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STADT/373: Bürgerbeteiligung bei der künftigen Gestaltung des Tempelhofer Feldes (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 185 - April/Mai 2015
Die Berliner Umweltzeitung

Was wird aus Berlins größter Wiese?
Bürgerbeteiligung bei der künftigen Gestaltung des Tempelhofer Feldes

von Veit Ulrich


Weite, grüne Wiesen, frische Luft und viel Platz: Das Tempelhofer Feld ist mit einer Größe von über 300 Hektar eine der schönsten Grünflächen Berlins und sicherlich einmalig in Europa. Als Kaltluftentstehungsgebiet wirkt es ausgleichend auf das Stadtklima. Außerdem bietet es mit seiner Mischung aus Trockenrasen und Frischwiesen einen Lebensraum für zahlreiche Vogelarten, wie zum Beispiel Feldlerche und Neuntöter.

Seit seiner Öffnung für alle Bürger_innen im Mai 2010 hat sich das Tempelhofer Feld zu einem der beliebtesten Erholungsorte Berlins entwickelt. Doch Berlin braucht auch dringend neue Wohnungen, und was liegt näher, als auf dieser schier endlosen Freifläche ein paar Wohnungen zu errichten, um der Wohnungsnot entgegenzuwirken und ganz nebenbei die Bauindustrie zu unterstützen? Das dachte sich zumindest der Senat. Aber die Berliner_innen haben gesagt: Nicht mit uns! Der Volksentscheid am 25. Mai 2014 fiel zugunsten der Erhaltung des Tempelhofer Feldes und gegen die Teilbebauung aus.

SenStadtUm initiiert Bürgerbeteiligungsverfahren

Dem Volksentscheid waren heftige Debatten vorausgegangen. Um alle Bürger_innen in die weitere Planung des ehemaligen Flughafens einzubeziehen, initiierte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt einen Prozess der Bürgerbeteiligung. Als Koordinator des Verfahrens vermittelt Tilmann Heuser, der Geschäftsführer des BUND Berlin, zwischen den Berliner_innen mit ihren vielfältigen Ideen und Bedürfnissen.

Das Bürgerbeteiligungsverfahren läuft in verschiedenen Phasen ab. "Die erste Vorschlagsphase geht bis Ostern", sagte Heuser dem RABEN RALF. In dieser Phase werden die Ideen aller interessierten Bürger_innen für die Gestaltung des Tempelhofer Feldes gesammelt. Um sich in die Diskussion einzubringen, kann man sich im Internet auf der Diskussionswebsite der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt anmelden und seine Vorschläge einbringen. Aber auch "Offline-Vorschläge" werden auf der Internetseite veröffentlicht. "Bis zum 23. April werden wir die Vorschläge auswerten und bewerten - unter anderem auch, ob sie mit dem Gesetz zum Tempelhofer Feld vereinbar sind", erklärt Heuser. Die ausführlichen Ergebnisse werden dann am 23. April auf dem ersten Infoforum präsentiert.

Was passiert danach? "Ab Mai organisieren wir thematische Werkstätten, in denen die Vorschläge konkretisiert werden", so Heuser weiter. Aus den so erhaltenen Ideen, die anschließend noch einmal online von jedermann kommentiert und ergänzt werden können, werden im Sommer Handlungsempfehlungen erstellt. Diese werden in einem Entwicklungs- und Pflegeplan (EPP) für das Tempelhofer Feld zusammengefasst, welcher anschließend der Berliner Öffentlichkeit vorgestellt wird. Das Gesetz zum Tempelhofer Feld sieht die partizipative Entwicklung des EPP vor.

Alle Bürger_innen sollen an den offenen Werkstätten teilnehmen. "Zu den Veranstaltungen kommen natürlich insbesondere die hochengagierten Bürger", so Heuser. "Wir möchten aber die Mitwirkung Aller erreichen." Deswegen gehe es beim Bürgerbeteiligungsverfahren nicht nur um Fragen, die das Tempelhofer Feld betreffen, sondern auch darum, wie das bürgerschaftliche Engagement gesteigert werden kann. Um auch im Beteiligungsprozess unterrepräsentierte Bevölkerungsgruppen wie Senioren, Behinderte, Familien und Berliner_innen mit Migrationshintergrund einzubeziehen, finden parallel zu den thematischen Werkstätten auch Dialogformate direkt auf dem Feld statt.

