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ATOM/1055: CDU-Wirtschaftsvereinigung MIT will Subventionsmillionen für Pleitetechnologie (BI Hamm)


Bürgerinitiative Umweltschutz Hamm e. V.: Aktuelles - Neues vom Atom - 09.07.2010

CDU-Wirtschaftsvereinigung MIT will Subventionsmillionen für Pleitetechnologie!

Von Horst Blume


"MIT ein paar hundert großzügigen Euro-Milliönchen von den Steuerzahlern für unsere Betriebe lässt es sich noch etwas feudaler leben" dachten offensichtlich die Mitglieder der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung (MIT) der CDU/CSU, als sie ihr Energiekonzept (1) für die BRD vorstellten und dabei nicht nur die Atomenergie allgemein favorisierten, sondern hierin auf 1 1/2 Seiten speziell den Hochtemperaturreaktor als wichtiges Ziel für die Zukunft hervorhoben.

Da die Bundesregierung im Herbst 2010 ein energiepolitisches Gesamtkonzept erstellen will, versucht diese Interessenorganisation in der CDU ihre eigenen Ziele auf möglichst direktem Wege in Regierungspolitik umzusetzen. Die höchst eigennützige Schwerpunktsetzung für eine im In- und Ausland gleichermaßen längst an technischen Problemen gescheiterte HTR-Linie wird dem Zeitgeist entsprechend mit wunderschönem Wortgeklingel angepriesen: "Mit dem vorliegenden mittelstandsorientierten Energiekonzept beantworten wir die ökologische und als auch wirtschaftliche Zukunftsfrage einer sicheren, bezahlbaren sowie umweltverträglichen Energieversorgung".


Weltweit neue Staatsgelder für Luftschlösser?

Sobald jedoch die Rede auf den heilsbringenden Reaktortyp THTR Hamm kommt, umweht eine Aura von Tragik, dramatischem Verlust und Dolchstoßlegende den Rückblick auf vergangene glorreiche Zeiten: "Dieses Bekenntnis der MIT zur Kernenergie schließt auch die Forderung ein, dass sich Deutschland an der Entwicklung zukünftiger Reaktorgenerationen beteiligt und die führende (!) Rolle, die Deutschland in der Vergangenheit in der Kerntechnik innehatte, zurückgewinnt. Dies gilt auch und insbesondere im Hinblick auf die Kernkraftwerke der Generation IV, die im Zeitraum 2010 bis zirka 2025 entwickelt werden."

Ach wirklich?
Die HTR's werden selbstverständlich einfach so entwickelt?
Von wem denn??
Von Südafrika vielleicht, die diese Linie abgebrochen hat und die ausführende Gesellschaft in den Status einer Fast-Briefkastenfirma überführt hat?
Oder von China, das den vor sich hindümpelnden Mini-Mini-Versuchsreaktor in Peking nur noch dann anschmeißt, wenn sich ein Schwarm unverbesserlicher Lobbyisten andächtig nähert?
Die EU, die Schwierigkeiten hatte, nach der letzten verheerenden Schlappe in Südafrika überhaupt noch ein komplettes HTR-Seminar in Prag auf die Beine zu stellen?
Oder die USA, die die Probleme ihrer gescheiterten HTR-Vorläuferreaktoren aus den 70er Jahren noch nicht einmal gründlich aufgearbeitet haben?

Die CDU-Mittelstandstruppe behauptet steif und fest: Die neuen Reaktoren werden entwickelt. Sicher ist hingegen nur Eines: Irgendwo auf dieser Welt werden ein paar Mittelständige Unternehmen etliche Millionen Euro Steuergelder dafür bekommen, dass sie irgendetwas unternehmen, was mit dieser Reaktorlinie zutun hat. Und die deutschen Unternehmer wollen zu ihnen gehören! Der blanke Eigennutz grinst uns frech an.


Nukleardeutschland voran!

Die MIT zögern nicht, auch die nationale Karte zu spielen. Beim "Generation IV Programm GIF" (2) machen 11 Länder mit, doch Deutschland ist nur über den Umweg einer indirekten EU-Beteiligung dabei. Weg mit diesem unwürdigen Versteckspiel, Deutschland muss "eigenständiges Mitglied" in diesem ganz besonderen Nuklearclub werden, fordert MIT!

Damit seine Mitglieder möglicherweise an Unterstützungsgelder für die umstrittene HTR-Linie kommen, verspricht MIT das Blaue vom Himmel: "Der Brennstoff für Kernenergie reicht noch für mehrere hundert Jahre. Mit der Beteiligung an dem Generation IV Programm betreibt Deutschland Zukunftssicherung und wird eine spätere Abhängigkeit von Stromimporten vermeiden. (...) In Verbindung mit Wasserstoffherstellung können diese Reaktoren ganzjährig wärmegeführt betrieben werden, so dass eine maximale Wärmeauskopplung im KWK-Betrieb erreicht wird."

Das alles reicht MIT aber noch nicht. Ein weiteres, zusätzliches Kapitel zum Hochtemperaturreaktor soll den letzten Zweifel beseitigen. Dort der Hinweis auf Jülich: "Weiterhin ist es bei dem in Deutschland 1967 erstmalig in Betrieb genommenen Kugelhaufenreaktor AVR möglich, während des laufenden Betriebes Brennelemente nachzuladen und abgebrannte zu entladen". - Und natürlich kein einziges Wort zu Störfällen, unkontrollierten Radioaktivitätsabgaben und technischen Problemen. Unbequeme Wahrheiten werden komplett ausgeblendet.


