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WALD/031: Wasser - das "blaue Gold" des Waldes (ForschungsReport)


ForschungsReport 1/2011
Ernährung · Landwirtschaft · Verbraucherschutz

Wald und Holz
Wasser - das "blaue Gold" des Waldes

Von Jürgen Müller (Eberswalde)


Wald und Wasser beeinflussen sich auf vielfältige Weise gegenseitig - ob als Regen aus der Luft, als Feuchtigkeit und Sickerwasser im Boden oder als Gebietswasserabfluss in der Landschaft. Das Wasser in seinen unterschiedlichen Niederschlagsformen versorgt den Wald mit dem notwendigen Lebenselixier. Der Wald revanchiert sich nicht nur durch eine gute Qualität des Grundwassers, sondern schützt auch vor Bodenerosion, führt zu gleichbleibendem Wasserabfluss, mindert die Überschwemmungsgefahr und mildert Klimaextreme. In Anbetracht der globalen Klimaveränderung hat der Wald durch seine positiven Wirkungen auf den Wasserhaushalt weltweit eine herausragende Bedeutung. Sich in Intensität und Dauer häufende Trockenperioden können unsere Wälder in ihrer Existenz und ihren Funktionen bedrohen. Die heute begründeten Wälder müssen sich daher an die Umweltbedingungen der Zukunft anpassen können.

Alles ist aus dem Wasser entsprungen! Alles wird durch das Wasser erhalten!

(Johann Wolfgang von Goethe, Faust 2. Teil)



Der Wald - einzigartiges Landschaftselement

Etwa ein Drittel Deutschlands ist mit Wald bedeckt. Damit hat der Wald einen wesentlichen Einfluss auf die Landschaft und den Landschaftswasserhaushalt. Verglichen mit anderen Landökosystemen weisen Wälder Besonderheiten auf, die sich direkt auf die Höhe von Verdunstung und Grundwasserneubildung auswirken.

Diese sind:
→ die Höhe und Oberfläche des verdunstenden Kronendaches,
→ die ausgeprägte vertikale Schichtung des Waldes in Baum-, Strauch- und Krautschicht,
→ die räumliche Ausdehnung der Wälder in der Landschaft.

Zusammen mit den sich ändernden Umweltbedingungen sind die strukturellen Besonderheiten des Waldes Anlass, die Wechselwirkungen zwischen Wald und Wasser deutschlandweit zu untersuchen. Dabei stehen besonders drei Fragen im Vordergrund:
→ Wie beeinflusst die Baumart die Höhe der Grundwasserneubildung und welche Möglichkeiten hat die Forstwirtschaft, den Landschaftswasserhaushalt zu beeinflussen?
→ Wie verändern sich der Wasserverbrauch und das Wachstum der Wälder bei geringer werdenden Wasserressourcen innerhalb der Vegetationsperiode?
→ Wie sauber ist das nutzbare Sickerwasser unter dem Wald?

Abb. 1: Wasserumsatz im Wald (schematische Darstellung von Niederschlag, Umsetzung und Versickerung) - © vTI

Abb. 1: Wasserumsatz im Wald
© vTI

Der Weg des Wassers

Im Institut für Waldökologie und Waldinventuren des Johann Heinrich von Thünen-Instituts, im Nordosten Brandenburgs gelegen, wird der Wasserhaushalt des Waldes intensiv erforscht. Aufgrund der Standortbedingungen des nordostdeutschen Tieflands (Niederschlagsarmut, geringes Wasserdargebot, hoher Waldanteil mit der Dominanz der Kiefer und sandige Böden) stellte sich schon sehr früh die Frage nach der Höhe des Wasserverbrauches des Waldes. Unter den Bedingungen zukünftig zunehmender Sommertrockenheit sind die Waldbestände dieser Region besonders in ihrer Existenz gefährdet.

Verfolgen wir den Weg des Regens aus der Atmosphäre durch den Wald bis in den Boden.

Der Niederschlag wird beim Durchfließen durch die Baum-, Strauch- und Krautschicht umverteilt und zum Teil verbraucht. Er fließt dem Waldboden als Stammabfluss und Unterkronen-Niederschlag zu, füllt den Bodenwasserspeicher und fließt unterhalb der Hauptwurzelzone als Sickerwasser dem Grundwasser zu. Die Gesamtheit des Wasserverbrauches, Verdunstung genannt, besteht aus Interzeption, Transpiration und Evaporation (Abb.1). Die Kronendächer des Waldes wirken wie ein Schirm. Sie halten das Wasser zurück und verdunsten einen Teil in die Atmosphäre. Dieser Vorgang wird Interzeption genannt. Der Wald hat im Vergleich zu anderen Vegetationsformen den höchsten Wasserverbrauch. Die Bäume nehmen das Wasser aus dem Boden auf, transportieren es zu den Nadeln und Blättern. Die Antriebskraft für diesen Transport ist die Verdunstung von Wasser über die Blätter, auch Transpiration genannt. An warmen Sommertagen transpiriert ein Buchenwald bei ausreichender Wassernachlieferung aus dem Boden ca. 40.000 bis 60.000 Liter Wasser pro Hektar (Abb. 2). Die Evaporation ist die Verdunstung am Waldboden.

