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VERKEHR/869: Elektromobilität - Falsch gepolt (BUNDmagazin)


BUNDmagazin - 3/2011
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

ZUR ZEIT
Elektromobilität
Falsch gepolt

von Werner Reh


Eine Million Elektroautos soll 2020 auf deutschen Straßen rollen. Die Bundesregierung will Deutschland zum »Leitmarkt für Elektromobilität« entwickeln. Ihre Strategie hat sie gemeinsam mit den Autoherstellern entworfen - was man ihr deutlich anmerkt.

Mitte Mai hat das Bundeskabinett ein »Regierungsprogramm Elektromobilität« verabschiedet: Eine Milliarde Euro soll in die Forschung und Entwicklung von Autobatterien oder Akkus fließen. Dazu sollen E-Autos Vorteile im städtischen Verkehr erhalten, etwa die Busspuren nutzen dürfen. Sie werden zehn Jahre von der Kfz-Steuer befreit, das unsinnige Dienstwagenprivileg wird für sie ausgeweitet. Alle E-Autos werden zudem als Nullemissionsfahrzeuge behandelt. Nur direkte Kaufprämien, wie sie Japan oder Frankreich bieten, lehnte die Bundesregierung ab.

Elektroautos tragen aber nur dann zum Klimaschutz bei, wenn sie mit zusätzlich erzeugter regenerativer Energie betrieben werden. Ein Konzept dafür sucht man bei der Bundesregierung vergeblich. Unklar ist auch, wo all die E-Autos beladen werden sollen - bislang gibt es nur Modell- und Showprojekte der großen Energieversorger. Nicht akzeptabel ist die Öffnung der Busspur, bremsen E-Autos doch hier den ökologisch viel vorteilhafteren öffentlichen Nahverkehr aus.


Mehr als Autos

Noch ist das Angebot von E-Autos insgesamt gering, ihr Preis mit über 30.000 Euro hoch. Deshalb lohnt ein Blick auf die breite Palette kleinerer Elektrofahrzeuge. Dazu gehören der dreirädrige Twike, Kleinserienwagen und viele Nutzfahrzeuge von Mikrovans. Außerdem wurden letztes Jahr bundesweit 200.000 Pedelecs verkauft, Fahrräder mit elektrischer Unterstützung, die dem Rad zu mehr Reichweite verhelfen und den Transport von Lasten erleichtern. Auch E-Scooter (Elektroroller) sind schon lange im Einsatz. Die Bundesregierung redet zwar von Elektromobilität, meint aber Elektroautos. E-Mobilität ist jedoch viel mehr als das, sie muss Fahrräder und Roller ebenso einschließen wie die seit über hundert Jahren bewährte Form von E-Mobilität im öffentlichen Nahverkehr (Tram- und U-Bahnen, Oberleitungsbusse).


E-Mobilität richtig einsetzen

Spritfresser durch Stromfresser zu ersetzen, wäre ökologisch sinnlos - und verantwortungslos. Elektroautos haben, weil sie bis zu 90% der Energie im Auto ausnutzen, durchaus ein großes Effizienzpotenzial. Dafür müssen sie aber anders konzipiert und viel leichter werden. Ein konsequenter Leichtbau könnte ihr Gewicht halbieren: auf 700 Kilogramm inkl. Batterie. So viel wog der erste VW Golf. Mit der Kopplung der EMobilität an zusätzlichen erneuerbaren Strom geht die CO2-Emission im Betrieb tatsächlich gegen Null.

Werden E-Fahrzeuge dann noch sinnvoll eingesetzt - im Carsharing, als Taxi, Dienstwagen oder im städtischen Lieferverkehr -, könnte die Belastung durch Lärm und Schadstoffe spürbar sinken. Statt auf teuren Privatbesitz zu setzen, sollte aus der Not der E-Autos, ihrer kurzen Reichweite, eine Tugend werden: E-Mobile sollten öffentliche Verkehrsmittel ergänzen, statt mit ihnen zu konkurrieren. Schließlich ist auch Carsharing ohne guten öffentlichen Nahverkehr nicht denkbar.


Intelligent und nachhaltig

Last, not least wird Elektromobilität umso sinnvoller, je mehr sie in eine dezentrale Energieversorgung eingebettet ist. Noch heizen herkömmliche Automotoren mit drei Vierteln der eingespeisten Energie die Atmosphäre auf. Intelligenter ist ihr Einsatz in Mini-Blockheizkraftwerken. Hier können sie - etwa mit Holz aus nachhaltiger Nutzung oder mit Biogas - Wärme und Strom erzeugen und so auch E-Fahrzeuge antreiben. Nur wenn die Bundesregierung ihre Strategie grundlegend ändert, wird sie der Elektromobilität zum Erfolg verhelfen - und dem Verkehr insgesamt zu mehr Nachhaltigkeit. Was auch heißt, rare Ressourcen wie Lithium (in den Autobatterien) äußerst sparsam zu verwenden und auf ihr vollständiges Recycling zu achten. Werner Reh

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Tanken an der Steckdose macht ein überholtes Autokonzept noch lange nicht zukunftsfähig.


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Quelle:
BUNDmagazin 3/2011, Seite 32
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Oktober 2011