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VERKEHR/1071: Nein zur Deutschen Autobahn AG (ROBIN WOOD magazin)


ROBIN WOOD magazin - Nr. 129/2.2016

Nein zur Deutschen Autobahn AG
Verkehrspolitische Konsequenzen einer Bundesfernstraßengesellschaft

von Monika Lege


Erfordernisse der Mobilitätsplanung und -finanzierung

Zukunftsfähige Mobilitätsplanung fängt nicht mit dem Zählen von Autos an, sondern fragt zuerst: "Warum sind Menschen und ihre Sachen unterwegs?" Nur selten reißen Menschen Kilometer um der Kilometer willen ab, sondern Mobilität ist meistens Mittel zum Zweck. Verkehr entsteht durch Zentralisierung von Schulen, Krankenhäusern, Erwerbs- und Einkaufsmöglichkeiten und kulturellen Angeboten. Verkehr entsteht durch die räumliche Trennung von Wohnen, Geld verdienen und Geld ausgeben.

Die zweite Frage ist "Wie kommen Menschen und ihre Sachen von A nach B?" Zu Lande, zu Wasser oder in der Luft? Zu Fuß, per Fahrrad, im Auto? Individuell, geteilt oder öffentlich? Kombiniert? Nur eine integrierte Erfassung der Verkehrsmittelnutzung kann den Ist-Zustand ermitteln. Ist der Ist-Zustand für alle bezahlbar, wird er dem Klima- und Umweltschutz gerecht? Der zukünftige Bedarf schreibt nicht nur den Ist-Zustand fort, sondern berücksichtigt soziale und ökologische Zielsetzungen. Verkehrswachstum ist per se kein positives Ziel - genau so wenig wie Müllwachstum. Die nationalen Klimaschutzziele werden auch für den Verkehrssektor bindend.

Wie läuft es bisher? - Der BVWP

Der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) ist eines der irrationalsten Politikfelder überhaupt. Um einen Kollegen von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft zu zitieren: "Wir alle wissen doch, wie das läuft: Bürgermeister A sitzt bei Staatssekretär B auf dem Sofa und heult." Echte Kerle heulen natürlich nicht, sondern die Länder melden beim Bund einen Bedarf an. Bedarf wird so ermittelt: Das aktuelle Verkehrsaufkommen wird gezählt. Der Ist-Zustand wird um einen Wachstumsfaktor in die Zukunft hochgerechnet. Das ist dann die Prognose, die den zukünftigen Bedarf begründet.

Ein Beispiel: 2010 prognostizierte das Bundesverkehrsministerium ein Wachstum des Straßengüterverkehrs um 80 Prozent bis 2025. Eine Straße, auf der 2010 durchschnittlich 100 Laster pro Stunde durchbrummen, bedarf demnach eines Ausbaus, damit 2025 dort 180 Laster pro Stunde langbrettern können. Das ist alles. Aus Prognose wird Bedarf, aus Bedarf wird Bedarfsgesetz und Gesetz ist Gesetz ist Beton.

Dazwischen liegt das politische Kräftemessen. Wer am besten baggert, poltert, heult, droht und feilscht, kriegt das größte Stück vom Investitionsetat. Hierfür drei Beispiele.

• Die Ortsumfahrung Oberau liegt im Wahlkreis von Bundesverkehrsminister Dobrindt, CSU. Am 1. September 2015 war Dobrindt beim ersten Spatenstich mit den örtlichen Honoratioren und Baulöwen. Die Ortsumfahrung ist 4,2 Kilometer lang. Davon werden drei Kilometer als Tunnel geführt. Sie kostet rund 200 Millionen Euro, also 47.000 Euro pro Meter.(i)

• Für die Verlängerung der Stadtautobahn 100 in Berlin spendierte Dobrindts Vorgänger Ramsauer, CSU, nach der letzten Wahl zum Abgeordnetenhaus SPD und CDU 80 Millionen Euro als Belohnung für ihre Große Koalition. 3,2 Kilometer im ersten Bauabschnitt kosten 473 Millionen Euro. Das sind 150.000 Euro pro Meter.

• Als Verkehrsprojekt Deutsche Einheit dürfen 64 Kilometer Autobahn 44 von Kassel nach Eisenach für 1,8 Milliarden Euro neu gebaut werden, obwohl der prognostizierte Bedarf nur noch ein Drittel des durchschnittlichen Verkehrsaufkommens auf deutschen Autobahnen beträgt. Das sind 30.000 Euro pro Meter. 2011 waren das noch die teuersten Autobahnkilometer Deutschlands.

Der letzte BVWP wurde 2003 von der damaligen rot-grünen Bundesregierung verabschiedet. Er ist in Fünfjahrespläne, die Investitionsrahmenpläne, untergliedert. Sie sind Grundlage für den Etat des Bundesverkehrsministeriums, dem größten Investitionsetat im Bundeshaushalt. Der neue BVWP 2015 bis 2030 mit rund 2000 Projekten geht im Frühjahr in die sechswöchige so genannte "Bürgerbeteiligung".

Was ist geplant? - Die "Deutsche Autobahn AG"

Bisher sind die Länder im Auftrag des Bundes für Erhalt, Planung, Aus- und Neubau sowie Betrieb von Fernstraßen zuständig. Das Geld dafür erhalten sie vom Bund. Grundlage dafür ist der Artikel 104a des Grundgesetzes zur "Auftragsverwaltung": "(2) Handeln die Länder im Auftrage des Bundes, trägt der Bund die sich daraus ergebenden Ausgaben". Die Bundesfernstraßengesellschaft (BFG), von der FAZ treffend als "Deutsche Autobahn AG" tituliert, soll im ersten Schritt Planung, Bau, Erhalt und Betrieb der Bundesfernstraßen beim Bund zentralisieren. Sie soll aber auch die Möglichkeit zur Schaffung eines Kapitalanlagemodells enthalten.