Abb. 3: Trendverlauf des Waldinnenklimas im Kiefern-, Buchen- und Kiefern-Buchen-Mischbestand an einem heißen Sommertag (Temperaturverlauf nach Uhrzeit) - © vTI

Abb. 3: Trendverlauf des Waldinnenklimas im Kiefern-, Buchen- und Kiefern-Buchen-Mischbestand an einem heißen Sommertag
© vTI

Der Wald im großen Blumentopf

Um zu diesen Ergebnissen zu kommen, bedarf es intensiver Messungen in und um den Wald. Wegen der Komplexität des Waldes müssen eine Vielzahl innovativer Messgeräte entwickelt und eingesetzt werden. Die forsthydrologische Forschung hat in der Region um Eberswalde eine lange Tradition. Bereits im Jahr 1907 wurden erste Untersuchungen zum Wasserverbrauch kleiner Kiefern durchgeführt. Dabei kamen erstmalig in der Welt Lysimeter zum Einsatz. Lysimeter sind mit Erde gefüllte Kästen, die das durch den Boden nach unten sickernde Wasser in Menge und Qualität messbar machen. Mit ihnen lässt sich der Stoff- und Wasserhaushalt von Vegetation, Vegetationsdecken und anderen Bedeckungen ermitteln. Sie sind sozusagen "Blumentöpfe", die aber für die Untersuchung von Bäumen besonders groß sein müssen.

Abb. 4: Prinzipskizze eines mit Bäumen bewachsenen Großlysimeters (schematische Darstellung) - © vTI

>Abb. 4: Prinzipskizze eines mit Bäumen bewachsenen Großlysimeters © vTI

1972 wurden in Britz bei Eberswalde neun solcher großen Behälter mit einer Tiefe von 5 m und einer Oberfläche von 100 m² (10 x 10 m) angelegt (Abb. 4). Die "Britzer Großlysimeter" sind in ihrer Dimension im europäischen Maßstab einmalig. Mit ihnen wird der Baumarten- und Alterseinfluss auf Grundwasserneubildung und Verdunstung sowie Wasserbeschaffenheit untersucht. Die fast 40-jährigen Ergebnisse der Großlysimeter lassen Aussagen zur Veränderung des Wasserhaushaltes aufwachsender Bestände von Kiefer, Buche, Lärche und Douglasie zu.

Das zukünftige Waldbild in Deutschland - und so auch im nordostdeutschen Tiefland - soll durch möglichst vielfältig strukturierte Mischbestände geprägt sein. Vor diesem Hintergrund wurden einzelne Lysimeterbestände im Jahr 2000 mit Buche und Eiche unterbaut, um einschätzen zu können, welche Konsequenzen ein solcher Umbau für den Landschaftswasserhaushalt hat.

Aktuell untersuchen wir im Institut schwerpunktmäßig, wie sich Trockenheit auf das Wachstum und die Vitalität junger Waldbäume unterschiedlicher Herkünfte im Freiland auswirkt. Dazu wurde im Jahr 2009 eine neue Freiland-Lysimeteranlage (Trockenlabor "Drylab", Abb. 5) in Betrieb genommen. Mit dieser Anlage können wir weitgehend kontrollierte Bedingungen herstellen.

Abb. 5: Im 'Drylab' (mehrere runde, isolierte Beete) wird der Wuchs junger Bäume verschiedener Herkünfte im Freiland unter gezielter Wasserzufuhr untersucht. Eine unkontrollierte Zufuhr von Wasser durch Regen wird durch ein automatisches Dach ausgeschlossen - © vTI

Abb. 5: Im "Drylab" kann der Wuchs junger Bäume verschiedener Herkünfte im Freiland unter kontrollierten Feuchtigkeitsbedingungen untersucht werden. Bei Regen fährt das bewegliche Dach (im Hintergrund) automatisch über die Bestände. Die Wasserzufuhr erfolgt gezielt durch Bewässerung.
© vTI


Die Buche - das Wasserwerk im Wald

Ein wesentliches Ergebnis unserer Forschung ist, dass es vor allem die Baumart ist, die über die Höhe der Grundwasserneubildung unter Wald entscheidet. Baum ist nicht gleich Baum. Jede Baumart hat ihre spezifischen Eigenschaften, die das Zurückhalten des Niederschlages in den Kronendächern und die Verteilung am Waldboden beeinflussen. Die Kiefer hat eine offene, sperrige Krone. An den langen Nadeln bleibt relativ viel Wasser haften. Sie ist immergrün. Aufgrund dieser Kronenarchitektur wird viel Wasser in den Kronendächern gespeichert. Es verdunstet dort und gelangt nicht zum Waldboden. In den Kronen 80- bis 100-jähriger Kiefern verdunstet durchschnittlich ein Drittel des jährlichen Niederschlages.

