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POLITIK/1059: Minister Röttgen zum Haushaltsgesetz 2012, 22.11.2011 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Rede des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Dr. Norbert Röttgen, zum Haushaltsgesetz 2012 vor dem Deutschen Bundestag am 22. November 2011 in Berlin:


Herr Präsident!
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen!

Auch ich möchte mich zunächst für die gute und konstruktive Zusammenarbeit bei Herrn Leutert, bei Herrn Beckmeyer, bei Herrn Kindler, bei Bernhard Schulte-Drüggelte und bei Herrn Thomae bedanken. Das ist eine gute, eine unterstützende Zusammenarbeit. Dass man hier auch Unterschiede darstellt, ist völlig in Ordnung, aber es gibt eben eine ganz konstruktive und sachliche Zusammenarbeit. Ich möchte mich dafür ehrlich bedanken, weil sie der Sache dient. Herzlichen Dank für die gute Kooperation an alle, an Opposition und Koalition in gleicher Weise!

Es ist schon vielfach die Energiewende als das herausragende Thema dieser Legislaturperiode angesprochen worden. Bis auf eine Fraktion ist sie von allen Fraktionen hier beschlossen worden. Es gibt aber noch andere Themen. Ich glaube, dass wir gemeinsam darauf achten sollten, dass auch der klassische Naturschutz und andere Themen in der Öffentlichkeit vorkommen. Die Biodiversität ist ebenfalls ein herausragendes Thema. Wir hatten gerade eine große Konferenz in Bonn zum Zusammenhang von Wasser, Ernährung und Energie. Also, es gibt auch noch andere Themen.

Weil wir aufeinander eingehen wollen, miteinander reden wollen, möchte ich natürlich auch auf die Energiewende als das ganz sicher herausragende umweltpolitische Thema dieser Legislaturperiode eingehen.

Herr Miersch, ich wollte Ihnen eigentlich ersparen, das Thema noch einmal in Erinnerung zu rufen; aber irgendwie zieht diese Peinlichkeit Sie immer an. Sie haben gesagt, Sie haben den Ausstieg, der Teil der Energiewende ist - es gibt einen Ausstieg und einen Einstieg -, durch Verträge mit den Energieversorgungsunternehmen beschlossen. Gerade darin besteht der Unterschied. Die Energiewende ist hier im Parlament durchgesetzt und beschlossen worden, und hier gehörte sie auch hin. Rot und Grün, Ihre beiden Fraktionen, haben einen Vertrag über den Ausstieg geschlossen, und das wird Sie immer begleiten. Das gehört ins Parlament; hier ist es beschlossen worden, und das ist auch richtig.

Ich will auf die weiteren Peinlichkeiten der vertraglichen Regelungen hier nicht weiter eingehen. Ich habe sie schon mehrfach erwähnt. Sie können gern immer wieder darauf zu sprechen kommen. Ich werde immer wieder darauf hinweisen, dass diese Energiewende im Parlament beschlossen worden ist. Die rot-grüne Energiewende ist durch einen Vertrag mit Betroffenen beschlossen worden.

Es mag ja sein, Herr Kelber, dass Sie sich immer noch damit beschäftigen. Sie können auch gerne noch längere Zeit in der Vergangenheit leben. Wir leben in der Gegenwart und für die Zukunft. Wir haben hier einen Ausstieg beschlossen. Es mag Ihnen schwerfallen, das zu akzeptieren. Wir haben diesen Ausstieg in einem anderen Verfahren beschlossen, eben nicht durch Vertrag, sondern durch Gesetz. Wir haben ihn auch erstmalig terminiert. Wir sind da übrigens weiter, als Sie jemals waren, auch was den Einstieg anbelangt. Damit haben Sie Probleme. Ihnen geht ein Thema verloren, wenn ich mir erlauben darf, das zu sagen. Ich suche immer: Wo ist eigentlich der Vorschlag der Opposition? Hat sie überhaupt eine Idee? Gibt es da auch eine Gestaltungsinitiative oder irgendetwas? Sie sind - eigentlich zu meinem Bedauern; das muss ich wirklich sagen - umwelt- und energiepolitisch ziemlich blank, meine Damen und Herren von der Opposition. Sie sollten vielleicht auch ein bisschen an die Gestaltung denken.

Ich will Ihnen einen zweiten Unterschied zwischen unserer Energiewende und Ihrem Ausstieg darstellen. Dieser besteht in dem hier schon angesprochenen Thema des neuen nationalen Konsenses in Bezug auf die Endlagersuche. Wahrscheinlich ist Ihnen entgangen, dass ich vor zwei Wochen die Länder eingeladen habe und wir zusammengesessen haben. Das war übrigens das erste Zusammentreffen von Ländern und Bund seit über 30 Jahren. Das ist die Wirklichkeit.

Sie haben - das ist das zweite große Versagen, das Sie lange begleiten wird - parallel zu Ihrem Ausstieg ein Moratorium für die Erkundung beschlossen. Sie haben dezidiert gesagt: Wir suchen nicht nach einem Endlager. Wir verweigern uns der Aufgabe, strahlenden, hochradioaktiven Müll für Hunderttausende Jahre sicher zu entsorgen. Das schieben wir der nächsten Generation vor die Füße, weil es unbequem ist. - Das ist ein weiterer großer Unterschied zwischen unserer Energiewende und Ihrem Ausstieg. Sie haben sich weggeduckt, weil Ihnen die Aufgabe zu schwer war.

