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ÖKOSYSTEME/097: Den Faktor Mensch im biologischen Flickflack der Küstengewässer erkennen (idw)


Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde - 06.06.2017

Den Faktor Mensch im biologischen Flickflack der Küstengewässer erkennen


Biologische Langzeitdatenserien sind wertvolle Datenarchive, um Auswirkungen des menschlichen Einflusses auf die Ökosysteme oder Klima-getriebene Regime-Veränderungen zu identifizieren. In Küstengewässer jedoch, dort wo der Süßwasserzustrom von Land gemeinsam mit dem Wettergeschehen und lokalen Strömungen zu rasch wechselnden Werten von Salzgehalt, Temperatur und Sauerstoff führt, kommt ihre Aussagekraft an ihre Grenzen. Zu dominant sind die Reaktionen der Lebensgemeinschaften auf diese Umweltparameter. Einer Gruppe Warnemünder Wissenschaftler ist es nun gelungen mithilfe statistischer Verfahren weitere Einflussgrößen zu identifizieren.

Auf den ersten Blick erscheint es unmöglich, für Veränderungen bei den Häufigkeiten von benthischen Organismen oder deren Artenreichtum andere Ursachen zu erkennen, als die alles maskierenden Reaktionen auf die rasch wechselnden Salzgehalte oder saisonalen Sauerstoffmangel. Sind wir damit am Ende der Interpretierbarkeit biologischer Langzeitdaten in Küstengewässern angekommen? Michael L. Zettler, Meeresbiologe am Leibniz-Institut für Ostseeforschung und seine Kolleginnen und Kollegen wollten sich damit nicht zufrieden geben. In einer kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift PLoS ONE veröffentlichten Studie wenden sie zum ersten Mal bestimmte statistische Verfahren (DistLM - distance based linear model permutation test) an biologischen Langzeitdaten von drei Stationen in der deutschen Ostsee an, um die Aussagekraft der 35 Jahre umfassenden Datenreihe von Makrozoobenthos Parametern zu erhöhen.

Die Studie konzentriert sich auf Stationen in der Mecklenburger Bucht, an der Darsser Schwelle und im Arkonabecken. Alle drei Stationen unterscheiden sich beträchtlich hinsichtlich der Struktur der Lebensgemeinschaft, der Abundanzen, Biomassen und Artenzahlen. Auch die statistische Signifikanz und die Bedeutung von Umweltparametern bei der Erklärung zeitlicher Schwankungen der makrozoobenthischen Daten unterscheiden sich zwischen den Stationen und in Abhängigkeit der jeweiligen biotischen Parameter.

Mithilfe der DistLM Methode ließen sich Variablen ermitteln, die an der jeweiligen Station am ehesten die Variationen der einzelnen Makrozoobenthos-Parameter erklären. Neben den bereits bekannten Umweltvariablen wie Sauerstoffmangel und Salzgehaltsschwankungen lassen sich die Schwankungen und Trends der biologischen Komponenten zu einem großen Teil auch durch Klimaveränderungen (verwendet wurde der Nordatlantische Oszillations-Index=NAOI) erklären.

Wie also ist die Entwicklung der makrozoobenthischen Gemeinschaften in den letzten 35 Jahren verlaufen? Michael Zettler fasst die Ergebnisse zusammen: "Während wir an den Stationen Mecklenburger Bucht und Arkonabecken, die häufig durch Sauerstoffmangel geprägt sind, weder regime shifts noch Trends erkennen können, zeigt sich an der Darsser Schwelle, dass sich die benthische Lebensgemeinschaft innerhalb der untersuchten 35 Jahre mehrfach drastisch geändert hat. Wir gehen von zwei größeren regime shifts, am Ende der 1980er Jahre und um die Mitte der 1990er Jahre, aus. Es könnte sich um die benthische verzögerte Reaktion auf den klimabedingten und mittlerweile allgemein akzeptierten Nordatlantik Regime Shift handeln."

Vor dem Hintergrund der wichtigen ökologischen Rolle, die benthischen Lebensgemeinschaften zukommt, ist es essentiell ihre Reaktion auf Klimawandel und andere anthropogene oder natürliche Einflüsse zu verstehen und vorherzusagen. Die nun veröffentlichte Studie zeigt, dass die Fortführung der Langzeitdatenserien auch in hochdynamischen Seegebieten Sinn macht.

Die hier beschriebenen Langzeitdaten wurden im Rahmen des HELCOM Monitorings erhoben, das das Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde im Auftrag des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie durchführt.

Zettler, M. L., Friedland, R., Gogina, M., Darr, A. (2017): Variation in benthic long-term data of transitional waters: Is interpretation more than speculation? PLoS ONE 12(4): e0175746
https://doi.org/10.1371/journal.pone.0175746


Das IOW ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, zu der zurzeit 91 Forschungsinstitute und wissenschaftliche Infrastruktureinrichtungen für die Forschung gehören. Die Ausrichtung der Leibniz-Institute reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Sozial- und Raumwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften. Bund und Länder fördern die Institute gemeinsam. Insgesamt beschäftigen die Leibniz-Institute etwa 18.100 MitarbeiterInnen, davon sind ca. 9.200 WissenschaftlerInnen. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,6 Mrd. Euro. (www.leibniz-gemeinschaft.de)

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde, Dr. Barbara Hentzsch, 06.06.2017
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E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juni 2017

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