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VIELFALT/217: Europäische Forschungskonferenz Biologische Vielfalt und Klimawandel (BfN)


Bundesamt für Naturschutz (BfN)
Pressemitteilung - Bonn, 12. April 2011

Europäische Forschungskonferenz Biologische Vielfalt und Klimawandel

- Klimawandel wird Europas Natur und Landschaft verändern
- Investitionen in eine EU-weite grüne Infrastruktur verstärken
- Naturschutzmaßnahmen unterstützen effizient die Anpassung an den Klimawandel
- Synergien zwischen Klima- und Biodiversitätsschutz verstärkt nutzen


Bonn, 12. April 2011: Heute hat in Bonn eine zweitägige Europäische Forschungskonferenz zum Thema Biologische Vielfalt und Klimawandel begonnen. Über 200 Fachleute aus 25 Nationen Europas sind der Einladung des Bundesamts für Naturschutz (BfN) gefolgt. Die Veranstaltung, die in Kooperation mit dem Netzwerk der Europäischen Naturschutzbehörden (ENCA) und mit Unterstützung der Universität Greifswald durchführt wird, steht ganz im Zeichen des grenz- und disziplinübergreifenden Erfahrungsaustauschs europäischer Wissenschaftler, Behördenvertreter und Praktiker, die an der Schnittstelle von Biologischer Vielfalt und Klimawandel forschen und arbeiten. "Gerade vor den Hintergrund des Klimawandels wird es für den Naturschutz zunehmend wichtiger über die nationalen Grenzen hinweg zusammenzuarbeiten und den Austausch von Forschungs- und Lösungsansätzen zu fördern. Denn weder der Klimawandel noch die biologische Vielfalt enden an nationalen Grenzen, und sie werden unsere Natur und unsere Landschaften über die Grenzen hinweg maßgeblich verändern," sagte BfN-Präsidentin Prof. Beate Jessel zu Beginn der Konferenz.

Im Dialog mit dem europäischen Fachpublikum werden auf der Konferenz Möglichkeiten identifiziert, wie wissenschaftliche Erkenntnisse besser in die politische Entscheidungsfindung eingebracht und praktisch umgesetzt werden können. An den beiden Konferenztagen beleuchten Vorträge hochkarätiger Experten aus ganz Europa das breite Spektrum an Fragestellungen bzw. Herausforderungen, mit denen der Klimawandel den europäischen Naturschutz konfrontiert.

In den Projekten zur Grundlagenforschung wurden die bereits beobachtbaren Auswirkungen des Klimawandels auf Arten, Lebensräume und Landschaften erfasst und anhand von Modellrechnungen für verschiedene Artengruppen mögliche zukünftige Veränderungen ihrer Verbreitungsgebiete ermittelt. Hierbei wird deutlich, dass sich die klimatisch geeigneten Gebiete von vielen Tier- und Pflanzenarten verkleinern bzw. großräumig nach Norden oder in höher gelegene Lagen verschieben. Eine Reihe von kälteliebenden Arten wird langfristig aus Mitteleuropa verschwinden, z.B. alpine Pflanzen und boreale bzw. arktische Arten, die seit der letzten Eiszeit auf klimatischen Sonderstandorten überdauern konnten. Im Gegenzug werden verstärkt wärmeliebende Arten wie z.B. Schmetterlinge oder Libellen aus dem Mittelmeerraum einwandern. "Wir müssen uns dabei aber bewusst sein, dass die Neuzuwanderung von Arten aufgrund des Klimawandels nichts per se Negatives ist, sondern es sich um natürliche Anpassungsprozesse handelt", so BfN-Präsidentin Jessel. Für den Naturschutz stellt sich die Frage, wie man Arten und Lebensräumen eine optimale Anpassung an die Veränderungen ermöglichen kann. Die Handlungsempfehlungen der Wissenschaftler umfassen neben einer Anpassung des Managements vor allem eine eine verbesserte Vernetzung von Schutzgebieten sowie den Aufbau grenzüberschreitender Biotopverbundsysteme. "Damit die vom Klimawandel bedrohten Arten geeignete neue Lebensräume finden können, sind die europaweite Durchlässigkeit der Landschaft und der Ausbau eines grenzüberschreitenden Biotopverbundsystems von enormer Bedeutung. Investitionen in eine EU-weite grüne Infrastruktur müssen gestärkt werden," betonte BfN-Präsidentin Prof. Dr. Beate Jessel.