Wir haben gemeinsam - Bund und Länder - etwas erreicht. Es sind dadurch also alle Parteien beteiligt, auch die Linkspartei. Dieser Konsens wäre nicht möglich gewesen, wenn nicht der Ministerpräsident von Baden-Württemberg sein Land für die Erkundung geöffnet hätte. Das war eine wichtige Veränderung; gar keine Frage. Der bayerische Ministerpräsident hat die Position Bayerns verändert. Jetzt sind wir aus nationalem Verantwortungsbewusstsein zusammengekommen und haben gesagt: Die sicherstmögliche Entsorgung von hochradioaktiven Abfällen ist kein lokales und kein regionales Thema, auch kein Thema allein für Niedersachsen, sondern ein Thema, das in deutsche Verantwortung fällt, und zwar in die Verantwortung unserer Generation. Es wäre unmoralisch, den Müll ins Ausland zu schicken. Es wäre unmoralisch, das Problem der nächsten Generation ungelöst vor die Füße zu schieben. Wir haben jetzt in Deutschland den sichersten Ort zu suchen, und wir werden das Problem in nationaler Verantwortung und - wie zugesichert mit Bürgerbeteiligung - in transparenter Weise lösen. Ich bin für diese parteiübergreifende Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung sehr dankbar. Vielleicht bringen auch Sie sich konstruktiv ein und begleiten das Ganze nicht nur destruktiv. Machen Sie mit bei einem Verantwortungs- und Sicherheitskonsens für Deutschland. Dazu lade ich Sie ein; es liegt in unser aller Verantwortung.

Ich komme zu weiteren Elementen der Energiewende, die wir nun konkret vollziehen. Sie ist beschlossen worden. Mit diesem Beschluss ist die Energiewende aber noch nicht vollzogen, sondern erst eröffnet worden. Die Gesellschaft befindet sich in einem Aufbruch. Die Basis, die Kommunen, die Ingenieure, die Hochschulen, die Universitäten, die Unternehmen - sie alle machen mit. Auch hier lade ich Sie ein: Machen Sie ebenfalls mit. Sonst stehen Sie weiter außen vor.

Herr Kelber, ich sage Ihnen einfach, was wir machen und wo Sie auch etwas tun könnten. Ich komme nämlich zu den zwei Säulen der Energiepolitik: der Energieeffizienz und den erneuerbaren Energien.

Im Bereich der Energieeffizienz gibt es zwei herausragende Themen.

Das eine ist die Gebäudesanierung. Hier im Bundestag ist Folgendes beschlossen worden:

Erstens. 1,5 Milliarden Euro für das KfW-Programm - mehr als Sie je beschlossen haben, mehr als wir in der Koalition beschlossen haben -, und zwar nicht als Konjunkturprogramm, sondern dauerhaft für Deutschland. Das ist die Politik von CDU/CSU und FDP.

Zweitens. Der Wiedereinstieg in die steuerliche Förderung von energetischen Sanierungen - ein wirksames Instrument, hier im Hohen Hause beschlossen worden, verweigert von den Ländern, die von SPD und Grünen regiert werden. Mit welchem Argument? Sie sagen: Das ist ja gut und schön; aber wir wollen für energetische Sanierung, für Klimaschutz nichts bezahlen. Das ist Ihre Position. Reden Sie doch einmal mit den Ländern, in denen SPD und Grüne regieren. Oder haben Sie bei denen nichts zu sagen? Setzen Sie sich doch einmal bei Ihren eigenen Leuten dafür ein, dass sie etwas machen. Hier klopfen Sie große Sprüche, und in Ihren eigenen Ländern wird die Durchführung einer solchen Politik verweigert.

Heute Abend hat der Vermittlungsausschuss getagt, und schon wieder haben die von SPD und Grünen regierten Länder gesagt: Nein, wenn wir etwas bezahlen müssen, ist für uns das Ende von Umweltschutz erreicht. Das ist unglaubwürdig, das ist peinlich, was SPD und Grüne sich hier leisten. So geht das nicht weiter. Sie müssen jetzt auch einmal zeigen, ob Sie wirklich etwas zu sagen haben oder hier nur Sprüche klopfen!

Bleiben wir bei der Energieeffizienz. Energieeffizienz ist die intelligenteste Form der Energiepolitik. Darum stellen wir sie in den Vordergrund. Darum haben wir in unserem Energiekonzept eine Reduzierung von 20 Prozent verabredet. Darum unterstützt die Koalition die Vorschläge von EU-Kommissar Oettinger, europaweit bis 2020 20 Prozent Energieeffizienz zu realisieren.

