Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → FAKTEN

WALD/107: 10 Jahre Volksbegehren aus Liebe zum Wald - BN fordert Korrekturen an Forstreform in Bayern (BN)


Bund Naturschutz in Bayern e.V. - München, 19. November 2014

10 Jahre Volksbegehren aus Liebe zum Wald

BN fordert Korrekturen an Forstreform in Bayern



Vor genau 10 Jahren wollte eine breite Allianz von Umweltverbänden mit dem Volksbegehren "Aus Liebe zum Wald" die angekündigte Privatisierung und die einseitige gewinnorientierte Ausrichtung des Staatsforstes verhindern. Das Volksbegehren scheiterte mit 9,3% knapp an der 10%-Hürde, weil die Staatsregierung versprach, die Qualität der vorbildlichen Waldbewirtschaftung weiterhin zu sichern. "Wir stellen 10 Jahre nach dem Volksbegehren fest, dass zentrale Versprechungen der Staatsregierung nicht eingehalten wurden", so Hubert Weiger, Landesvorsitzender des BUND Naturschutz in Bayern (BN). "Der BN erkennt aber auch positive Entwicklungen wie fortschrittliche Naturschutz- und Artenschutzkonzepte an. Diese guten Ansätze sollten verstärkt und in allen Forstbetrieben umgesetzt werden." "Wir sehen mit großer Sorge, dass seit der Forstreform die Staatsregierung und die Bayerischen Staatsforsten (BaySF) in etlichen Fällen den Wald nicht schützen, sondern opfern, um z.B. am Sandabbau zu verdienen oder um Gewerbegebiete zu ermöglichen", kritisiert Richard Mergner, Landesbeauftragter des BN. "Es ist ein Skandal erster Güte, dass die Staatsregierung es zugelassen hat, dass ca. 7.000 Hektar Bergwald den Schutz des Waldgesetzes verloren haben", kritisiert Hans Kornprobst, Sprecher der BN Arbeitskreises Wald die waldfeindliche Entwicklung in Bayern. "Der Waldschutz muss in Bayern wieder mehr Gewicht bekommen: der Schutz der Waldflächen selbst und auch der Schutz sich natürlich entwickelnder Wälder", so der BN-Waldreferent Ralf Straußberger. Der BN fordert im Staatswald dem Gemeinwohl Vorrang einzuräumen, die Holzeinschläge zu reduzieren und naturverträglicher durchzuführen, die Kontrolle, die Transparenz und die Bürgerbeteiligung zu verbessern.

Zahlreiche Versprechen der Staatsregierung nicht eingehalten

Die mit der Forstreform anvisierte Zahl von 500 Forstrevieren wurde für den Staatswald mit 370 deutlich unterschritten. Anstatt die Anzahl der Förster und Waldarbeiter in der Fläche zu erhalten, wurde die Mitarbeiterzahl in der Zentrale deutlich erhöht. Heute hat ein Revierförster fast doppelt so viel Fläche zu betreuen wie vor der Forstreform. Daraus resultieren - trotz oft starkem Engagement - große Schwierigkeiten die vielfältigen Aufgaben und die Ansprüche der Gesellschaft so vorbildhaft zu erfüllen, wie es die gesetzlich Vorgaben vorschreiben. Diese personelle Ausdünnung ist eine Hauptursache für die Fehlentwicklungen im Staatswald. So kann z.B. die Wildbestandsregulierung und Jagd nicht mehr im notwendigen Umfang betrieben werden. Als Folge davon steigt der Wildverbiss und zu wenig Weißtannen oder Eichen wachsen für zukunftsfähige Mischwälder nach. Positive Ausnahmen zeigen, dass auch hier Verbesserungen möglich sind, die auf das immense persönliche Engagement einzelner Revierförster zurückzuführen sind. Der BN hat deshalb 2011 drei Staatswaldförster im Landkreis Traunstein mit der Karl Gayer-Medaille geehrt. Erschwerend kommt hinzu, dass mit der sogenannten "Funktionalisierung" der Förster die Zuständigkeiten aufgespalten wurden: die Kernaufgaben im Wald (wie das Auszeichnen der zu fällenden Bäume oder die anschließende Holzernte) werden oft von unterschiedlichen Mitarbeitern durchgeführt, so geht der persönliche Bezug zum Wald verloren.

