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ATOM/958: Beim Abbau der Anlage Cadarache wesentlich mehr Plutonium gefunden als gemeldet (idw)


Wissenschaftliche Abteilung, Französische Botschaft in der Bundesrepublik Deutschland - 23.10.2009

Plutoniumunfall in Cadarache - nicht mehr als eine "Wasserflasche"


Beim Abbau der seit mehr als 40 Jahren vom französischen Zentrum für Atomenergie (CEA) betriebenen Atomanlage in Cadarache sind in einem abgedichteten Behälter (Handschuhkasten, [1]) der Anlage für die Herstellung von MOX-Brennelementen [2] 22 Kilo Plutoniumstaub entdeckt worden (das CEA schätzt die Gesamtmenge sogar auf 39 Kilo). Dies teilte die Atomaufsichtsbehörde (ASN) in Paris mit. Die Betreiber hatten den Bestand auf lediglich 8 Kilo geschätzt.

Diese MOX-Anlage gehört zum CEA und wird seit 2008 von AREVA abgebaut. Die Rohstoffe kamen dort als Pulver (Plutonium- oder Uranoxid) an und verließen die Anlage in Form von MOX-Metallplättchen. Jedes Jahr passierten 1 bis 3 Tonnen Plutonium diese Fabrikhalle, was über die gesamte Laufzeit 350 Tonnen bedeutet. Die Anlage wurde im Jahr 2003 stillgelegt, und von 2008 an abgebaut. Bei der Arbeit mit den 450 Handschuhkästen wurden viele Aufgaben manuell getätigt. Während des Abbaus werden die Plutoniumablagerungen abgesaugt oder mit einem Kratzer entfernt. Diese langlebigen Abfälle mit hoher bzw. mittlerer Radioaktivität werden unter streng vorgegebenen Bedingungen behandelt. Bislang wurden bereits 200 der 450 Handschuhkästen zurückgebaut.

Diese Fehleinschätzung der Plutoniummenge (zunächst 8 kg, dann 22 kg und schließlich 39 kg) ist auf die Dichte des Stoffes zurückzuführen. 22 Kilo Plutonium entsprechen dem Volumen einer Wasserflasche. Es war des Weiteren über eine große Fläche verteilt (10 m2 pro Kasten) und 40 dieser 450 Handschuhkästen enthielten außerdem den höchstmöglichen Plutoniumgehalt.

Bei der Herstellung von MOX ging ein Teil des Stoffes während des Verfahrens verloren und verschwand in den Ecken. Dies musste ganz genau erfasst werden. Während des Betriebs waren die Handschuhkästen permanent an eine Saugleitung angeschlossen, so dass selbst im Fall eines Lecks die Luft nach Innen und nicht in Richtung der Mitarbeiter geleitet wurde. Die Kästen wurden regelmäßig mit einem Absauggerät gereinigt, was mit Wischtests (Wattestäbchen) überprüft wurde. Dennoch konnte sich während des 40jährigen Betriebs der Anlage eine bestimmte unerreichbare Pulvermenge in der Einrichtung (Waage, Presse, Zuschnittmaschinen) bzw. in den Zwischenräumen festsetzen. Aufgrund der Dichte des Plutoniums sind 40kg Plutonium nicht unbedingt mit bloßem Auge erkennbar.

Die ASN ordnete an, die Abbauarbeiten an der Anlage umgehend einzustellen. Es herrscht Gefahrenstufe zwei auf einer internationalen siebenstufigen Skala. Große Mengen Plutonium am selben Ort können zu einer gefährlichen Kettenreaktion führen", sagte Alain Delmestre, Vizechef der ASN. In einem solchen Fall könnten Menschen tödlich verstrahlt werden. Die Atomaufsichtsbehörde wirft dem Betreiber CEA vor, den Zwischenfall nicht rechtzeitig gemeldet zu haben. "Es sieht so aus, als ob der Fund schon im Juni bekanntgeworden sei, aber wir erst im Oktober informiert wurden", sagte Delmestre. Der Fall sei aus diesem Grund der Staatsanwaltschaft übergeben worden.

[1] Handschuhkasten: vollständig abgedichtete Plexiglasbehälter, die das für die MOX-Herstellung nötige Plutonium und Uran enthalten. Beim Umgang mit diesen beiden gefährlichen Materialen agieren die Mitarbeiter mit Handschuhen und sind durch eine durchsichtige Wand gegen radioaktive Strahlung geschützt.

[2] MOX: MOX-Brennelemente, die aus Urandioxid UO2 und Plutoniumdioxid PuO2 bestehen, werden heute in verschiedenen Ländern (vor allem in Frankreich und Deutschland, aber auch in der Schweiz und Belgien) in Kernreaktoren eingesetzt, um das bei der Wiederaufbereitung abgetrennte Plutonium zu verwerten und dabei gleichzeitig für Kernwaffen weitgehend unbrauchbar zu machen.

Quellen:
- Pressemitteilung der CEA - "Incident de plutonium à Cadarache : la taille d'une "bouteille d'eau"" - 15.09.2009
- Radio France International RFI

Redakteurin: Claire Vaille, claire.vaille@diplomatie.gouv.fr

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Wissenschaftliche Abteilung, Französische Botschaft in der
Bundesrepublik Deutschland, Marie de Chalup, 23.10.2009
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E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Oktober 2009