Naturschutzbund Deutschland (NABU) e.V. - Naturschutz aktuell - NABU-Pressedienst, 27. September 2022
NABU-Umfrage zur Mobilität: Fast zwei Drittel wollen Alternativen zum Auto
Miller: Besonders im ländlichen Raum fehlen Mobilitätsangebote
Berlin - Für fast zwei Drittel der Menschen in Deutschland engagiert sich die Bundesregierung zu wenig beim Ausbau von Mobilitätsangeboten. Das geht aus einer Civey-Umfrage im Auftrag des NABU hervor. 62 Prozent der Deutschen wünschen sich mehr politische Anstrengungen beim Ausbau alternativer Mobilitätsangebote. Nur knapp 24 Prozent sehen keine Notwendigkeit dafür.
NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller: "Unsere Umfrage bestätigt, die Menschen wünschen sich Alternativen zum Auto. Vor allem in ländlichen Räumen werden sie von der Politik allein gelassen. Dabei sollte gerade der Verkehrssektor mit seinen hohen Treibhausgasemissionen dringend reformiert werden. Jetzt heißt es, Bremse lösen! Die Mobilität der Zukunft ist erschwinglich, klimafreundlich, erreichbar und zuverlässig."
Bei Befragten aus ländlichen Räumen bestätigen knapp 60 Prozent den Wunsch nach mehr politischem Handlungswillen. Mit Blick auf eine attraktive, umweltschonende Mobilität in ländlichen Räumen hat der NABU deshalb zwölf Bausteine formuliert, an denen Politik und Kommunen sich orientieren können:
1. Attraktive Fußwege schaffen
Sichere und beleuchtete Fußwege mit ausreichend Sitzgelegenheiten
erhöhen die Aufenthaltsqualität in Kleinstädten und Dörfern. Gut
ausgebaute, barrierefreie Wege sorgen dafür, dass alle
Nutzer*innengruppen an Haltestellen und andere Orte der
Daseinsvorsorge wie Geschäfte, medizinische Einrichtungen und
Poststellen kommen.
2. Naturverträglichen Ausbau von Mobilitätsnetzen
ermöglichen
Wege sind für Zu-Fuß-Gehende und Radfahrende vor allem dann attraktiv,
wenn sie lärm-, gefahrenfrei und zusammenhängend sowie landschaftlich
ansprechend verlaufen. Wichtig ist, dass ihre Streckenführung im
Einklang mit den Ansprüchen des Natur- und Artenschutzes gewählt wird.
Umwidmung von Straßenraum ist gegenüber dem Neubau immer zu
bevorzugen. Zur Konfliktvermeidung bei Trassenverläufen ist eine
frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung von Naturschützer*innen
dringend empfohlen.
3. Pedelecs und (E-)Lastenräder fördern
Damit Pedelec, (E-)Lastenräder und Fahrräder attraktive Verkehrsmittel
für möglichst viele Menschen auf dem Land werden, sind eine
durchgängige, ebene und baulich vom Fuß- und Autoverkehr getrennte
Radinfrastruktur sowie sichere Abstellmöglichkeiten unablässig. Um den
Umstieg zu forcieren, ist es wichtig, diese Alternativen der
Alltagsmobilität kommunal finanziell sowie strukturell zu fördern und
mit zeitgemäßer Öffentlichkeitsarbeit zu unterstützen.
4. Verbrenner- durch E-Autos ersetzen
Zum Gelingen der Verkehrswende braucht es in ländlichen Räumen als
Übergangslösung eine Antriebswende. Dafür braucht es eine gut
ausgebaute Ladeinfrastruktur mit grünem Ladestrom, insbesondere für
das Laden am Arbeitsplatz, aber auch in Privathaushalten.
Mittelfristig muss auch in ländlichen Räumen die Zahl der Fahrzeuge
erheblich reduziert werden.
5. Durch Homeoffice und digitale Arbeitsformen Pendelwege
verringern
Homeoffice und gebündelte Co-Working-Spaces in ländlichen Räumen
vermeiden Verkehre und müssen zum Standard werden. Die nötige
technische Infrastruktur muss dafür in den kommenden Jahren ausgebaut
werden (Digitalisierungsschub).
6. Gemeinsames Autofahren und -teilen erleichtern
Solidarische und kommerzielle Carsharing- und Ridepooling-Angebote
animieren zum Spritsparen und bündeln Wege zur Arbeit oder anderen
Zielen. Finanzielle Anreize für Kommunen und örtliche Betriebe
unterstützen solche Angebote.
7. Mobilitätsstationen sozial und technisch aufwerten
Mobilitätsstationen mit Aufenthaltsbereichen und W-LAN-Anschluss
sollen als Knotenpunkte zwischen Umweltverbund und motorisiertem
Individualverkehr (MIV) dienen. Dafür braucht es neben ausreichend
Park-and-ride-Flächen für den MIV und Abstellanlagen für Fahrräder an
öffentlichen Haltestellen auch Zugang zu Leihfahrzeugen. Wenn Cafés,
Arztpraxen oder Supermärkte dazu kommen, kann die Funktionalität und
die Aufenthaltsqualität erheblich gesteigert werden.