Im Staatswald regiert Geld vor Nachhaltigkeit

Eine der wesentlichen Befürchtungen beim Volksbegehren war, dass im Staatswald im Zweifel der Ökonomie Vorrang vor den Gemeinwohlfunktionen eingeräumt wird. Strebte die Staatsregierung mit der Forstreform anfangs noch eine "Schwarze Null" an, setzt der BaySF-Vorstandsvorsitzende Rudolf Freidhager mit seinem Leitspruch, dass am Ende des Tages eben der Euro zählt, ganz klar auf Gewinnmaximierung. Bei der Präsentation der jährlichen BaySF-Gewinne von bis zu 70 bzw. 80 Mio. EUR wird von der Staatsregierung geflissentlich verschwiegen, dass der Ausgabenetat der Forstverwaltung in einer ähnlichen Größenordnung liegt. Waldrodungen werden toleriert, weil am Abbau von Bodenschätzen kräftig verdient wird oder Windkraftanlagen im Übermaß sollen den Gewinn noch weiter steigern. Der BN und viele Waldbesucher klagten immer wieder darüber, dass mehr Holz eingeschlagen wird, als aus Sicht der Nachhaltigkeit und der Artenvielfalt zu verantworten ist. Auf besondere Waldfunktionen, wie z.B. im Erholungswald in Stadtnähe nimmt die immer stärker mechanisierte und schematisierte Holzernte zu wenig Rücksicht. Holzeinschläge in der Brutzeit sind heute eher die Regel denn die Ausnahme. Diese Kritik wird durch aktuelle Ergebnisse der Bundeswaldinventur bestätigt, die für den gesamten Staatswald in Bayern Holzeinschläge (8,1 Millionen Festmeter) ausweist, die über den Zuwächsen liegen (7,8 Millionen Festmeter). Die Grenzen der Nachhaltigkeit sind überschritten.

Zu wenig Transparenz, Kontrolle und Bürgerbeteiligung

Der Landtag - als Vertreter des Volkes - sollte ursprünglich weiterhin mitbestimmen und gestalten können, ist aber dann auf eine lediglich beratende Funktion im Beirat reduziert worden. Die Staatsregierung wollte mit der Forstreform die von ihr kritisierte Eigenkontrolle des Forstes abschaffen, hat aber ein noch wesentlich schlechteres Modell errichtet. Heute kann niemand mehr die BaySF ausreichend kontrollieren, außer die BaySF selbst, die dann ihre Prüfungsergebnisse als Betriebsgeheimnis tituliert. Die Eigenkontrolle hat nicht ab-, sondern zugenommen. Zugenommen haben auch die Hochglanzbroschüren und die Intransparenz. Die versprochene Transparenz ist ins Gegenteil verkehrt worden, getreu nach dem Motto von Freidhager: wir geben nur das heraus, was wir herausgeben müssen. Als Beispiele hierfür kann die langjährige Verweigerung der Herausgabe der Naturschutzkonzepte der Forstbetriebe oder die unzureichende Beantwortung der Fragen von Mitgliedern des BaySF-Beirats gelten.

Positive Entwicklungen verstärken

Der BN erkennt allerdings an, dass sich die BaySF nach schwerwiegenden Defiziten in den Anfangsjahren bei Kahlschlägen, Biotopbaumfällungen und Bodenschäden nicht zuletzt auf die BN-Kritik hin deutlich verbessert hat. Mit fortschrittlichen Naturschutzkonzepten und diversen Artenschutzinitiativen hebt sich die BaySF auch positiv von der vormaligen Staatsforstverwaltung ab. "Beim Wildkatzen-Kartierungsprojekt des BUND und BN arbeiten wir hervorragend mit den Staatsforstbetrieben zusammen", lobt Weiger die BaySF. Das Projekt soll in Südbayern fortgesetzt werden.