Die Buche hat saisonale Belaubungsunterschiede (sommergrün, winterkahl), ihre Äste und Zweige leiten dem Stamm trichterförmig Wasser zu, die glatte Rinde lässt das Wasser am Stamm gut abfließen. In den Buchenkronen verdunstet nur ein Fünftel bis ein Viertel der jährlichen Regenmenge. Diese baumartenspezifischen Unterschiede beeinflussen unmittelbar die in den Boden sickernde Wassermenge und im weiteren Verlauf die Höhe der Grundwasserneubildung.

Diese Unterschiede sind von großer wasserwirtschaftlicher Bedeutung. Wasserhaushaltsmodellierungen erbrachten, dass die potenzielle Grundwasserneubildung im Bestandesleben eines Kiefernwaldes auf Sandboden (120 Jahre) bei 80.000 m3/ha liegt, ein Buchenwald unter vergleichbaren Witterungs- und Bodenbedingungen entlässt dagegen mehr als das Doppelte in das Grundwasser.


Sauberes Wasser - Lebensquelle des 21. Jahrhunderts

Das Wasser ist längst zur Handelsware geworden. Der Kampf um das "blaue Gold" hat begonnen. Sauberes Wasser gilt als die Lebensquelle des 21. Jahrhunderts.

Für die Trinkwassernutzung ist das Nitrat ein wichtiger Qualitätsparameter. Sein Grenzwert liegt in der Trinkwasserverordnung bei 50 mg/l. Das unter intensiv landwirtschaftlich genutzten Flächen gewonnene Wasser liegt in der Regel deutlich über dieser Norm. Das Sickerwasser unter Wald hat dagegen in den meisten Fällen Trinkwasserqualität, das zeigen die baumartenspezifischen Untersuchungen zur Sickerwasserqualität auf den Flächen des Forstlichen Umweltmonitorings in unterschiedlichen Regionen Deutschlands (Abb. 6).

Abb. 6: (Kurve) Nitratkonzentration im Sickerwasser unterhalb der Hauptwurzelzone für Wald und Landwirtschaft - © vTI

Abb. 6: Nitratkonzentration im Sickerwasser unterhalb der Hauptwurzelzone für Wald und Landwirtschaft (Quelle Landwirtschaft: Knappe, Haferkorn, Meissner, 2002; Quelle Wald: BFH Datensatz Forstliches Umweltmonitoring, Level II)
© vTI

Damit dies so bleibt, verzichten die Förster im Rahmen der naturnahen Waldwirtschaft auf den Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmitteln. Der Umbau der reinen Kiefernbestände zu Laub-Mischwäldern reduziert nicht nur das Schadensrisiko durch Schädlingsbefall, Stürme oder Waldbrände, er wirkt sich auch positiv auf die Reinheit des Wassers unter Wald aus.

Die Multifunktionalität des Waldes mit seinen landeskulturellen und ökologischen Wohlfahrtswirkungen für Wasser, Boden und Klima sowie die Holzproduktion machen ihn zu einem unschätzbaren Gut. Seine Erhaltung und bedarfsweise Mehrung ist eine gesellschaftliche Notwendigkeit.

Dr. Jürgen Müller, Johann Heinrich von Thünen-Institut (vTI), Institut für Waldökologie und Waldinventuren, Alfred-Möller-Str. 1, 16225 Eberswalde. E-Mail: juergen.mueller[at]vti.bund.de


Entnommen aus ForschungsReport 1/2011.
Diesen Artikel inclusive aller Abbildungen finden Sie im Internet im PDF-Format unter:
www.forschungsreport.de


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Quelle:
ForschungsReport Ernährung · Landwirtschaft · Verbraucherschutz
1/2011, Heft 43 - Seite 16-19
Herausgeber:
Senat der Bundesforschungsanstalten im Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Schriftleitung & Redaktion: Dr. Michael Welling
Geschäftsstelle des Senats der Bundesforschungsanstalten
c/o Johann Heinrich von Thünen-Institut (vTI)
Bundesallee 50, 38116 Braunschweig
Tel.: 0531/596-1016
E-Mail: michael.welling@vti.bund.de
Internet: www.forschungsreport.de, www.bmelv-forschung.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Juni 2011