Mobilitätsstationen können so zu Orten des sozialen Miteinanders
werden.
8. Entscheidungsspielräume für Kommunen stärken
Kommunen brauchen mehr Entscheidungsfreiheit. Das betrifft unter
anderem die Regelungen der Straßenverkehrsverordnung, beziehungsweise
das Straßenverkehrsgesetz. Denn Gemeinden wissen selbst am besten, wo
sie beispielsweise Tempo-30-Zonen einrichten oder
Parkraumbewirtschaftung betreiben sollen. Zu dieser Freiheit gehört
auch finanzielle Unterstützung für klima- und naturfreundliche
Verkehrsprojekte aus Bundes- und Landesmitteln.
9. Zersiedelung und Flächenverbrauch stoppen
Boden und Fläche sind wertvolle und endliche Güter. Durch
Bautätigkeiten hervorgerufene Zersiedelung verbraucht zu viel davon
und verstärkt die Abhängigkeit vom MIV in ländlichen Räumen seit
Jahrzehnten. Deshalb braucht es eine integrierte Raumplanung, die auf
nachhaltige, flächensparende Siedlungsentwicklung und Aktivierung im
Bestand setzt, bei der ein Bahn- oder Buslinienanschluss genauso von
Anfang an mitgedacht werden muss, wie die Integration von Orten des
täglichen Bedarfs wie Kitas, Lebensmittelgrundversorgung,
Begegnungsstätten, Seniorentagespflege. Damit wird weitere
Zersiedelung und Flächeninanspruchnahme minimiert und die
Lebensqualität in ländlichen Regionen wieder erhöht.
10. Gute Praxis muss Schule machen
Neue Mobilitätsangebote und -formen jenseits des MIV müssen nicht nur
attraktiv sein, sondern eine Vielzahl an unterschiedlichen
Nutzungsgruppen erreichen. Dazu müssen sie positiv begleitet und
kommuniziert werden (Werbung). Um den Kulturwandel beim
Mobilitätsverhalten erfolgreich zu gestalten, braucht es einen
Wissenstransfer zwischen Akteur*innen aus Wissenschaft, Verwaltung und
Praxis, damit gute Beispiele weitergegeben werden und Anwendung
finden.
11. Eine Mobilitätsgarantie für den öffentlichen Verkehr
einführen
Als Teil der Grundversorgung muss der ÖPNV mit einem verlässlichen
Angebot von 5 bis 24 Uhr gewährleistet werden und damit eine
Voraussetzung für den Umstieg auf Bus und Bahn schaffen. Dafür braucht
es mindestens einen Stundentakt zu Hauptverkehrszeiten und einen
Halbstundentakt in die nächstgrößere Ortschaft, der in
Neben-/Schwachverkehrszeiten durch On-Demand Angebote flexibel ergänzt
wird.
12. Mobilitätswende sozial gerecht für alle gestalten
Verkehrspolitik hat immer auch soziale Effekte, gerade in ländlichen
Regionen. Häufig entstehen die Probleme (u.a. Mobilitätsarmut,
Erschwinglichkeit, Erreichbarkeit und Belastung durch Folgen des
Verkehrs) dort, wo der öffentliche Verkehr kaum stattfindet und das
eigene Auto die einzige praktikable Alternative ist. Alle Menschen in
ländlichen Räumen sollen unabhängig von finanziellem und sozialem
Hintergrund, Behinderung, Mobilitätseinschränkung, Alter oder
Geschlecht ohne eigenes Auto mobil sein können. Die Teilhabe am
gesellschaftlichen Leben muss beispielsweise durch ein 30-Euro-Ticket
(Monat)/365-Euro-Ticket (Jahr) von jung bis alt für den
Regionalverkehr in ganz Deutschland gewährleistet werden.
Die vollständige Broschüre, ein Plakat und die Umfrageergebnisse
können hier heruntergeladen werden:
www.nabu.de/umwwlt-und-ressourcen/verkehr/verkehrsinfrastruktur/32230.html
Civey hat für den NABU (Naturschutzbund Deutschland) e.V. vom 23. bis 25. September 2022 rund 5.000 Bundesbürger ab 18 Jahren online zum Thema Mobilitätsangebote befragt. Die Daten wurden im Civey-eigenen Online-Panel mit verifizierten Teilnehmenden erhoben. Die Ergebnisse sind unter Berücksichtigung des angegebenen statistischen Fehlers repräsentativ für die angegebene Grundgesamtheit.
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Quelle:
NABU Pressedienst, 27.09.2022
Herausgeber:
Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU)
Pressestelle
Charitéstraße 3, 10117 Berlin
E-Mail: presse@NABU.de
Internet: www.NABU.de
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 29. September 2022
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