Zu wenig Personal für Daueraufgabe "Waldumbau"

In der Forstverwaltung wurde ebenfalls am falschen Ende gespart. Angesichts des überfälligen Waldumbaus von großflächigen Nadelholzforsten in Mischwälder im Kommunal- und Privatwald gibt es viel zu wenig Förster für die Beratung der Waldbesitzer. Die sogenannte Forstreform hat nicht nur die Verwaltung reformiert, sondern den Umgang mit den Staatswäldern grundlegend geändert. Nötig ist eine Korrektur der Forstreform. Der BUND Naturschutz fordert: Durch eine Waldgesetzänderung muss der Vorrang für das Gemeinwohl im öffentlichen Wald festgelegt werden.

Die BaySF müssen als einer der größten Waldbesitzer Mitteleuropas auch im Naturschutz Vorreiter werden und dazu die Fläche der nutzungsfreien Waldschutzgebiete verdreifachen, um die nationale Zielvorgabe zu erreichen.

Bei der Planung und der Kontrolle der Staatswaldbewirtschaftung muss die Stellung der Forstverwaltung und des Landtags deutlich gestärkt werden. Dadurch soll die Eigenkontrolle der BaySF beendet werden und moderate, nachhaltige Nutzungsmengen sichergestellt werden.

Außerdem muss mehr Transparenz beim Zugang zu Daten für Verbände hergestellt, eine ausreichende Bürgerbeteiligung bei der Forstplanung sichergestellt werden. Dazu soll auch die Zertifizierung nach FSC beitragen.

Der anstehende Wechsel im BaySF-Vorstand sollte auch für eine inhaltliche Neuausrichtung genutzt werden.

Gute Konzepte helfen wenig, wenn nicht genug Fachpersonal da ist, um sie Wald umzusetzen. Die Anzahl der Revierförster in der BaySF muss deshalb deutlich erhöht und ihnen auch wieder die Alleinverantwortung und die Waldarbeiter für ihr Revier zurückgeben werden. In der Forstverwaltung sind für den Waldumbau 100 zusätzliche Försterstellen zu schaffen.


Hintergrundinformationen
Volksbegehren "Aus Liebe zum Wald"

Im Jahr 2004 initiierte der BUND Naturschutz das Volksbegehren "Aus Liebe zum Wald". Obwohl es mit 9,3 Prozent Eintragungen knapp an der 10% Hürde scheiterte und es somit nicht zum Volksentscheid kam, kann dieses Volksbegehren als großer Erfolg bezeichnet werden, denn es hat in weiten Kreisen der Bevölkerung zu einem neuen Waldbewusstsein geführt und politisch einiges auf den Weg gebracht. So wurden die allgemeinen Ziele des Waldgesetzes verbessert, wie die Aufnahme des Grundsatzes "Wald vor Wild". Auch auf der umweltpolitischen und gesellschaftlichen Ebene konnte einiges erreicht werden. Die öffentliche Aufmerksamkeit für den Wald und seine Schutz- und Erholungsfunktionen wurden massiv verstärkt. Zum ersten Mal fand eine intensive gesellschaftliche Debatte statt über die Art und Weise der Waldbewirtschaftung. Das übereilte Reformtempo der Staatsregierung war gebremst worden und Anhörungen wurden durchgeführt.

*

Quelle:
Presseinformation, 19.11.2014
Herausgeber:
Bund Naturschutz in Bayern e.V.
Landesgeschäftsstelle
Dr.-Johann-Maier-Str. 4, 93049 Regensburg
Tel. 0 941/ 2 97 20-0, Fax 0 941/ 2 97 20-30
E-Mail: info@bund-naturschutz.de
Internet: www.bund-naturschutz.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. November 2014