barnaby Smith
Centre for Ecology & Hydrology
Tel.: + 44 (0) 7920 295 384
E-Mail: bpgs@ceh.ac.uk

Monika Landgraf
Karlsruher Institut für Technologie
Tel: +48 (0) 721 608 47414
E-Mail: presse@kit.edu

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter der WWW-Adresse:
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Die Waldböden emittieren klimaschädliches Lachgas. Die Ursache sind reaktive Stickstoffverbindungen aus Industrie und Landwirtschaft. (Foto: KIT)

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Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder erhalten Sie unter: http://idw-online.de/de/news417900

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter: http://idw-online.de/de/institution1173


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Karlsruher Institut für Technologie, Monika Landgraf, 12.04.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. April 2011