Das werden wir - darüber sind sich der Bundeswirtschaftsminister, die Bundesregierung und der Bundesumweltminister einig - natürlich nur mit der verbindlichen Zielsetzung durchsetzen können, jedes Jahr 1,5 Prozent Energie zu reduzieren. Das ist die Politik, die wir betreiben werden. Ich lade Sie ein, bei der Durchsetzung dieser erstmals verbindlichen Reduzierungsziele mitzumachen. Wir werden die entsprechenden nationalen Maßnahmen hier im Parlament noch beschließen. Es liegt nämlich in unserem Interesse, die intelligenteste Form der Energiepolitik voranzutreiben. Wir sind das Land der Effizienztechnologien. Darum werden wir sie durchsetzen. Wir wollen sie auch europaweit realisieren.

Wir haben oft über die erneuerbaren Energien gesprochen. Ich will Ihnen ein paar Fakten nennen, weil es gerade ein bisschen durcheinandergeht.

Erstes Faktum: Das neue EEG, so wie wir es gegen Ihren Widerstand beschlossen haben, wirkt kostensenkend. Es ist erfolgreich. Wir haben einen dynamischen Ausbau der erneuerbaren Energien, und wir haben Preisstabilität. Das haben wir immer gegen Sie durchgesetzt.

2008, ein Jahr vor meinem Amtsantritt, war die kleine Dachanlage für Photovoltaik noch mit 46 Cent überfördert. Es war eine Überförderung, die mein Vorgänger hier durchgesetzt hatte. Inzwischen sind wir bei 24 Cent. Es wird wieder 15 Prozent Degression geben, weil wir ein neues System eingeführt haben. Damit wird die Photovoltaik bald zu einem der Kostensenker gehören. Sie war einmal Kostentreiber und kurz davor, die Akzeptanz zu verlieren. Wir haben das Ganze gedreht, indem wir eine vernünftige, intelligente Förderpolitik auf den Weg gebracht haben, eine Politik mit mehr Marktorientierung, die zum Erfolg führt.

Die Stromversorgung in Deutschland ist sicher, sie bleibt sicher, und sie muss sicher sein, und zwar zu jeder Stunde im Jahr. Wir haben einen Kapazitätspuffer. Ebenso gibt es übrigens bei der EEG-Umlage einen Kostenpuffer, einen Sicherheitspuffer. All das ist konservativ berechnet.

Das Strompreisniveau ist stabil. Wir haben zurzeit sogar etwas niedrigere Börsenpreise am Spotmarkt als vor der Energiewende. Alle, die behauptet haben, die Netze kollabierten und die Preise explodierten, sind durch die Realität widerlegt worden. Es ist unsere Energiewende, die erfolgreich ist; wir werden hier weitermachen.

Das gilt auch für das Kreislaufwirtschaftsgesetz, dem die von SPD und Grünen regierten Länder am Freitag hoffentlich zustimmen. Alle kommunalen Spitzenverbände, die kommunale Basis in Deutschland, haben zugestimmt; die SPD und die Grünen sind schon wieder dabei, sich vom Acker zu machen. Sie müssen einmal Farbe bekennen, wenn es darum geht, Recycling und Klimaschutz zu realisieren.

Wir werden das Erneuerbaren-Energien-Wärmegesetz, die KWK-Förderung und ein nationales Ressourceneffizienzprogramm auf den Weg bringen. Wenn Sie tatsächlich nach Durban kommen sollten - ich habe gerade mit Freude zur Kenntnis genommen, dass wir gemeinsam dort sein werden -, dann reden Sie vielleicht einmal mit den Vertretern anderer Länder. Dann werden Sie etwas feststellen, was ich weder mir noch dieser Koalition ans Revers hefte - die Regierungen unseres Landes haben das über Legislaturperioden hinweg gemeinsam aufgebaut, angefangen bei Klaus Töpfer bis hin zu Sigmar Gabriel und bis in die heutige Zeit -: Deutschland steht für eine glaubwürdige Klimaschutzpolitik. Wir sind nicht die, die im Ausland nur reden und im Innern nicht handeln. Vielmehr setzen wir die internationalen Verpflichtungen, die wir im Ausland verlangen - sie sind unser Ziel -, im Inland um. Das ist die Basis der Glaubwürdigkeit unserer internationalen Klimapolitik. Dafür sind wir anerkannt; das wird auch so weitergehen. Es ist gut so, dass das deutsche Konsenspolitik ist, dass es zum Konsens deutscher Politik zählt, internationale Klimaschutzpolitik zu betreiben.

Insofern kann man sagen: Umweltpolitik, Energiepolitik und Klimapolitik sind dank des Bemühens vieler endlich im Zentrum der deutschen und internationalen Politik angekommen. Das ist gut; denn es geht darum, eine Lebens- und Wirtschaftsweise zu entwickeln, die sich zu Wachstum und Fortschritt bekennt, ohne die Lebensgrundlagen der nächsten Generationen aufzuzehren. Das ist die konkrete Vision, an der wir arbeiten. Wir kommen ihr immer ein bisschen näher, auch mit Ihrer Unterstützung.


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Quelle:
Bulletin Nr. 123-5 vom 22.11.2011
Rede des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit, Dr. Norbert Röttgen, zum Haushaltsgesetz 2012
vor dem Deutschen Bundestag am 22. November 2011 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. November 2011