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ERNÄHRUNG/116: Hopfen und Malz - Wie rein ist das deutsche Reinheitsgebot? (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 180 - Juni / Juli 2014
Die Berliner Umweltzeitung

Hopfen und Malz
Wie rein ist das deutsche Reinheitsgebot?

Von Volker Voss



Wenn es ums Bier geht, sind sich viele Liebhaber des hier gebrauten Gerstensaftes sicher, dass es sich nur um ein hochwertiges Qualitätsprodukt handeln kann, gebraut gemäß dem vom bayerischem Herzog Wilhelm IV 1516 verfügten deutschen Reinheitsgebot, das bis heute Gültigkeit hat. So steht der Hinweis, "nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut", auf mehr oder weniger allen Bierflaschen, -fässern und -dosen, die in deutschen Landen ihren Ursprung haben.

Das alt hergebrachte Gesetz besagt, dass lediglich Malz, Hopfen, Wasser und Hefe verwendet werden dürfen, um genau diesem Reinheitsgebot zu entsprechen - und sonst nichts! Schließlich hat das deutsche Bier aufgrund seiner ihm nachgesagten hohen Qualität und Reinheit, wie der Name schon verspricht, auch im Ausland einen guten Ruf und dort ebenso sehr viele Liebhaber. Mit knapp 100 Litern verkosteten Bieren pro Jahr und Einwohner sind die Deutschen aber längst nicht, wie oft vermutet, die Weltmeister im Krügeheben. Die Tschechen und Österreicher weisen einen noch höheren Prokopfverbrauch auf. Außerdem wird auch in den beiden Nachbarländern zumindest teilweise nach dem Reinheitsgebot gebraut.

Wenn doch nun der deutsche Gerstensaft so rein ist, wie es auf dem Flaschenlabel steht, bräuchte man sich eigentlich gar keine weiteren Gedanken mehr dazu machen. Doch wie rein ist der deutsche Gerstensaft wirklich? Vor knapp 500 Jahren als das deutsche Reinheitsgebot festgelegt wurde, gab es weder chemischen Dünger, noch automatisierte Aufbereitungsanlagen, ganz zu schweigen von schädlichen Umwelteinflüssen oder genmanipulierten Pflanzen.

Viele Zusatzstoffe

So sehr ein Blick auf das Flaschenlabel bestätigt, dass nur die erwähnten Stoffe verwendet werden, muss leider angemerkt werden, dass das alte Gesetz der deutschen Bierreinheit über die Jahre erheblich verwässert wurde, was überhaupt nicht ersichtlich und auch auf keiner Inhaltsbeschreibung zu finden ist. Schwere Vorwürfe gegen die in Massenfertigung erfolgende Braukunst erhebt unter anderem Der Spatz - Verbrauchermagazin für Ökologie und Gesundheit: "Das oft hoch gelobte deutsche Biergesetz hat zudem nichts gegen den Einsatz von modernen Zusatzstoffen und Hilfsmitteln wie Schwefel, Polyvinylpolypyrrolidon (PVPP) und Kieselsäuresubstanzen zur Haltbarmachung und zur Filtrierung des 'reinen' Bieres. Das deutsche Biergesetz erlaubt solche Hilfsstoffe, solange sie bis auf gesundheitlich, geruchlich und geschmacklich unbedenkliche, technisch unvermeidbare Anteile wieder ausgeschieden werden." Doch damit nicht genug: "Der konventionelle Hopfen wird nach der Ernte geschwefelt, um ihn länger haltbar zu machen. Das alles findet sich schließlich mehr oder weniger verdünnt in den Kesseln der gewöhnlichen Brauer wieder. Der konventionellen Braukunst erlaubt ist darüber hinaus die Verwendung von Hopfenextrakt. Dieser wird mit Hilfe von nicht ungefährlichen chemischen Lösungsmitteln wie Methylenchlorid und Hexan aus dem Hopfen gelöst."

In den Werbebotschaften der Brauereien und Brauerverbänden findet sich von all dem ebenfalls nichts. Das deutsche Reinheitsgebot und die deutsche Braukunst werden in höchsten Tönen gelobt, ohne Erwähnung der von Kritikern aufgelisteten und leider durch das Lebensmittelrecht erlaubten Zusatzstoffe und Brauverfahren, die aber die Reinheit des traditionellen Braugebotes eher in Frage stellen.