Ideen und Vorschläge der Bürger_innen

Was wollen die Berliner_innen nun mit ihrem Tempelhofer Feld anfangen? Es besteht wohl ein weitgehender Konsens, dass das Feld als Wiesenbereich erhalten werden soll. "Breite Zustimmung aus der Bevölkerung gibt es außerdem für mehr Sitzgelegenheiten, für Toiletten im Park sowie für Flächen für bürgerschaftliches Engagement, zum Beispiel Kulturprojekte und Gemeinschaftsgärten", so Heuser. "Außerdem ist man sich einig, dass der Park barrierefrei sein soll."

Themen mit hohem Diskussionsbedarf seien zum Beispiel, wie am Columbiadamm die derzeitige sportliche Nutzung und das Gedenken an das ehemalige NS-Zwangsarbeiterlager, welches sich auf dem Tempelhofer Feld befand, zusammengebracht werden können. Außerdem werde intensiv über die künftige Zusammenarbeit von Bürger_innen und Verwaltung, sowie über die Beteiligung der Bürgerschaft nach Abschluss des EPP diskutiert. Bei allen Meinungsverschiedenheiten wird ein Konsens angestrebt. Aber es ist klar, dass dieser nicht immer erreicht werden kann. Dennoch soll keine Meinung unter den Tisch fallen. Wenn also zu einem gewissen Thema kein Konsens erreicht wird, werden alternative Handlungsempfehlungen erarbeitet.

Wie können sich interessierte Bürger_ innen beteiligen? Sie können die Informationsveranstaltungen besuchen! Bei den bisherigen Info-Terminen waren jeweils nur 30 bis 60 Personen anwesend, da ist noch Luft nach oben. Das nächste große Info-Forum findet am 23. April um 18 Uhr in der alten Zollgarage statt. Zudem wird empfohlen, online mitzudiskutieren - dazu wird es künftig möglich sein, die Diskussionsergebnisse der thematischen Werkstätten zeitnah zu kommentieren. Wenn man auf der Internetseite angemeldet ist, bekommt man auch alle Informationen zu anstehenden Terminen.

Berlin ist in der glücklichen Situation, eine der grünsten Metropolen Europas zu sein. Doch mit der wachsenden Bevölkerung stehen dem Stadtgrün auch in immer stärkerem Maße Bau- und wirtschaftliche Interessen gegenüber. Das Tempelhofer Feld ist ein lebendiger Ort mit kreativen Nutzungsmöglichkeiten und spannenden Pionierprojekten, geprägt vom Miteinander von Natur und Mensch. Deswegen, liebe Berliner_innen, lasst euch das Tempelhofer Feld nicht nehmen, und macht etwas daraus!

Weitere Informationen:
www.thf100.de
www.tempelhofer-feld.berlin.de

Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
Park mit denkmalgeschützem Flughafengebäude
Sonnenbad am Rande der früheren Startbahn
Fotos: Tempelhof Projekt GmbH, www.thf-berlin.de


THF-Gesetz

Das "Gesetz zum Erhalt des Tempelhofer Feldes" unterteilt den ehemaligen Flughafen in zwei Bereiche: den zentralen Wiesenbereich innerhalb des Taxiways und den äußeren Wiesenring außerhalb des Taxiways. Im zentralen Wiesenbereich dürfen nach dem Gesetz überhaupt keine Eingriffe vorgenommen werden. Im äußeren Wiesenring dürfen hingegen einzelne Bäume gepflanzt werden. Außerdem dürfen dort Spielplätze, Sportflächen, Wege, Parkbänke oder Ähnliches entstehen, solange die Wiesen, welche durch diese Nutzungen verlorengehen, an einer anderen Stelle neu geschaffen werden.

Nächstes Info-Forum:
23. April, 18 Uhr, Alte Zollgarage
im Flughafen Tempelhof
Columbiadamm 2-6, 10965 Berlin

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Quelle:
DER RABE RALF
26. Jahrgang, Nr. 185, Seite 5
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47/-0, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. April 2015

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