Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → FAKTEN

VERKEHR/616: Polizei zäunt Waldbesetzerdorf gegen Flughafenausbau ein (ROBIN WOOD)


ROBIN WOOD - Frankfurt, den 20. Januar 2009

Waldbesetzerdorf gegen Flughafenausbau eingezäunt

AktivistInnen befürchten, dass Räumung und Rodung im Kelsterbacher Wald unmittelbar bevorstehen


Heute früh hat ein Großaufgebot der Polizei damit begonnen, das WaldbesetzerInnendorf gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens im Kelsterbacher Wald einzuzäunen. Das Camp ist aber bislang weiterhin für BesucherInnen und Medien zugänglich. Außerdem begann die Polizei mit dem Aufgraben von Erdtunneln, die sich außerhalb des eingezäunten Bereichs befinden. Mehrere WaldbesetzerInnen, darunter einige ROBIN WOOD-AktivistInnen, haben sich auf Plattformen und Baumhäusern in den Wipfeln eingerichtet. Sie protestieren mit dieser seit Mai 2008 laufenden Besetzung dagegen, dass ein wertvolles Naturschutzgebiet ruiniert werden soll, um noch mehr extrem klimaschädlichen Flugverkehr zu ermöglichen. Vollerntemaschinen, so genannte Harvester, sind bereits vor Ort.

Fraport bekam in der vergangenen Woche vom Verwaltungsgerichtshof Kassel (VGH) vorab grünes Licht für den Bau einer vierten Landebahn im Bannwald. In der Hauptsache wird das Gericht jedoch erst im Sommer dieses Jahres über die zahlreichen Klagen gegen das gigantische Ausbauprojekt entscheiden.

Fraport argumentiert, der Ausbau sei dringend erforderlich. Dadurch sollen die Kapazitäten des größten bundesdeutschen Flughafens nach Konzernangaben noch einmal um die Hälfte gesteigert werden - von jährlich 500.000 auf 750.000 Flugbewegungen. Tatsächlich sind die Fracht- und Passagierzahlen am Frankfurter Flughafen jedoch aufgrund der weltweiten Wirtschaftskrise stark zurückgegangen. Dieser Trend wird sich voraussichtlich auch sobald nicht umkehren. "Es gibt keinen Zeitdruck. Das ist eine Erfindung von Fraport, um ihr Milliarden-Projekt noch vor einer Gerichtsentscheidung in der Hauptsache schnell in trockene Tücher zu bekommen und Fakten im Wald zu schaffen", sagt Monika Lege, ROBIN WOOD-Verkehrsreferentin.

Der VGH hatte am 15. Januar 2008 in seinem Beschluss darüber hinaus deutlich gemacht, dass die Nachtflugregelung im Planfeststellungsbeschluss (PFB) rechtlich keinen Bestand haben wird. Sie erlaubt in der Nacht von 23 bis 5 Uhr 17 Flüge, obwohl ein klares Ergebnis des Mediationsverfahrens hieß: Ausbau nur bei Nachtflugverbot. In den Nachtrandstunden (22 bis 23 Uhr und 5 bis 6 Uhr) sollen laut PFB sogar durchschnittlich 150 Flüge pro Nacht möglich sein. Fraport selbst hatte Ende Oktober 2008 behauptet, mit einem Nachtflugverbot würden "unkalkulierbare zeitliche und finanzielle Risiken" heraufbeschworen und damit Stimmung gegen die seinerzeit geplante rot-grüne Koalition gemacht, die die Nachtflugregelung im PFB überprüfen wollte. "Die Nachtflugregelung ist von zentraler Bedeutung für den Ausbau. Deshalb ist die Argumentation wenig überzeugend, dass Fraport jetzt - trotz Unklarheit in diesem wichtigen Punkt - schon mit dem Kahlschlag beginnen darf", kritisiert Lege.

Der Kahlschlag im Kelsterbacher Wald umfasst insgesamt rund 250 Hektar, mehr als 200 Hektar davon genießen als Bannwald die höchste Schutzstufe, sollen aber dennoch zerstört werden. Bis zum Beginn der Vegetationsperiode im März will Fraport mindestens die ersten 92 Hektar für so genannte vordringliche Arbeiten kahl schlagen, die übrigen könnten dann ab September zerstört werden.

Wegbeschreibung samt Karte zum Wald-Camp unter:
http://www.robinwood.de/stopp-flughafenau
Homepage der WaldbesetzerInnen: http://waldbesetzung.blogsport.de


*


Gewaltfreie Aktionsgemeinschaft für Natur und Umwelt e.V.

"Wald statt Kohlendioxidschleuder!"
Fakten zu Wald, Flughafenausbau und Klimaschutz


• Wie viel Wald soll für den Ausbau des Frankfurter Flughafen gerodet werden?

Mit dem Kelsterbacher Stadtwald sollen 250 Hektar Mischwald für den Bau einer vierten Landebahn gerodet werden. Das entspricht einer Fläche von 350 Fußballfeldern. Der Wald ist überwiegend als Bannwald klassifiziert. Für diesen Wald gilt die höchstmögliche Schutzstufe, er ist nach dem hessischen Forstgesetz "für das Gemeinwohl unersetzlich". Außerdem ist der Wald nach europäischem Recht Fauna-Flora-Habitat-Schutzgebiet (FFH-Gebiet).