Auf der Konferenz werden auch Beispiele vorgestellt, wie Ökosysteme und Naturschutzmaßnahmen zum Klimaschutz sowie zur gesellschaftlichen Anpassung an die Folgen des Klimawandels beitragen können. In vielen Fällen stellen ökosystem-basierte Maßnahmen kosteneffektive und nachhal tige Alternativen zu technischen Lösungen dar und erzeugen zudem oft noch weiteren Zusatznutzen. So trägt die Schaffung von Überflutungsräumen in Auengebieten zum ökologischen Hochwasserschutz bei und unterstützt die Selbstreinigung der Gewässer. Die Anlage von Grünflächen als Frischluftschneisen in Städten verbessert das Lebensumfelds der Stadtbewohner, u. a. indem die städtische Überhitzung vermindert und Luft gefiltert wird.

Im Bereich des ökosystem-basierten Klimaschutzes stehen die Erhaltung und die Wiederherstellung kohlenstoffspeichernder Ökosysteme wie Moore und Wälder im Mittelpunkt. Global gesehen lassen sich die größten Synergieeffekte zwischen den Zielen des Naturschutzes und des Klimaschutzes dort realisieren, wo der Artenreichtum mit der größten Kohlenstoffdichte einhergeht. Ein vom BfN mit Mitteln des Bundesumweltministeriums in Auftrag gegebener internet-basierter Atlas zur Darstellung der Verteilung von Kohlenstoff und Biodiversität in den Ökosystemen der Erde zeigt, dass diese "Biodiversity and Carbon Hotspots" v. a. in den Primärwäldern, Torfmooren und Mangroven der Entwicklungs- und Schwellenländer zu finden sind, wo sie zunehmend von Degradierung bedroht sind. Damit gehen neben der einzigartigen Artenvielfalt auch die Ökosystemdienstleistungen, die sie bereitstellen, einschließlich der Klimaregulation, verloren.

Das BfN legt dabei besonderen Wert darauf, im Rahmen der Veranstaltung auch sozioökonomische Gesichtspunkte zu berücksichtigen und zur aktuellen kontroversen Debatte um die Chancen und Grenzen bzw. die Herausforderungen der ökonomischen Inwertsetzung von Ökosystemdienstleistungen beizutragen. Einige Forschungsvorhaben, die Gegenstand der Forschungskonferenz sind, ermitteln beispielsweise den Betrag, den Wälder und Moore durch ihre Fähigkeit, Treibhausgase zu binden und zu speichern, Jahr für Jahr erwirtschaften. Trotz aller methodischen Probleme liefern derartige Studien schlagkräftige Argumente für den Schutz und die nachhaltige Nutzung sowie die Wiederherstellung von kohlenstoff- und biodiversitätsreichen Ökosystemen. "Selbstverständlich lässt sich der Wert der Natur nicht allein mit finanziellen Maßstäben messen," so BfN-Präsidentin Prof. Dr. Beate Jessel. "Doch gerade die oft unterschätzten ökonomischen Argumente für den Schutz der Natur können helfen, bei Politik und Wirtschaft leichter Gehör zu finden."


Hintergrund:
Europäische Forschungskonferenz Biologische Vielfalt und Klimawandel

Das Verhältnis von biologischer Vielfalt und Klimawandel stellt seit 1994 eines der wesentlichen Forschungsfelder des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) dar. Seit 2008 konnten über 30 Projekte Forschungsvorhaben aus diesem Themenfeld gefördert werden, an denen mehr als 46 Hochschulen, wissenschaftliche Einrichtungen und Gutachterbüros beteiligt sind.


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Quelle:
BfN-Pressemitteilung, 12.04.2011
Herausgeber: Bundesamt für Naturschutz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. April 2011