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VERBAND/392: 20 Jahre GRÜNE LIGA (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 154 - Februar/März 2010
Die Berliner Umweltzeitung

20 Jahre GRÜNE LIGA

Das Netzwerk ökologischer Bewegungen steht seit 1990 für mehr als Natur- und Umweltschutz

Von Jochen Mühlbauer


Die Mitglieder [der] GRÜNEN LIGA engagieren sich seit zwei Jahrzehnten für eine umfassende Ökologisierung der Gesellschaft sowie für ein gewaltfreies, ökologisches und nachhaltiges Zusammenleben. Ganzheitliches Denken und basisdemokratisches Handeln bestimmen die Arbeit des Verbandes. Das Arbeitsmotto der GRÜNEN LIGA ist: "Visionen haben - Netzwerk gründen - Handeln anregen".

"Unsere Stärke ist die Arbeit vor Ort. Wir packen selbst an, leben Ökologie", so der Bundesvorsitzende Klaus Schlüter.

Nun ein kurzer Blick in die Geschichte: Am 18. November 1989 unterschrieben 36 Mitglieder verschiedener Interessengemeinschaften Stadtökologie zwischen Rostock und Karl-Marx-Stadt (Chemnitz), Mitglieder einiger Ökologiegruppen an Hochschulen sowie Vertreter kirchlicher Gruppen in Berlin den Gründungsaufruf für eine "Grüne Liga". (siehe Kasten Seite 4)

Am 3. Februar 1990 war es dann soweit, mehrere hundert Delegierte trafen sich im Klubhaus des VEB Chemische Werke Buna. Um 20.13 Uhr wurde nach einer langen Satzungsdebatte die Gründung des Bundesverbandes der GRÜNEN LIGA verkündet.

Inzwischen liegen 20 arbeitsreiche Jahre hinter der GRÜNEN LIGA. Sie arbeitet basisdemokratisch und vor allem projektorientiert, sucht in ihrer Arbeit das Zusammengehen mit gleichgesinnten Menschen, Initiativen und Vereinen, motiviert Menschen vor Ort zum gemeinsamen Handeln und verfolgt Visionen für eine gewaltfreie, ökologisch- nachhaltige Gesellschaft.


Global denken, lokal handeln

"Global denken, lokal handeln, ist für uns keine Floskel", unterstreicht Klaus Schlüter. Vieles wurde seit 1989/90 im Umweltschutz der neuen Bundesländer erreicht: Wasseruhren und Heizkostenzähler machen Verbrauch sichtbar, Umweltthemen haben Einzug in Schulbücher gehalten, die ostdeutschen Kernreaktoren wurden abgeschaltet, Schaumkronen verschwanden von den Flüssen und vieles mehr. Die Natur- und Umweltprobleme sind aber nicht verschwunden, sie haben sich nur verändert. Angesichts von Konsumterror, Gewinnmaximierung auf Kosten begrenzter Ressourcen, hemmungslosem Zinsstreben hat es eine tiefgreifende ökologische Wende schwer. Doch wer den Klimawandel und den Artenschwund ernsthaft begrenzen will, der muss jetzt die großen Weichen stellen.

Die Politik soll aus Sicht der GRÜNEN LIGA an die großen Themenstellungen ran: umweltverträgliche Mobilität mit starker Förderung des Öffentlichen Personen-Nahverkehrs (ÖPNV) ist ein Muss statt Individualverkehr und Blechlawinen; 100 Prozent erneuerbare Energien bis 2050 bei sofortigem Ausstieg aus der Atomenergie und kontinuierlichem Ausstieg aus der Energieerzeugung auf Basis fossiler Energieträger; Stärkung regionaler Kreisläufe und Strukturen sowie biologische Vielfalt statt gentechnischer Einfalt - das sind nur einige der Forderungen der GRÜNEN LIGA.


2010 - Jahr der Jubiläen!

Im Februar 1990 wurde der GRÜNE LIGA-Bundesverband gegründet und im Dezember 1990 - fast zeitgleich mit der Gründung der GRÜNEN LIGA Berlin - erschien die erste Ausgabe des RABEN RALF. Die Euphorie des Herbstes 1989 und des Jahres 1990 etwas bewegen zu können, ist inzwischen verfl ogen. Arbeitslosigkeit, Existenzängste und andere soziale Sorgen und Nöte haben bei vielen Menschen bewirkt, dass Umweltprobleme für sie inzwischen von nachrangiger Wertigkeit sind.

Die GRÜNE LIGA sieht deshalb ihre Grundsatzverpflichtung darin, sich für eine ökologische Umgestaltung der Gesellschaft einzusetzen, nicht nur in den engen traditionellen Grenzen von Umwelt- und Naturschutz. Dies dokumentieren zum Beispiel die Forderung nach umwelt- und sozialverträglichen Tarifen im öffentlichen Personen-Nahverkehr, die generationenübergreifende Umweltarbeit ebenso wie das Engagement für die Lokale Agenda 21 auf lokaler, regionaler, nationaler und internationaler Ebene oder das Eintreten für fair produzierte Waren.

Als Netzwerk ökologischer Bewegungen hat die GRÜNE LIGA die Erfahrung gemacht und eingebracht, dass "gemeinsames Handeln", wie im Gründungsaufruf von 1989 formuliert, der einzige erfolgversprechende Weg ist, um Bürger/-innen zu motivieren, sich für die Umwelt zu engagieren und demokratische Mitbestimmung für eine nachhaltige Zukunft einzufordern und durchzusetzen. Dabei konnten zahlreiche Partner, Mitstreiter und Verbündete aus unterschiedlichsten Bereichen der Gesellschaft gewonnen und auf lokaler wie internationaler Ebene große Anerkennung gefunden werden.