• Wem gehört der Wald? Was darf Fraport?

Der Planfeststellungsbeschluss für den Bau der vierten Landebahn wurde am 18. Dezember 2007 vom damaligen hessischen Wirtschaftsminister Alois Rhiel, CDU, erteilt. Gegen den Beschluss klagen zahlreiche Kommunen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz, BUND, klagt wegen Verstößen gegen das Naturschutzrecht. Der Verwaltungsgerichtshof Kassel wird sich voraussichtlich im Juni 2009 mit den Klagen befassen. Er hat bereits im Januar 2009 deutlich gemacht, dass die Nachtflugregelung im Planfeststellungsbeschluss einer rechtlichen Überprüfung voraussichtlich nicht standhalten wird.

Weigert sich die Stadt Kelsterbach als Eigentümerin des Waldes, an die Fraport AG zu verkaufen, droht die Enteignung. Im Rahmen des Enteignungsverfahrens stimmte das Regierungspräsidium Darmstadt als zuständige Behörde am 30. Dezember 08 dem Antrag der Fraport auf "vorzeitige Besitzeinweisung" für einen Teil des Waldes zu. Das ermöglicht Fraport, mit der Zerstörung des Waldes zu beginnen, obwohl er noch der Stadt Kelsterbach gehört, die gegen den Flughafenausbau klagt. Das Regierungspräsidium begründete diese Maßnahme mit dem "öffentlichen Interesse der Allgemeinheit an einer zügigen Durchführung".

• Wie groß ist der Frankfurter Flughafen?

Das Gelände des Frankfurter Flughafens ist mit 19 Quadratkilometern größer als die Frankfurter Innenstadt. Am Rhein-Main-Airport starten und landen jährlich eine halbe Million Flugzeuge.

Laut Fraport sind mit dem Bau der neuen Landebahn 750.000 Flugbewegungen (= Starts und Landungen) im Jahr möglich. Im Durchschnitt bedeutet das ganzjährig und rund um die Uhr alle 42 Sekunden einen Ab-bzw. Anflug.

Bei der völlig überdimensionierten Planung ist sogar eine Verdopplung der Flugbewegungen auf eine Millionen Maschinen im Jahr zu befürchten. Die neue Landebahn soll Ende 2011 in Betrieb gehen.

• Wie (sehr) schadet Fliegen dem Klima?

Das Umweltbundesamt hat 2008 den wissenschaftlichen Kenntnisstand über die Klimawirksamkeit des Flugverkehrs folgendermaßen zusammen gefasst: Die Erwärmungswirkung (Strahlungsantrieb = Radiative Forcing Index = RFI) des Luftverkehrs ist unter Berücksichtigung der Wirkung aller Emissionen etwa 3 bis 5 mal so groß wie die Erwärmungswirkung der Kohlendioxid-Emissionen allein. Klimawirksame Emissionen des Luftverkehrs sind Kohlendioxid, Stickoxid, Wasserdampf, Sulfataerosole und Russpartikel.

Ein Liter Kerosin hat eine Klimalast von fast 10 kg Kohlendioxid-Äquivalent.
(Download: http://www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/3473.pdf).


Flughafenausbau in Deutschland

Allein die geplanten und weitgehend genehmigten Ausbauten der größten deutschen Flughäfen Frankfurt, München und Berlin würden deren Kapazitäten von jetzt einer auf mehr als zwei Millionen Flugbewegungen jährlich mehr als verdoppeln.

Zwei von fünf Maschinen heben zu Flügen von weniger als 800 Kilometern ab. Stiegen die Gäste von Zubringer- und Kurzstreckenflügen auf die Bahn um, fielen die Bedarfsprognosen aller Flughafenausbauten in Deutschland in sich zusammen. Die angeblichen Kapazitätsengpässe, mit denen Flughafenbetreiber ihre Ausbaupläne begründen und Behörden sie genehmigen, wären durch Verlagerung innerdeutscher Flüge auf die Bahn vom Tisch.


ROBIN WOOD fordert:
Weniger Flugverkehr - für eine wirksame Klimapolitik!
Flugverkehr vermindern - Ausbau verhindern!

Mehr Informationen:
Broschüre "Zündstoff. Verkehr und Klima",
www.robinwood.de/verkehr

Kontakt:
Monika Lege, Verkehrsreferentin,
Tel. 040 / 380 892 12,
verkehr@robinwood.de

Stand 19. Januar 2009


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Reichweite in Kilometern bei einer Klimawirksamkeit von einer Tonne Kohlendioxid
Quelle: "Zündstoff. Verkehr und Klima", www.robinwood.de/verkehr


*


Quelle:
Pressemitteilung, 20.01.2009
Herausgeber:
Robin Wood, Pressestelle
Nernstweg 32, 22765 Hamburg
Tel.: 040/380 892-0, Fax: 040/380 892-14
E-Mail: presse@robinwood.de
Internet: http://www.robinwood.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Januar 2009