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VERKEHR/882: Wildtierkorridore müssen erhalten bleiben (BUND BW)


BUND Landesverband Baden-Württemberg - 14. November 2011

BUND: Wildtierkorridore müssen erhalten bleiben

BUND und Flurneuordnung setzen sich gemeinsam für eine Querungshilfe über die verbreiterte A8 ein.


Am heutigen Montag lud der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesverband Baden-Württemberg zu einem gemeinsamen Ortstermin im Ausbauabschnitt der A8 bei Remchingen-Nöttingen mit der Staatssekretärin im Ministerium für Verkehr und Infrastruktur Dr. Gisela Splett und Reinhard Wagner vom Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung (LGL). Thema war der nachträgliche Bau einer speziellen Querungshilfe für Wildtiere, um die Vernetzung des Schwarzwaldes mit dem Stromberg zu gewährleisten.

Remchingen. "Die A8 als eine der meistbefahrenen Autobahnen Deutschland zerschneidet an dieser Stelle den europaweit wichtigen Wildtierkorridor Schweizer Jura - Schwarzwald - Odenwald", erläuterte BUND-Landegeschäftsführer Berthold Frieß beim Ortstermin, "deswegen ist es absolut notwendig, dass den Tieren die Querung der Autobahn ermöglicht wird." Von der Wiedervernetzung des Wanderkorridors profitieren zahlreiche Tierarten wie etwa die kürzlich im Stromberg wiederentdeckte Wildkatze. Auch bestimmte an den Lebensraum Wald gebundene Fledermaus-, Vogel und Schmetterlingsarten benötigen die Querungshilfe zwischen Schwarzwald und Stromberg.

Viele Wildtiere unternehmen im Verlauf ihres Tages- oder Jahresaktivitätsrhythmus zum Teil weiträumige Wanderungen. Nur durch den räumlichen Austausch der Individuen einer Art und die dadurch beförderte genetische Durchmischung können einzelne Populationen gesund erhalten werden. Eingezäunte oder stark frequentierte Straßen bilden bei diesem Austausch besonders große Barrieren. "Eine der möglichen Maßnahmen zur Minimierung dieser schädlichen Auswirkung des Straßenbaus ist der Bau von Querungshilfen", so Berthold Frieß.

Dieses Anliegen verfolgt der BUND Landesverband Baden-Württemberg in seinem Projekt "Integration des Generalwildwegeplans in Flurneuordnungsverfahren". Für dieses Vorhaben hat der BUND gemeinsam mit der Oberen Flurbereinigungsbehörde in Baden-Württemberg, dem LGL, unter anderem die Autobahnquerung bei Remchingen-Nöttingen ausgewählt. Wie in weiteren angrenzenden Gemeinden der auszubauenden Autobahn wird auch hier im Gemeindegebiet eine Flurneuordnung durchgeführt. Im Zuge dieser Neuordnung können Ausgleichsflächen des Unternehmensträgers sowie der Teilnehmergemeinschaft der Flurneuordnung gebündelt und gezielt in den Wildtierkorridor verlegt werden. Durch die Anlage von sogenannten Trittsteinbiotopen wie z.B. Hecken und Feldgehölzen kann ein großräumiger Biotopverbund geschaffen werden.

Im Generalwildwegeplan des Landes ist dieser Korridor in die höchste Kategorie "Querungsabschnitt von sehr hoher Relevanz" eingestuft. Bei der Planfeststellung des Autobahnausbaus aus dem Jahr 2003 konnte der Wildtierkorridor noch nicht berücksichtigt werden. Nun setzen sich BUND und Flurneuordnung dafür ein, den Bau einer Querungsmöglichkeit für Wildtiere nachträglich einzurichten.

Nachdem Bundesverkehrsminister Ramsauer Anfang September das im schwarz-gelben Koalitionsvertrag eigentlich zugesagte "Bundesprogramm zur Wiedervernetzung" gestoppt hat, liegen die Hoffnungen bei Staatssekretärin Gisela Splett. "Das Land muss sich für die Fortführung des Bundesprogramms engagieren, damit die entsprechenden Mittel verfügbar werden", so der BUND-Landesgeschäftsführer.

Staatssekretärin Gisela Splett wies ebenfalls auf die Bedeutung der baldigen Fortführung des Bundesprogramms zur Wiedervernetzung hin, für die sich Baden-Württemberg aktuell auf Bundesebene einsetzt. Beim Ortstermin unterstrich die Staatssekretärin: "Tierquerungshilfen wie Grünbrücken, Unterführungsbauwerke oder auch Amphibiendurchlässe sind wichtige Maßnahmen, um erhebliche Trennwirkungen von Straßen zu vermeiden und bedeutende Wanderwege für Wildtiere aufrechtzuerhalten. Damit leisten die Querungshilfen einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung der Biologischen Vielfalt."

Besonders wichtig ist den Beteiligten, dass die Bürgerinnen und Bürger vor Ort in das Vorhaben mit einbezogen werden. "Damit die Grünbrücke auch von der örtlichen Bevölkerung akzeptiert wird, müsste eine Brücke multifunktional gebaut werden", betont Reinhard Wagner vom LGL, "aus wildtierökologischer Sicht ist dies zwar suboptimal, könnte aber bei ausreichender Breite und entsprechender Gestaltung akzeptiert werden."

Derzeit befindet sich an der Stelle die relativ schmale "Nusswegbrücke", die von Land- und Forstfahrzeugen genutzt wird sowie Teil eines Radwanderweges ist. Die Brücke ist im Generalwildwegeplan als noch auszubauende Querungsmöglichkeit für Wildtiere aufgeführt, soll nach derzeitiger Planung aber noch schmaler gebaut werden. "Für Wildtiere ist ein solches Bauwerk, das weder den nötigen Untergrund, Grünstrukturen noch Irritationsschutz durch den Verkehr aufweist, nicht nutzbar", so Berthold Frieß, "es ist die Aufgabe von Landesregierung und Regierungspräsidium, die Umsetzung des Generalwildwegeplans sicherzustellen."

Der BUND-Landesgeschäftsführer machte darauf aufmerksam, dass die Umsetzung des Generalwildwegeplans in der Fläche nur Sinn ergebe, wenn auch Querungen über stark befahrene Straßen möglich sind. "Während unsere Verkehrswege ständig ausgebaut und erweitert werden, haben andere das Nachsehen. Vor allem unsere heimische Tierwelt wird durch den zunehmenden Flächenverbrauch und ein immer engmaschigeres Straßennetz weiter eingeschränkt", mahnte Frieß, "haben wir uns vor kurzem noch über die Wiederentdeckung der Wildkatze im Land gefreut, so ist auch Fakt, dass sie, wie auch andere Wildtierarten, durch unsere Mobilität bedroht wird." Frieß forderte die Landesregierung auf, einen Umsetzungsplan für 10 an Erweiterungs- und Neubaustrecken gelegene Querungsabschnitte mit hoher Relevanz vorzulegen. "Zusätzlich muss aber auch die Finanzierung für Konfliktpunkte an Bestandsstrecken sichergestellt werden", so der BUND-Landesgeschäftsführer.


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Quelle:
Presseinformation, 14.11.2011
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. November 2011