Umweltverband im 21. Jahrhundert

Aber muss ein Umweltverband im 21. Jahrhundert nicht auch neue Wege gehen? Jeder noch so aufrechte Öko kommt heute nicht ohne Internet und E-Mail aus. Die Kommunikation fi ndet verstärkt online statt. Überall sind im Internet sogenannte soziale Netzwerke entstanden, in denen die Menschen über alles Mögliche diskutieren; wie über Umweltfragen, Menschenrechte und Friedenspolitik. Auch die Umweltbewegung bedient sich der neuen Medien. Es gibt den Umweltbibliotheken-Wegweiser, zahlreiche Diskussionsforen, Online-Abstimmungen und -Petitionen sowie Kampagnen, die die Leute mobilisieren möchten.

Man kann aber nicht leugnen, dass die Umweltbewegung altert. Es stellt sich die Frage, wie man junge Leute besser erreicht. Vielleicht sollte die GRÜNE LIGA deshalb kontinuierlich ihre Onlineaktivitäten ausweiten, um diese Menschen besser zu erreichen. Insgesamt gehört die GRÜNE LIGA zu den Umweltverbänden, deren Mitglieder mehrheitlich in Sachen Umwelt- und Naturschutz Vorort aktiv sind, eben dort, wo es brennt. Deshalb wird die GRÜNE LIGA in diesem Jahr mit zahlreichen Veranstaltungen und Publikationen die Erfolge der Umweltbewegung in den neuen Bundesländern herausstellen und in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rücken.

"Die GRÜNE LIGA wird weiterhin gebraucht. Wir werden uns mit der Kraft unseres Netzwerks gegen die existenzbedrohenden Natur- und Umweltgefahren stemmen", resümiert Klaus Schlüter über die Anforderungen für die Zukunft.

Jochen Mühlbauer
GRÜNE LIGA
www.grueneliga.de
www.grueneliga-berlin.de


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Wir haben keine Zeit mehr

Gründungsaufruf für eine "Grüne Liga" vom 18. November 1989

Das Wissen um den Ernst und die Dringlichkeit der globalen und lokalen ökologischen Probleme führte uns zusammen. Die Mitverantwortung, die jeder von uns für die Lösung der anstehenden, schier unbewältigbaren Aufgaben des Umweltschutzes in der DDR in sich spürt, drängt uns zum Handeln. Dieses Handeln kann nur ein gemeinsames sein. Ungeachtet unterschiedlicher Erfahrungen und Weltanschauungen wollen wir uns zusammenschließen zur Aktionseinheit aller umweltbewußten Kräfte. Wir rufen daher zur Gründung einer "Grünen Liga" auf.

Sie soll unser gemeinsames Dach zur Rettung unserer natürlichen Lebensgrundlagen, zur Stimulierung alternativer Denk- und Verhaltensweisen und zur Überwindung des ökologischen Handlungsdefi zits in unserer Gesellschaft sein. Alle bereits bestehenden und die sich neu bildenden Gruppen sowie alle Bürgerinnen und Bürger, die sich diesem Anliegen verpflichtet fühlen, rufen wir auf, sich bei Bewahrung ihrer Eigenständigkeit und ihrer Identität dieser Initiative anzuschließen. Wir schlagen die Durchführung einer Gründungsversammlung zum frühestmöglichen Zeitpunkt vor, auf der neben den Fragen der Struktur und Arbeitsweise u. a. auch folgende dringende Sachprobleme auf der Tagesordnung stehen sollten:

Erarbeitung einer Strategie zum ökologischen Umbau der Gesellschaft einschließlich einer Belastbarkeitsstudie
Kennzeichnung von ökologischen Katastrophengebieten der DDR
Vorschläge für Sofortmaßnahmen
ungeschminkte Darstellung der Umweltsituation in der DDR
volle Zugänglichkeit zur Umweltüberwachung
Bildung eines unabhängigen Ökologie-Institutes der DDR
Bildung einer Kommission zur Aufdeckung aller schwerwiegenden Verletzungen des Landeskulturgesetzes, insbesondere durch Baumaßnahmen und andere Beeinträchtigungen in und an Landschafts- und Naturschutzgebieten
Überarbeitung von Gesetzen und Beschlüssen
Bildung einer AG zur Überprüfung der Energiepolitik
Müll- Ex- und -Import
Überprüfung der Subventionspolitik unter ökologischen und sozialen Aspekten
Einrichtung von Nationalparks und Biosphärenreservaten der DDR, insbesondere anstelle der bisherigen Staatsjagdgebiete und Truppenübungsplätze
Vorschläge für die Erschließung gesellschaftlicher Reserven für die Abwendung der ökologischen Krise, insbesondere Aufdeckung von Verschwendungen und Privilegien
Herausgabe einer massenwirksamen Monatszeitschrift für Natur- und Umweltschutz als öffentliches Informations- und Diskussionsforum der Bürger
Bildung, Verwendung und öffentliche Kontrolle eines Öko-Fonds zur Förderung des ökologischen Umbaus, insbesondere von alternativen gesellschaftlichen Handlungsangeboten
Sicherung eines festen, angemessenen Raumes für die Darstellung von Umweltproblemen und die ökologische Information in den Massenmedien, insbesondere im Fernsehen

Wir haben keine Zeit mehr - unsere einzige Chance liegt im gemeinsamen Handeln!


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Quelle:
DER RABE RALF - 21. Jahrgang, Nr. 154, Februar/März 2010, S. 1+4
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de

Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: 10 Euro/halbes Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. März 2010