Der Entwurf des Abschlussberichtes der Gabriel- oder Fratzscher-Kommission (ii) umreißt die Aufgaben der BFG wie folgt:

• "Sämtliche Kompetenzen im Bereich Straßeninfrastruktur in einer Hand bündeln und über Schnittstellen zu Staat und Bauwirtschaft sowie privaten Anlegern verfügen"

• "Nutzerfinanzierung konsequent umsetzen", d.h. LKW- und PKW-Maut auf Autobahnen und Bundesstraßen

• "Lange laufende Anlagemöglichkeiten für institutionelle Investoren schaffen".

Staatsanleihen seien keine Alternative, um den Kapitalbedarf zu decken: "Private Anleger erwarten eine angemessene Rendite, die oberhalb der Verzinsung von deutschen Staatsanleihen liegen dürfte." Die Konstruktion ähnelt der Deutschen Bahn AG und ihrem gerade wieder verschobenen Versuch, über einen Teilverkauf von Schenker und Arriva privates Kapital ins Unternehmen zu holen. Auch Bahnchef Grube argumentiert, potenzielle Investoren würden für ihre Beteiligung an der bisher vollständig staatseigenen AG eine deutlich höhere Rendite erwarten, als wenn die DB AG nur durch Anleihen an privates Kapital käme. Aus Sicht unseres Bündnisses "Bahn für Alle" liefert Grube damit das beste Argument gegen eine Beteiligung privater Kapitalgeber an der DB AG.

Auch für die zukünftige Vertretung der öffentlichen Auftraggeber in einer BFG lässt sich aus der Erfahrung mit der DB AG lernen. Das Sachziel - ein funktionierender inländischer Eisenbahnbetrieb - ist dem Gewinnziel einer privatrechtlichen AG nachgeordnet. Schulden wurden in gleicher Höhe wie bei Gründung neu aufgebaut. Ein großes Problem ist die Geheimhaltung von Unternehmensdaten.

Die Rechnungshöfe von Bund und Ländern haben bei 17 von 18 ÖPP-Projekten nachgewiesen, dass der wirtschaftliche Vorteil für das Gemeinwesen deutlich kleiner als vorhergesagt oder gar nicht nachweisbar war.(iii)

Warum lehnt ROBIN WOOD die geplante BFG ab?

Im Verkehrssektor stiegen die Treibhausgasemissionen 2014 um 1,2 % auf 161 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Das ist ein Fünftel der nationalen Gesamt-Kohlendioxid-Emissionen. Verantwortlich dafür ist der zunehmende Straßenverkehr.(iv)

Das Aktionsprogramm Klimaschutz der Bundesumweltministerin Hendricks, SPD, vom November 2014 setzt als nationales Klimaschutzziel minus 40 Prozent der Kohlendioxid-Emissionen bis 2020 gegenüber 1990. Damals emittierte Deutschland 1.248 Millionen Tonnen Kohlendioxid. 2014, dem jüngst abgeschlossenen letzten Messjahr, waren es 901 Tonnen Kohlendioxid. Trotz der Deindustrialisierung in den östlichen Bundesländern betrug der Rückgang in 24 Jahren nur 25 Prozent. Das Aktionsprogramm Klimaschutz setzt sich also zum Ziel, in sechs Jahren um weitere 15 Prozent zu reduzieren. Zur Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens soll im Dezember 2016 ein Nationaler Klimaschutzplan verabschiedet werden. Der Entwurf enthält einen integrierten Mobilitätsplan und die Sicherstellung der strategischen Umweltziele des noch nicht verabschiedeten BVWPs 2015 bis zu 30. Ein Finanzierungskonzept dazu fehlt noch, muss aber zur Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene und zur Verkehrsvermeidung anreizen.

Eine BFG stünde dem entgegen. Sie ist einseitig auf die Förderung des Straßenausbaus ausgerichtet. Wird sie privatrechtlich mit dem Ziel möglichst hoher Rendite betrieben, ist ihr unmittelbares Interesse möglichst viel Auto- und LKW-Verkehr. E-Mobilität ist am effizientesten auf der Schiene. Eine postfossile Verkehrswende wäre vom Tisch. Das Modell ermöglicht (noch) weniger Partizipation und demokratische Steuerung bei der Verkehrsplanung und -finanzierung als der Bundesverkehrswegeplan. Die Hereinnahme privater Anleger, für die die Übertragung an den Bund Voraussetzung ist, würde Gemeingut in Privatvermögen umwandeln.

Verkehrspolitisches Fazit: Die geplante Bundesfernstraßengesellschaft brächte mehr Verkehr auf die Straßen, aber keine bessere Mobilität für die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger.


Monika Lege ist ROBIN WOOD Referentin für Mobilität in Hamburg
verkehr@robinwood.de
Der vorliegende Text ist ihr Beitrag zum Fachtag vom 19.2.2016


(i) http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-126717930.html, 28.4.2014 und
http://www.br.de/nachrichten/oberbayern/inhalt/spatenstich-ortsumfahrung-oberau-100.html

(ii) zit nach taz 1.3.2015

(iii) Carl Waßmuth in Vorwärts 26.3.2013

(iv) Gemeinsame Pressemitteilung BMU und Umweltbundesamt vom 3.2.2016

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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 129/2.2016, Seite 30 - 31
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juli 2016

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