Und dann gibt es noch nach dem Reinheitsgebot gebrautes Bier in Plastikflaschen, was dem anspruchsvollen Biertrinker eher den kalten Schauer über den Rücken laufen lässt und zudem umweltschädlich ist. "Glas-Mehrwegflaschen werden durchschnittlich 50-mal wiederbefüllt, bevor sie eingeschmolzen und wiederverwertet werden, PET-Flaschen hingegen nur 10- bis 25-mal", errechnete der BUND.

Nichtsdestotrotz ist aber noch lange nicht Hopfen und Malz verloren. Auch wenn gerademal nur mit etwas über zwei Prozent Gesamtanteil an der deutschen Bierproduktion versorgen Bio-Brauer den Markt mit ökologischem Gerstensaft, dem man nachsagen kann, tatsächlich noch dem traditionellen deutschen Reinheitsgebot zu entsprechen. Natürlich ist die Herstellung von biologischem Bier aufwendiger als das Brauen des herkömmlichen Bieres, wodurch die Verbraucherin und der Verbraucher beim Kauf etwas tiefer in den Geldbeutel greifen müssen als beim herkömmlichen Bier.

Naturbelassenes Bio-Bier

"Die Unterschiede zwischen Massenproduktion in einer Großbrauerei und der Erzeugung von Bio-Bier besteht darin, dass wir ausschließlich Rohstoffe aus ökologischem Anbau verwenden, es werden keine Zusätze hinzugefügt", beschreibt Braumeister Thomas Köhler von der Brandenburgischen Braumanufaktur in Templin das Herstellungsverfahren. "Wir brauen nicht im Schnellgärungsverfahren, sondern nach klassischer Art mit kalter Gärung." Im Gegensatz zu den Großbrauereien dauert das ökologische Brauverfahren je nach Biersorte zwischen vier und acht Wochen, anstatt etwa 14 Tage wie in der Massenproduktion, wo zudem noch steril filtriert wird. Nach biologischen Richtlinien gebraut, ist das Bier naturtrüb, naturbelassen und enthält die ganzen wertvollen Bestandteile der Hefe wie Spurenelemente, Eiweiß und Vitamine, die sonst verloren gehen, erläutert Köhler die einzelnen Schritte der ökologischen Braukunst. Aufgrund dessen, dass die Biere auch nicht pasteurisiert werden, beschränkt sich die Haltbarkeitsdauer auf drei Monate. Schließlich findet sich auf den Flaschen der Templiner Bierbrauer das EU-Biosiegel.

Während der Bierabsatz in Deutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamtes seit mehreren Jahren rückläufig ist - 2013 verringerte sich der Anteil erneut um zwei Prozent - können sich die Brandenburger Öko-Bierbrauer über einen beachtlichen Zuwachs freuen. "Wir konnten unseren Absatz 2013 um 35 Prozent steigern", freut sich Braumeister Köhler. Er geht aber davon aus, dass diese zweistelligen Absatzzuwächse kein Dauerzustand sein werden. "Das wird sich allmählich einpegeln", schätzt er. Es handelt sich hierbei schließlich um Nischenprodukte, was er aber nicht ohne Stolz sagt. Die Templiner Braumanufaktur mit ihren verschiedenen Bierspezialitäten und Vorort-Verkostung im eigenen Restaurant ist die einzige Bio-Brauerei in Berlin-Brandenburg. Sie produziert also regionale Produkte für den regionalen Markt. Der Direktvertrieb erfolgt in einem Umkreis von 25 Kilometern, so dass lange Transportwege entfallen. Verschiedene Getränkeverkaufsstellen, unter anderem Bio-Läden, bieten den Brandenburger Gerstensaft auch in einem größeren regionalen Umkreis an.

Die Zahl der Bio-Brauereien ist im Vergleich zu den konventionellen Bierproduzenten noch recht übersichtlich. Lediglich rund 30 Vollbetriebe gab es laut Bio-Bierführer Deutschland 2012. Hinzu kommen noch etwa 60 Brauereien, die zumindest ein oder mehrere Bio-Biere im Sortiment haben. Klein, aber fein trifft wohl der Wahlspruch zu: "Nur Bio-Bier ist reines Bier", das aufgrund der schonenden Brauweise auf ökologischer Grundlage Boden, Wasser und Klima schützt. Na dann, zum Wohl!

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Quelle:
DER RABE RALF - 25. Jahrgang, Nr. 180 - Juni/Juli 2014, Seite 20
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47, -57, Fax: 030/44 33 91-33
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juli 2014