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EUROPA/554: Europäische Lebensmittelbehörde spielt Interessenkonflikte herunter (Testbiotech)


Testbiotech e.V. - München, 15. Juni 2016
Institut für unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie

Europäische Lebensmittelbehörde spielt Interessenkonflikte herunter

"EFSA kennt entweder die Fakten nicht oder versucht die Öffentlichkeit zu täuschen"


In einem offenen Brief an den Verwaltungsrat der EFSA fordern Testbiotech und GeneWatch UK Maßnahmen, um die Unabhängigkeit der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA zu schützen und ihre Glaubwürdigkeit wieder herzustellen. Hintergrund sind mehrere aktuelle Fälle von Interessenkonflikten:

  • Barbara Gallani wechselte von der britischen Lobbyorganisation "Food and Drink Federation" direkt zur EFSA als Leiter der Kommunikationsabteilung.
  • Vier Experten der EFSA, die mit der Risikobewertung gentechnisch veränderter Organismen befasst sind, sind gleichzeitig in Organisationen aktiv, die enge Verbindungen zur Industrie haben.
  • Ein deutscher Experte, der am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) beschäftigt ist, verschweigt in seiner Interessenerklärung seine Tätigkeit für das von der Industrie finanzierte International Life Sciences Institute (ILSI).

Diese Fälle wurden dem Geschäftsführenden Direktor der EFSA, Bernhard Url, im März zur Kenntnis gebracht. Jedoch zeigt Url in seiner Antwort wenig Interesse daran, diese Probleme zu lösen. So bezeichnet er die Mitgliedschaft von EFSA-Experten beim International Society for Biosafety Research (ISBR) als zufällig und "üblich für die Aktivitäten von Wissenschaftlern". Die Arbeit des ISBR wird im Wesentlichen von Bayer, ILSI, CropLife, DuPont/Pioneer, Dow, Monsanto und Syngenta bezahlt. Einer der Experten der EFSA, der an der Risikobewertung von gentechnisch veränderten Pflanzen beteiligt ist, amtiert gleichzeitig als Programmdirektor für ISBR.

"Die Antwort von Herrn Url ist nicht nur unzureichend, sondern erscheint auch sachlich nicht richtig", sagt Christoph Then für Testbiotech. "Herr Url scheint die Fakten nicht zu kennen oder, falls er sie doch kennt, entsteht der Eindruck, dass er die Öffentlichkeit täuschen will."

"Wenn die Gesellschaft nicht darauf vertrauen kann, dass die Wissenschaftler und Behörden, die Mensch und Umwelt schützen sollen, unabhängig von den Interessen der Firmen sind, die mit Risikotechnologien Geld verdienen wollen, haben wir ein ganz grundlegendes Problem", sagt Helen Wallace für GeneWatch UK.

Schon 2011 und 2012 gab es in Reaktion auf Verstrickungen zwischen EFSA und ILSI den Versuch, die Standards zur Wahrung der Unabhängigkeit der Behörde zu stärken. In Reaktion auf eine Beschwerde von GeneWatch UK empfiehlt auch der EU-Ombudsmann eine Überarbeitung der Richtlinien der EFSA, um ihre Unabhängigkeit zu wahren. Trotz allem scheint es aber nicht zu einer ausreichenden Aufarbeitung der Probleme gekommen zu sein.



Weitere Informationen:

Der Brief an den Aufsichtsrat der EFSA mit Annex
http://www.testbiotech.org/node/1663

Die Antwort von Herrn Url an Testbiotech
http://www.testbiotech.org/node/1664

Der Brief von Testbiotech an Herrn Url, März 2016, mit Annex
http://www.testbiotech.org/node/1585

Entscheidung des EU-Ombudsmanns bezüglich einer Beschwerde von GeneWatch UK
http://www.ombudsman.europa.eu/en/cases/decision.faces/en/58868/html.bookmark

PM_Ein offener Brief an EFSA.pdf
http://www.testbiotech.org/sites/default/files/PM_Ein%20offener%20Brief%20an%20EFSA.pdf

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Quelle:
Testbiotech e. V., 15.06.2016
Institut zur unabhängigen Folgenabschätzung in der Biotechnologie
Frohschammerstr. 14, 80807 München
Tel: 089/35899276
E-Mail: info@testbiotech.org
Internet: www.testbiotech.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juni 2016

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