HTR: Bei Experten sehr umstritten

Zuletzt hat am 5. Juli 2010 der mit dem Rückbau des Jülicher THTR's befasste Wissenschaftler Rainer Moormann vom Forschungszentrum Jülich in einem Bericht der Aachener Nachrichten zu Protokoll gegeben:

"Was genau geschah 1978? Damals tropfte aus einem wenige Millimeter großem Loch im Dampferzeuger über Tage hinweg Wasser - insgesamt 30 Tonnen - in den Reaktor. Das Ausmaß des Störfalls wurde erst später entdeckt, auch die dadurch entstandene Kontamination des Bodens. Der Rückbau offenbart immer wieder neue Probleme. Die Kosten werden mittlerweile auf 450 Millionen Euro geschätzt. Moorman glaubt: ,Dabei bleibt es nicht.' (...) Für ihn bleibt die Kugelhaufenreaktortechnik nicht komplett beherrschbar, das zeige auch der gescheiterte Versuch, das Konzept in Südafrika zu realisieren. Einer der Hauptkritikpunkte von Rainer Moormann: Man konnte im Jülicher Reaktorkern keine direkten Messungen vornehmen, so zum Beispiel die zu hohen Temperaturen nicht feststellen. ,Ein Unding' so der Experte."


Massive Kritik an Reaktorlinie

Die von Moormann 2008 veröffentlichte umfangreiche Studie "Eine sicherheitstechnische Neubewertung des Betriebs des AVR-Kugelhaufenreaktors und Schlussfolgerungen für zukünftige Reaktoren" brachte zahlreiche neue Erkenntnisse in die Diskussion ein, die allesamt von der CDU-Wirtschaftvereinigung MIT ignoriert werden, weil sie ihnen nicht ins Konzept passen:

Viele Sicherheitsprobleme im AVR wurden bisher verschwiegen.
Der Rückbau bringt es an den Tag: Es fanden innerhalb der Anlage bedeutend höhere Kontaminationen als vorausberechnet statt.
Radioaktiver Graphitstaub ist "mobil".
Unzulässig hohe Coretemperaturen sind die Ursache für hohe Freisetzungen.
Der Dampferzeuger wurde während des Betriebes geschädigt.
Der AVR-Betrieb war unsicher und unzuverlässig. Folglich sind diese negativen Sicherheitseigenschaften auch bei zukünftigen Generation IV-Reaktoren zu erwarten.
HTR-Kugelbrennelemente können den Austritt von Radioaktivität nicht verhindern. Ein Mythos wird als Lüge entlarvt.
Es findet eine unkontrollierte (!) Verteilung radioaktiver Nuklide über den gesamten Kühlkreislauf statt.
Wassereinbrüche fanden statt. Diese müssen durch zusätzliche Vorrichtungen in Zukunft ausgeschlossen werden.
Ein gasdichtes Containment (Sicherheitsbehälter) fehlt ganz, ist aber unbedingt notwendig.

Der Autor diskutiert, ob im Interesse der Sicherheit in Zukunft grundsätzlich von Heißgastemperaturen abgesehen werden sollte. Mit anderen Worten: Der in der Generation IV besonders favorisierte Very- High-Temperature Reactor (VHTR) bereitet besonders viele Probleme, die erst noch gelöst werden müssen.
Die Weiterentwicklung des Kugelhaufenreaktors wird sehr teuer und deswegen sollten ökonomische Risiken zuvor exakt abgeschätzt werden. Alle bisherigen HTR-Sicherheitsstudien waren unzureichend und in ihren Schlussfolgerungen viel zu optimistisch. (3)


Antriebsfeder für Renaissance-Versuch: Ökonomische Interessen

Wer all diese Argumente vom Tisch wischt und weiterhin Hochtemperaturreaktoren propagiert, der hat handfeste ökonomische Interessen an diesen Projektvisionen. Der will von den staatlichen Subventionen, ohne die bei der Nuklearindustrie gar nichts mehr läuft, profitieren und nimmt hierfür notfalls Strahlentote in Kauf!

Sehen wir uns die CDU-Wirtschaftsvereinigung einmal genauer an, so entdecken wir, dass vor noch vier Jahren ihr ehemaliger stellvertretender Vorsitzender Hermann-Josef Werhahn (4) hiess. Eben jener umtriebige Exponent des 'Rheinischen Kapitalismus' und Adenauer-Schwiegersohn, der als langjähriger Gesinnungsfreund von THTR-Schöpfer Rudolf Schulten jahrzehntelang nichts unversucht gelassen hat, "seinem" Reaktorprojekt viele Millionen Euro Subventionen zuzuschanzen. Manchmal ist die Realität ebenso profan wie abstossend. Ob diese ganz spezielle Ausformung von "Wirtschaftsbeziehungen" im Fall des THTR erneut zur konkreten Politik der Bundesregierung wird, sehen wir im Herbst 2010.


Anmerkungen:
(1) http://www.mit-virtuell.de/news/960/
(2) Siehe THTR-Rundbrief Nr. 122 http://www.reaktorpleite.de/index.php/nr.-122-august-08.html
(3) Ausführlicher die HTR Studie von Rainer Moormann http://www.reaktorpleite.de/index.php/htr-studie-2008-r-moormann.html
(4) Näheres zu Werhahn und THTR: THTR-Rundbrief Nr. 127 http://www.reaktorpleite.de/index.php/nr-127-juli-09.html


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Quelle:
BI Umweltschutz Hamm e. V.
Neues vom Atom - 09.07.2010
Postfach 1242, 59002 Hamm
E-Mail: h.blume@thtr-a.de (Horst Blume)
Internet: www.thtr-a.de, www.reaktorpleite.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Juli 2010