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WALD/155: Wie werden Wälder fit für den Klimawandel (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Herbst 2018
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

Wie werden Wälder fit für den Klimawandel?

von Nicole Flöper


Das Forschungsprojekt "Gläserner Forstbetrieb" nimmt die Waldbewirtschaftung unter die Lupe. Ziel ist es, herauszufinden, welche Maßnahmen wirken, um sich in der Forstwirtschaft auf den Klimawandel einzustellen.


Die Sonne scheint, der Schweiß rinnt über die Stirn - es ist ein heißer Sommer. Auch im September ist es noch über 25 Grad warm. Da kommt etwas Abkühlung im Wald wie gerufen. Doch das gelingt nicht immer: Heute stehen wir in einem Brandenburger Kiefernwald, der sehr sonnendurchlässig ist, trocken und ziemlich ausgetrocknet. Bei jedem Schritt rascheln brüchige Kiefernnadeln und Moos, die keine Feuchtigkeit mehr haben. Wer sich in der Forstwirtschaft auf den Klimawandel einstellen will, muss wissen, wie man solche monotonen Waldstrukturen verändern kann und wie sich verschiedene Maßnahmen langfristig auswirken könnten.

Inwieweit der Wald Klimaschutzleistungen erbringt, ist Teil eines Forschungsprojektes, das der NABU 2017 zusammen mit drei Partnern begonnen hat: das Projekt "Gläserner Forstbetrieb". Gemeinsam mit dem Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft des Landes Brandenburg, der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde und der Georg-August-Universität Göttingen wird geforscht. Das deutschlandweit einmalige Vorhaben soll Aufschluss über Waldstrukturen und -entwicklung, Holzernte und Klimawandelresistenz geben sowie die ökologischen und ökonomischen Auswirkungen verschiedener forstlicher Maßnahmen im Wirtschaftswald untersuchen. Für diesen Zweck haben die NABU-Stiftung Nationales Naturerbe und der Landesbetrieb Forst Brandenburg mehr als tausend Hektar Wald für die Forschung zur Verfügung gestellt. Die beiden Gebiete liegen im nördlichen Brandenburg, in der Nähe von Gollin sowie am Wittwesee bei Rheinsberg, wo wir heute die 520 Hektar großen Flächen besuchen.

Geplante Waldverjüngung und Klimalogger

Stefan Adler, NABU-Waldreferent, Simon Grohe, Schutzgebietsmanager der NABU-Stiftung, und Elsa Hans vom Zentrum für Ökonik und Ökosystemmanagement an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde begutachten die Flächen. Bei drei verschiedenen Vergleichsflächen wurden jeweils auf zwei Hektar 5.000 Buchen gepflanzt. Jeweils ein Hektar dieser Fläche wurde zum Schutz vor Wildverbiss eingezäunt. Auf der dritten Fläche wurden zusätzlich gut 130 Kiefern je Hektar gefällt, um Totholz zu schaffen und mehr Licht auf den Boden kommen zu lassen. Die Kiefern der Untersuchungsflächen sind gut 65 Jahre alt. Die Flächen unterscheiden sich in der Bestandsdichte, also darin, wie viele Bäume auf einem Hektar stehen. Zum Vergleich gibt es noch ein Totalreservat, das seit gut 25 Jahren nicht bewirtschaftet wurde. Eine weitere ökologische Vergleichsfläche ist ein alter Buchenwald, die sogenannten "Heiligen Hallen".

Generell erwärmen sich die Kiefernforste deutlich stärker als der alte Buchenwald.

Auf ausgewählten Untersuchungsflächen stehen in verschiedenen Bereichen sogenannte mikroklimatische Datenlogger. Die Klimalogger, die aussehen wie große USB-Sticks, messen permanent Temperatur und relative Luftfeuchtigkeit im Wald. "So kann erforscht werden, welchen Einfluss etwa Holzernte- oder Verjüngungsmaßnahmen auf das Innenklima des Waldes haben - eine entscheidende Frage im Hinblick auf die Stresstoleranz der Wälder im Klimawandel", sagt NABU-Waldexperte Stefan Adler. Auf kleineren Flächen sind Drahtzäune, sogenannte Weisergatter, aufgestellt. Durch das Einzäunen wird der Wildeinfluss von Rehen und Hirschen, die gern an den frischen Trieben knabbern, erforscht. "Wir wollen auch wissen, wie groß der Einfluss vom Wild auf die Verjüngung ist", so Adler. Zudem wird die Entwicklung der Bodenvegetation systematisch beobachtet.

Parallel dazu führt Maike Schluhe von der Abteilung für Forstökonomie der Universität Göttingen für die beiden Gebiete eine Inventur durch. Auf der Basis eines Stichprobendesigns werden Daten über Baumarten, Holzvorräte, Dimensionen und Strukturen der Bestände sowie deren Nutzungen erfasst. Auch werden für die waldbaulichen Maßnahmen die anfallenden Erlöse und Kosten sowie Folgen für die CO2-Bindung im Wald und in den Holzprodukten bestimmt.

Naturnahe Strukturen schaffen

Doch warum dieses Projekt hier in Brandenburg? "Monotone Kiefernforste sind ein Problem. Sie sind anfälliger, haben negative Auswirkungen auf den Boden und verbrauchen zu viel Wasser. Wie trocken und anfällig solche Wälder werden können, haben im Sommer die Waldbrände in Kiefernforsten gezeigt, die für bundesweite Aufmerksamkeit sorgten", erklärt Adler. Im Projekt sollen durch das Pflanzen von Laubbäumen und die Anreicherung mit Totholz naturnähere Strukturen hergestellt werden. Totholz ist nicht nur ein wichtiger Ausgangspunkt für die Artenvielfalt im Wald, sondern speichert zudem Wasser, welches bei lang anhaltender Dürre und Hitze verdunsten kann und somit den Wald kühlt. Das ist in Zeiten des Klimawandels besonders wichtig.

Das Projekt ist für sechs Jahre angelegt: "Das ist natürlich zu kurz, denn die Waldentwicklung dauert viel länger. Aber ein Anfang ist gemacht", findet Adler. Innerhalb eines Jahres (das Projekt läuft seit Februar 2017) gibt es natürlich noch keine abschließenden Ergebnisse, aber erste Hinweise: Es sind auf jeden Fall Unterschiede in den Tageshöchsttemperaturen der einzelnen Vergleichsflächen zu sehen. Generell erwärmen sich die Kiefernforste deutlich stärker als der alte Buchenwald. An manchen Tagen konnte eine Differenz von über 10 Grad Celsius zwischen dem Buchenwald und einem bewirtschafteten Kiefernforst festgestellt werden.

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Quelle:
Naturschutz heute - Heft 3/18, Seite 12 - 13
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"Naturschutz heute" ist das Mitgliedermagazin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Dezember 2018

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